Halbvoll oder halbleer?

Infoveranstaltungen oder Seminare müssen beworben werden, sonst kommt keiner. Soweit ist alles klar. Nun stellt sich aber die Frage, wie bewirbt man denn so eine Veranstaltung? Viele Veranstalter haben die Angewohnheit, auf eine sehr stereotype Art und Weise in Emails, Foldern oder anderen Infomaterialien auf die jeweilige Veranstaltung hinzuweisen. Meist geschieht das, indem beschrieben wird, was da bei dieser Veranstaltung passieren wird. Das ist ja auch schön und gut, und manche fühlen sich dadurch auch angesprochen. Aber eben nur manche.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an das 4-Mat-System. Hier habe ich über die vier Lerntypen geschrieben. Der „Was-Typ“ findet es natürlich gut, wenn er erfährt, was etwa im Seminar gespielt wird. Der „Was-Typ“ macht aber leider nur etwas mehr als 20 Prozent in unserer Gesellschaft aus. Tja, und die anderen lassen sich durch das „Was“ nicht wirklich motivieren, das Seminar oder was auch immer zu besuchen.

Viel sinnvoller wäre es, potenziellen Interessenten auch Argumente zu liefern, warum es für sie nutzbringend sein könnte, gerade diese Veranstaltung zu besuchen. Denn rund ein Drittel von uns fragt vor allem nach dem „Warum“. Was treibt mich an, etwas zu tun, was motiviert mich?

Wie funktioniert das eigentlich mit der Motivation? Es gibt unzählige Theorien darüber, aber alle laufen darauf hinaus, dass es vor allem zwei Dinge sind, die die Menschen antreiben, etwas zu tun. Entweder wollen sie etwas erreichen, was sie bis jetzt noch nicht geschafft haben oder es geht ihnen darum, einer für sie unangehmen Situation zu entkommen.

Wenn man zum Beispiel Leute fragt, warum sie ihren Job gewechselt haben, dann bekommt man entweder zu hören, dass der alte Job nicht mehr so toll, schlecht bezahlt oder einfach langweilig war. Wir haben also eine Situation, die sich negativ darstellt und dieser will die einzelne Person gerne entkommen. Man kann das als „Weg-von“ Bewegung bezeichnen.

Andere antworten auf diese Frage, dass sie neue Herausforderungen suchen, neue Menschen, neue Aufgaben kennenlernen wollen. Bei ihnen geht es darum, einen positiveren Zustand zu erreichen. Der Job, den sie augenblicklich haben, muss also gar nicht so schlecht sein. In diesem Fall spricht man von der“Hin-zu“ Bewegung.

Wenn ich jetzt als Verfasser des Folders oder der Email nicht weiß, wem ich das Ding in die Hand drücke, dann besteht die Kunst darin, mein Angebot so zu formulieren, dass sich beide angesprochen fühlen. Derjenige, der ein Problem lösen will und derjenige, der ein Ziel erreichen möchte.

Bewerben Sie zum Beispiel ein Kommunikationsseminar, dann werden Sie Probleme ansprechen, die sich durch den Besuch des Seminars lösen lassen. Sie könnten darauf hinweisen, dass das Seminar den Interessenten dabei unterstützt, nicht den Faden bei einem Vortrag zu verlieren. Den „Hin-Zu“-Typen können Sie für eine Teilnahme gewinnen, indem Sie ihm versprechen, dass er es nach dem Besuch des Seminars schafft, seine Kunden noch besser anzusprechen (z.B. mit dem 4-Mat-System).

Die Denk- und Handlungsmuster

Damit habe ich ein erstes und sehr wichtiges Denk- und Handlungsmuster angesprochen. Diese sind ein Teil unserer Wahrnehmungsfilter, die darüber entscheiden, was uns interessiert und wo wir Aufmerksamkeit erlangen. Da unser Bewusstsein nur eine sehr begrenzte Menge an Informationen verarbeiten kann, wird der größte Teil gleich wieder gelöscht.

Über die Denk- und Handlungsmuster bestimmen wir (unbewusst), welche Informationen bis zu unserem Bewusstsein gelangen. So werden die Antworten auf die Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, abhängig von der Situation sehr unterschiedlich ausfallen. In der Regel bevorzugt jeder Mensch eine der beiden Perspektiven.

Denk-und Handlungsmuster bei uns selbst zu erkennen, hilft uns, unsere internen Entscheidungsprozesse besser zu verstehen und das eigene Verhalten vorauszusagen. Die Denk- und Handlungsmuster bei anderen zu erkennen hilft, die Verhaltensweisen und Entscheidungsprozesse anderer Menschen besser zu verstehen und auch vorhersehen zu können.

Womit ich wieder zum Thema zurückkomme. Aus meinen Textvorschlägen für Veranstaltungen, Seminare, etc. werden immer wieder die „Weg-von“-Aspekte herausgestrichen. Das Argument: das klingt schöner, wenn die Negativa nicht im Text vorkommen. Ja, stimmt! Schöner ist es schon. Aber ich verzichte halt auch darauf, einen Teil meiner potenziellen Kunden mit meinen Texten zu erreichen.


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