Gerade habe ich auf vertikult einen Bericht über den Workshop zum Thema “Qualifizierung für ein Arbeiten auf einem europäischen Arbeitsmarkt” gelesen, der Anfang Mai anlässlich der 4. Kulturwirtschaftstagung in Berlin stattfand. Verfasst ist er von Karin Drda-Kühn, der Leiterin des Projekts vertikult (derzeit läuft dort eine Fragebogenaktion, da das Portal einem Relaunch unterzogen werden soll; wer dazu seinen Beitrag leisten möchte, kann das hier tun).
Ihre Zusammenfassung ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Anforderungen im Kulturbereich sehr hoch sind und eher zu- als abnehmen. Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen für die Arbeit in diesem Bereich immer schlechter.
Im Rahmen des Workshops sind einige wichtige Punkte angesprochen worden. Zum Beispiel die Einführung eines Mentoring-Systems, das wahrscheinlich wesentlich mehr bringt als die endlose Aneinanderreihung unbezahlter Praktika.
Oder die Defizite, die der Bereich im Umgang mit dem Schutz geistigen Eigentums aufweist. Und, und, und…
Ich kann eigentlich fast alle Punkte unterschreiben und doch hat mich dieser Bericht etwas ärgerlich gemacht. Warum?
In meinen Augen sind das nicht die wirklichen Probleme, die diese Kluft zwischen sehr hohen Anforderungen und sehr niedriger Bezahlung (inkl. fehlender ausreichender sozialer Absicherung) verursachen. Die wirklichen Probleme liegen woanders. Ich glaube, wir, die wir im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, machen uns von diesem Bereich ein ganz anderes Bild als die vielen Millionen Menschen, die nichts damit zu tun haben und höchstens ab und zu mal in die Oper oder ein Theater gehen. Oder Kunst und Kultur gar nicht mehr konsumieren.
Wir sind der Überzeugung, dass Kunst und Kultur essentiell für unsere Gesellschaft sind. Mag sein, ich glaube das auch. Nur meinen das alle anderen auch? Und von welcher Art von Kunst reden wir? Die Bandbreite ist groß und reicht vom Musikantenstadl bis zur zeitgenössischen Oper. Wo kommunizieren wir unsere Überzeugungen? Meist im Rahmen von Veranstaltungen, wo wir unter uns sind. Nötig wäre es, dorthin zu gehen, wo man anderer Meinung ist. Das ist zwar unter Umständen unangenehm, aber notwendig.
Der oben angesprochene Bericht der Tagung in Berlin und diverse Studien belegen, dass halbwegs vernünftig bezahlte Arbeitsplätze rar sind. Schlechte Bezahlung und fehlende soziale Absicherung dominieren diesen Sektor. Und trotzdem wagen sich jedes Jahr unzählige Menschen in diesen Bereich, indem sie eine Ausbildung beginnen oder sich einen (meist schlecht bezahlten) Job suchen. Auch hier muss ein falsches Bild vorherrschen, denn wenn ich mit EinsteigerInnen rede, dann ist von Dingen die Rede, die es in der Realität nicht gibt. Nur die wenigsten können dort ihre Kreativität frei entfalten, ihren Idealismus ausleben und davon auch leben. Der Rest kämpft mit schlecht bezahlten Aushilfsjobs um das Überleben und lässt sich nicht von der Illusion abbringen, dass irgendwann mal das große Glück winkt.
Nur was ist dieses Glück eigentlich? Auch hier erhält man auf Nachfragen häufig völlig weltfremde Antworten. Solange es so etwas wie das Bürgergeld noch nicht gibt, muss man sich sein Leben nach wie vor selbst verdienen. Und das ist im Kunst- und Kulturbereich gar nicht so einfach. Vor allem, wenn man keine feste Anstellung hat.
Nun ist Idealismus nichts schlechtes und man kann nicht erwarten, dass jede/r, die/der in den Kunst- und Kulturbereich drängt, sich ein realistisches Bild davon machen kann. Aber dann gibt es noch die nicht kleine Zahl an arbeitslosen GeisteswissenschaftlerInnen, die dann von wem auch immer dazu überredet werden, es doch mal mit einer Kulturmanagementausbildung zu versuchen. Diese Mischung aus Kunst/Kultur und Management scheint magische Anziehungskräfte zu besitzen und führt dazu, dass sich noch mehr Menschen in einen Bereich begeben, der einfach nicht über ausreichende (finanzielle) Ressourcen verfügt, um alle erstens zu ernähren und zweitens deren idealistische Träume zu erfüllen.
Bleiben wir bei den Träumen. Es steht uns allen ja frei, Träume zu haben. Ebenso steht es uns frei, diese auch in die Realität umsetzen zu wollen. Wenn ich sie allerdings in die Realität umsetzen möchte, muss ich mir irgendwann einmal Gedanken darüber machen, ob ich diesen Traum nur für mich realisiere oder auch für andere. Mache ich es nur für mich, passt alles. Schwierig wird es nur, wenn ich andere Menschen mit meinem Traum beglücken möchte. Wollen die das überhaupt? Interessiert die das? Solche Fragen sind durchaus erlaubt, vor allem wenn man für die Realisierung seiner Träume öffentliche Gelder bekommen möchte.
Und wer träumt da eigentlich? Sind das KünstlerInnen oder KulturmanagerInnen? Häufig stelle ich Menschen, die zu mir kommen, um sich beraten zu lassen, diese Frage ganz am Anfang. Und es ist erstaunlich, wie oft diese Frage mein Gegenüber aus der Fassung bringt. Dann zeigt sich nämlich, dass sich diese Grenzen auflösen.
Warum lösen sie sich auf? Weil ich als KulturmanagerIn merke, dass in diesem Bereich niemand auf mich gewartet hat und ich dafür sorgen muss, dass man mich nachfragt. Und solange das noch nicht funktioniert, weil es eben seine Zeit braucht, entwickle ich selbst Konzepte und Projekte. Und weil auf der EU-Ebene viel Geld winkt und es gerade angesagt ist, ein EU-Projekt zu realisieren, versucht man halt dort sein Glück. Und weil alle die Förderrichtlinien lesen, wissen auch alle, dass die EU die Verwendung neuer Technologien besonders unterstützt. Und was fällt uns dazu ein? Richtig, eine Plattform, mit der wir irgendjemanden mit irgendwem vernetzen können.
Kurz gesagt, es mangelt an der Qualität, nur sagt uns das keiner und das ist meiner Meinung nach eines der Hauptdilemmata in diesem Bereich. Es existiert kein Qualitätsbegriff, weil Qualität nicht wirklich eingefordert wird. In den Absagebriefen der Förderstellen heißt es ja auch nur meist lapidar: Leider können wir Ihr Projektvorhaben nicht fördern, da wir nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Aber es ist keiner da, der sagt, das Projekt war einfach schlecht.
Und so können wir uns weiter über die ungerechte Welt da draußen aufregen, die uns nicht mag, nicht versteht, und so weiter und so fort. Solange wir das aber nur unter uns machen und im Elfenbeinturm bleiben, werden wir in einer Welt leben, die mit der Welt der anderen nicht viel zu tun hat. Schade eigentlich, denn so sind Änderungen nur schwer möglich, denn wie heißt es so schön: Wenn Du die Welt verändern willst, musst Du Dich verändern.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen