Sollen KünstlerInnen umsonst arbeiten, um Aufmerksamkeit zu bekommen?

In Detlef muellersBlog habe ich einen Beitrag gefunden, der mich etwas nachdenklich stimmt. “Art goes social” ist er überschrieben und erzählt von Joachim Zischke und seinem Spielebrett “Teatro”.

Zischke stellt sein Spielebrett KünstlerInnen kostenlos zur Verfügung, wenn die dieses Brett künstlerisch gestalten und sich danach bereit erklären, es für einen guten Zweck versteigern zu lassen. Als Lohn winkt ihnen, so Mueller, Aufmerksamkeit.

Damit habe ich ein Problem. Warum? Wir wissen, dass die meisten KünstlerInnen nicht von ihrer künstlerischen Tätigkeit leben können. Sie leiden unter prekären Arbeitsbedingungen und fehlender sozialer Absicherung. Und um ein Referenzprojekt vorweisen zu können und es später dann hoffentlich leichter zu haben, arbeiten sie umsonst in Projekten mit. Manche einmal, manche zweimal, andere viele Male. Und das alles in der Hoffnung, dass das nächste Projekt den Durchbruch bringt.

Je größer die Not, desto fester klammert man sich an den nächsten Strohhalm, der einem hingehalten wird. Der Faktor Aufmerksamkeit ist auch so ein Strohhalm.

Ich finde es in Ordnung, Geld für soziale Zwecke zu sammeln. Und ich habe auch kein Problem damit, wenn sich KünstlerInnen an so einem Vorhaben beteiligen. Ganz im Gegenteil. Die KünstlerIn produziert ein Kunstwerk für einen guten Zweck.

Nun kommt aber plötzlich die Aufmerksamkeit ins Spiel und die KünstlerIn arbeitet nicht mehr für einen guten Zweck, sondern um Aufmerksamkeit zu erhalten. Das ist etwas anderes. Denn damit werden KünstlerInnen angelockt, die Aufmerksamkeit nötig haben. Nicht diejenigen, die helfen wollen.

Ich möchte weder die Idee des Projektes kritisieren, noch Joachim Zischke. In seinem Weblog stellt er sein Vorhaben vor und zwar ohne mit der Aufmerksamkeit zu locken.

Nein, mir geht es eher darum, darauf hinzuweisen, wie oft die prekären Bedingungen, unter denen viele KünstlerInnen zu leiden haben, ausgenützt werden, um von ihnen Leistungen einzufordern, die mehr wert sind als etwas “Aufmerksamkeit”.

In diesem Fall ist es nur eine unglückliche Formulierung. Wie oft aber wird wirklich so argumentiert? Dann spenden Bedürftige für Bedürftige. Das ist Zynismus pur.


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Kommentare

4 Antworten zu „Sollen KünstlerInnen umsonst arbeiten, um Aufmerksamkeit zu bekommen?“

  1. Hallo Christian,

    ich finde die Auseinandersetzung mit meinem Projekt sehr gut und sinnvoll. Vielleicht bedarf es noch einiger Anmerkungen, um das Projekt nicht nur aus der Sicht einer kostenlosen Aufmerksamkeit zu bewerten und eine gewisse Balance wieder herzustellen.

    Meine Idee zu diesem Kunstprojekt wurde im Blog des innovativ-in Business Clubs veröffentlicht und war als gemeinsame Inivitiative des Clubs gedacht, um
    – auf den Business Club aufmerksam zu machen
    – den Mitgliedern des Clubs und eventuellen Sponsoren die Präsentation ihres Angebots in einem interessanten Umfeld zu ermöglichen
    – den teilnehmenden Künstlern eine (hoffentlich) wirkungsvolle Plattform zur Kommunikation zu bieten und
    – gemeinsam ob aller geschäftlichen Aspekte auch die sozialen nicht zu vernachlässigen.

    In meinen Veröffentlichungen zu diesem Projekt findet sich auch stets der Satz: Der Reinerlös kommt einer sozialen Einrichtung zugute.. Damit spreche den am Projekt beteiligten Künstlern und Dienstleistern (z.B. Galerie) ausdrücklich eine Vergütung für ihre Aufwendungen zu; in welcher Höhe dies möglich ist, sollte sich aus zu führenden Gesprächen ergeben.

    Als teilnehmende Künstler spreche ich sowohl junge Hunde wie auch alte Hasen an. Damit steht dieses Projekt auch bewusst jungen, unbekannten oder angehenden Künstlern offen, die sich hier einem vom typischen Kunstbetrieb losgelösten Publikum vorstellen möchten. Die Erfahrung zeigt einfach, dass sich aus derartigen Veranstaltungen durchaus äusserst positive Kontakte ergeben können.

    Meine persönliche Einstellung zum ausgenützt werden, um von ihnen Leistungen einzufordern habe ich in meinem Artikel Kreativer Verrat deutlich gemacht. Ich bin kein Unterstützer dieser Nullsummenspiele. Dennoch denke ich, dass mein vorgeschlagenes Kunstprojekt vielen Menschen in vieler Hinsicht Nutzen bringen könnte.

    Beste Grüsse, Joachim Zischke

  2. Danke für die Erläuterungen und vor allem für den Link auf Deinen Artikel “Kreativer Verrat”. Den kannte ich leider nicht, denn sonst hätte ich gleich auf ihn verwiesen, weil er genau in die gleiche Richtung geht.
    Ich denke, wir stehen auf dem gleichen Standpunkt und wie ich in meinem Beitrag schon geschrieben habe, gibt es für mich keinen Grund, Dein Projekt anzuzweifeln bzw. Dir etwas vorzuwerfen.
    Nein, es war der Beitrag auf muellersBlog, der mich dazu veranlasst hat, einen Artikel darüber zu schreiben, wie schnell diejenigen, die ums Überleben kämpfen müssen, ausgenutzt werden. Und Dein Beitrag zeigt ja, wie selbstverständlich das leider schon geworden ist.
    Und wenn der eine nicht mitmacht, dann stehen zehn andere dahinter und reißen sich darum in der (meist vergeblichen) Hoffnung, damit den Sprung zu schaffen.

    PS: Ich habe Deinen Beitrag erst freischalten müssen, da er mehr als zwei Links enthält. Daher hat es etwas gedauert, bis er online war.

  3. Hallo,

    liebe Leute, ich komme erst heute wieder dazu, auf die Reaktion zu meinem Post zu antworten, will das auch gerne hier machen: Meine Formulierung “Aufmerksamkeit erregen” war sicher etwas unglücklich. Bin selbst auch Künstler und die Tatsache, dass ich auch meinen Lebensunterhalt zusätzlich mit anderen Dingen verdienen muß, spricht für sich.

    Dennoch, egal in welchem Alter oder in welchen Lebensumständen sich ein Kunstschaffender befindet, Aufmerksamkeit – also Öffentlichkeit – zu erlangen ist meist immer ein wesentlicher Bestandteil für langfristig erfolgreiche Arbeit. Meine Sachen können noch so toll oder sinnstiftend wertvoll sein, wenns keiner weiß, nutzt es Niemandem.

    Der Weg über klassische Galerieen ist meist ebenso beschwerlich wie für die meisten Kollegen unmöglich. Fast jede andere Gelegenheit ist deshalb oft wünschenswert, wenn der Rahmen ansprechend ist und besonders – wie in diesem Fall auch noch mit einem sozialen Ergebnis versehen.

    Ich hatte mich mit Joachim Zischke nicht abgesprochen, wenn er sogar noch einen Obulus in Aussicht stellt, umso besser.

    In diesem Zusammenhang aber von “ausnutzen” zu sprechen, finde ich überzogen und völlig unangebracht. Künstler sind meist aufgeklärte Menschen, die wohl selbstbestimmt und sehr erwachsen entscheiden können, für wen oder bei was sie mitmachen wollen. Ob ich mich “ausgenutzt” fühle ist demnach immer eine Sache der ganz persönlichen Einschätzung. Da hier die Regeln völlig offen liegen und Herr Zischke in erster Linie einen erhabenen Hintergrund bietet, bleibe ich dabei, die ganze Sache als sehr positiv zu betrachten. Wer sich zu schade dafür ist, der soll es einfach lassen…

    Abgesehen davon, in meinem anderen Beruf als Designer, passieren Dinge, die an Ausnutzung grenzen fast täglich. Eine Ausschreibung, die keinerlei Gewinn und nur “Ehre” bringen soll, gehört hier leider zur Tagesordnung. Und da gibt es nicht mal einen sozialen Aspekt, sondern reine Erpressung und Knechtschaft. Auch wenn ich das völlig ablehne, muß es letztendlich jeder für sich allein entscheiden…

    Froh bin ich aber, dass sich eine Diskussion entwickelt. Das ist immer gut.

    Wünsche eine gute Woche
    Det

  4. Es freut mich, dass wir hier zumindest in Ansätzen eine Diskussion begonnen haben. Daher erst einmal danke für den Beitrag.

    Aufmerksamkeit ist natürlich einer der Erfolgsfaktoren, um als KünstlerIn reüssieren zu können. Das möchte ich auch nicht in Abrede stellen.

    Aber lösen wir uns doch mal von diesem konkreten Projekt und gehen auf eine abstrakte Ebene, weil sonst anscheinend der Eindruck entsteht, ich kritisiere das Projekt.

    Wenn wer ein Projekt startet, das Geld für einen “guten Zweck” sammeln möchte, dann ist das ja durchaus sinnvoll. Und natürlich kann man in diesem Zusammenhang auch KünstlerInnen fragen, ob sie ihre künstlerische Tätigkeit in den Dienst der guten Sache stellen wollen.

    Ich als KünstlerIn werde mir nun überlegen, ob ich mich daran beteilige. Bin ich als KünstlerIn erfolgreich, dann wird es mir nur darum gehen, ob ich das Projekt für unterstützenswert halte oder nicht. Bin ich weniger erfolgreich, werde ich mir überlegen, ob es noch andere Aspekte gibt, die für oder gegen eine Teilnahme an dem Projekt sprechen.

    Aufmerksamkeit ist so ein Kriterium und ich werde mir überlegen, ob das Maß an Aufmerksamkeit, das ich erwarten kann, meinem Aufwand an künstlerischer Tätigkeit entspricht. Ist das der Fall, mache ich mit; ist das nicht der Fall, lasse ich es bleiben.

    Betrachten wir KünstlerInnen als aufgeklärte Menschen, ist der Hinweis auf die zu erlangende Aufmerksamkeit eigentlich überflüssig, oder?

    Und jetzt kommt der Punkt, der mir wichtig ist. Häufig wird dieser Faktor Aufmerksamkeit vorgeschoben, um von jemandem eine kostenlose Leistung zu erhalten. Das gibt es nicht nur im Kunstbereich, sondern auch in anderen Bereichen.

    Für viele Menschen ist Aufmerksamkeit sehr sehr wichtig und sie lassen sich unter Umständen auf solche Vorhaben ein. Nicht, weil sie ein soziales Projekt unterstützen, sondern weil sie sich Aufmerksamkeit erhoffen. Die sie dann vielleicht gar nicht bekommen, weil ihnen wer anders die Show stiehlt.

    Und deshalb ist es mein Anliegen, dass es nicht zu einer Vermischung kommt. Entweder ich möchte helfen, dann tue ich das ohne mir Gedanken um die Aufmerksamkeit zu machen. Oder mir geht es um Aufmerksamkeit, dann spielt die soziale Komponente aber keine Rolle.

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