Jede/r von uns ist Teil verschiedener Netzwerke, gleichgültig ob diese nun off- oder online funktionieren. Da gibt es die Treffen mit den SchulkollegInnen, die man unter Umständen nur alle fünf Jahre mal sieht. Auf der anderen Seite gibt es die Netzwerke, die in den letzten Jahren im Internet entstanden sind. Ich habe vor kurzem in einem Beitrag über Artbreak recht flappsig festgestellt, dass dieses Netzwerk eigentlich überflüssig ist.
So möchte ich das nun nicht einfach stehenlassen, denn die Frage, warum wir uns an Netzwerken beteiligen und in welcher Form wir Teil einer Community werden, hat ja durchaus Konsequenzen für uns und ist in meinen Augen hochinteressant.
Was ist nun eine Community? Wikipedia zufolge handelt es sich dabei um „eine Gruppe von Personen, die gemeinsames Wissen entwickeln, Erfahrungen teilen und dabei eine eigene Identität aufbauen.“ Folgende Merkmale lassen sich bei einer Community finden:
- eine Community ist ein informelles Netzwerk, deren Mitglieder eine gemeinsame Identität aufweisen
- die Mitglieder haben gemeinsame Interessen
- Kommunikation, Kooperation und Erfahrungsaustausch sind verantwortlich für das “Funktionieren” der Community
- unter den Mitgliedern muss die Bereitschaft zum Teilen (von Ressourcen) vorhanden sein.
Mit dem Begriff der Community sind ganz stark soziale Aspekte verbunden. Frank Boos, Alexander Exner und Barbara Heitger bezeichnen Netzwerke daher auch als Auffangnetze (Hier habe ich über ihren Artikel “Soziale Netzwerke sind anders” geschrieben), durch die “der Autonomiebedarf der einzelnen und das Anknüpfungsbedürfnis an andere in eine zeitgemäße Balance (geraten)”. Anders gesagt: Die soziale Zugehörigkeit ist ein Hauptgrund für die Attraktivität von solchen Netzwerken.
Das Konzept der Community of Practice
Jean Lave und Etienne Wenger gehen mit ihrem Community of Practice-Konzept noch einen Schritt weiter. Ihr Ansatz war, Lernprozesse unter einer sozio-kulturellen Perspektive zu betrachten. Dabei ging es ihnen nicht nur um die Frage, wie in solchen Gemeinschaften Wissen und Fähigkeiten weitergegeben werden, sondern auch darum, wie in einer solchen Community soziale Gewohnheiten, Kommunikationsstile und Werte zum Tragen kommen. Drei Elemente konstituieren ihrer Meinung nach die Community of Practice:
- ein gemeinsames Unterfangen
- aufeinanderbezogenes Handeln
- ein Set an Artefakten (Methoden, Verfahrensweisen, Werkzeuge, Geschichten, etc.)
Lave und Wenger zufolge schließen sich die Menschen nun einer Gemeinschaft nicht an, um etwas zu lernen, sondern sie lernen etwas, um als vollwertige Mitglieder an der Gemeinschaft teilhaben zu können. Der Wunsch, Mitglied einer Gemeinschaft zu werden, lässt den einzelnen Menschen seine Wissensdefizite erkennen. Nun gilt es, sich die für die Teilnahme an der Gemeinschaft notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen.
In einem Beitrag über die “Erfolgsbedingungen für virtuelle selbstorganisierte Lerngemeinschaften” schreiben Lotte Krisper-Ullyett, Max Harnoncourt und Paul Meinl (der ganze Beitrag steht hier als PDF zur Verfügung):
“Der Zugang des Einzelnen zu dieser Lerngemeinschaft wird mit dem Konzept der ‘legitimierten peripheren Partizipation’ erklärt, worunter man das schrittweise handelnde Hineinwachsen in die Gemeinschaft versteht. Dies beinhaltet nicht nur die Aneignung von Fachwissen und Know-how, sondern vor allem von Werten und Normen.”
Wir alle sind in einer Vielzahl solcher Communities Mitglied. Abhängig von verschiedenen Faktoren wie z.B. dem Interessensgrad befinden wir uns dann entweder im Zentrum oder in der Peripherie der Community und üben dort eine eher aktive oder passive Rolle aus.
Quelle: Lotte Krisper-Ullyett, Max Harnoncourt, Paul Meinl (factline)
Das heißt, je zentraler unsere Position in einer solchen Community ist, desto mehr werden wir uns dort auch engagieren. Wir müssen aber akzeptieren, dass es immer Personen gibt und geben wird, deren Interesse an der Community nur schwach ausgeprägt ist und die daher nur eine eher passive Rolle einnehmen.
Dabeisein ist alles
Wenn vor allem das “Dabeisein” so wichtig für uns ist, dann üben Netzwerke, bei denen ich mich nicht einfach anmelden kann, natürlich einen gewissen Reiz aus. Mein Ziel wird sein, auch dazuzugehören und je nachdem, wie wichtig mir die Teilnahme ist, werde ich den Grad meiner Aktivitäten erhöhen.
Habe ich es dann aber geschafft, dann wird mein Aktivitätslevel unter Umständen wieder abfallen, denn ich habe mein Ziel eigentlich bereits erreicht. Auf das gesamte Aktivitätsniveau der Community dürfte diese “Einladungspolitik” eigentlich keine Auswirkungen haben. Genau das ist aber das Argument solcher Communities.
Das “Dabeisein wollen” würde dann aber auch erklären, warum es manchen Netzwerken gelingt, hypemäßig eine große Zahl von Mitgliedern zu gewinnen. So war es bei OpenBC (jetzt Xing) und so ist es gerade bei Facebook. Werde ich dort Mitglied, dann erwarte ich mir Tauschmöglichkeiten, die ich bei Bedarf realisieren kann. Boos, Exner und Heitger bezeichnen Netzwerke denn auch folgerichtig als “Beziehungen von (Beziehungs-)Optionen”. Lassen sich die nicht einlösen, dann zieht die Karawane weiter, zum nächsten Netzwerk.
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