Um diese Frage geht es auf unkultur in dem Beitrag “In den Niederungen des Kommerzes“. Ausgangspunkt sind Aussagen der aus München stammenden Geigerin Julia Fischer für einen Artikel von Ursula von Arx mit dem Titel “Die Wundertäterin“.
Darin postuliert Fischer die Trennung von Kunst und Unterhaltung und zwar mit der Begründung, Kunst sei etwas Aktives, Unterhaltung etwas Passives. unkultur bezeichnet das als eine “lächerliche Aussage”, weil ihrer Meinung nach solche Kategorien etwas Künstliches sind.
Stimmt, und sie bringen vor allem nicht viel, wenn sie so verwendet werden. Julia Fischer kann sich so oft sie will als Künstlerin und nicht als Unterhalterin bezeichnen. Was will sie machen, wenn ich mich von ihr nur unterhalten lassen will? Verständlich ist, dass sie diesen Gegensatz hervorhebt, schließlich stellt sie sich damit über die große Zahl an UnterhaltungskünstlerInnen.
Die Frage ist nur, was hat sie davon? Gehe ich in ein Konzert von ihr, weil ich nun weiß, dass all das, was ich davor gesehen und gehört habe, nur Unterhaltung war und nur bei ihr die wahre Kunst zu finden ist?
Tatsache ist, dass zwischen ihren Darbietungen und denen einer Unterhaltungskünstlerin natürlich ein Unterschied besteht. François Colbert spricht in “Unternehmertum und Führung im Marketing von Kunst und Kultur” (erschienen in: Elmar D. Konrad: Unternehmertum und Führungsverhalten im Kulturbereich; übrigens ein sehr empfehlenswertes Buch)
“einem Kontinuum mit ‘Hochkultur’ auf dem einen Ende und sogenannter Populärkultur am anderen Ende”.
Eigentlich kommt er damit Fischers Aussagen sehr nahe. Nur bezeichnet er, anders als Fischer, sowohl die Hochkultur als auch die Populärkultur als eine Form von Unterhaltung. Der Unterschied ist für ihn ein anderer: Während in der Hochkultur der Fokus auf dem Schaffen eines Produktes liegt, orientiert sich die Populärkultur am Markt.
Beispiele für ein produktorientiertes Unternehmen sind für ihn ein Kammermusikensemble, eine Modern Dance Company oder ein Museum für zeitgenössische Kunst. Der marktorientierten Seite ordnet er beispielsweise eine Hollywood-Film-Produktion zu.
Nun anderen ein Etikett umzuhängen und sie als elitär oder kommerziell zu bezeichnen, macht in diesem Zusammenhang, ich sagte es schon, wenig Sinn. Hilfreich ist es aber, nicht die anderen, sondern sich selbst einzuordnen, denn diese Einordnung hat Einfluss auf das Marketingkonzept. Besser gesagt, auf die jeweilige Zielgruppe, wie Colbert schreibt.
Studien aus den USA machen deutlich, dass es vor allem die Gebildeten sind, die sich für die Hochkultur interessieren. In Europa sieht die Sache nicht sehr viel anders aus, wie die EU-Kulturstatistik zeigt, auf die ich vor ein paar Tagen hingewiesen habe. Wenn Sie einen Blick auf die Grafik auf Seite 139 werfen, sehen Sie, dass vor allem Menschen, deren Ausbildung erst nach dem 20. Lebensjahr – und das betrifft hauptsächlich StudentInnen – endet, ins Theater oder die Oper gehen.
Das bedeutet aber, dass ich mich nicht nur einfach nach Lust und Laune der Hoch- oder der Populärkultur zuordnen kann. Täusche ich mich, spreche ich die falsche Zielgruppe an und werde Probleme haben, BesucherInnen anzulocken. Denn eines ist klar: egal, welcher Gruppe ich mich zuordne, Marketing muss ich in jedem Fall betreiben. Und diese Zuordnung ist gar nicht so einfach, denn was ist mit der Vielzahl an KünstlerInnen, die sich nicht eindeutig der einen oder anderen “Extremposition” zuordnen lassen? Welcher Seite war zum Beispiel Pavarotti zuzurechnen? Hier beginnen die Herausforderungen. Sich zu deklarieren ist einfach. Die Frage ist, ob ich beim Publikum auch genauso ankomme? Denn sonst stimmt mein Marketingansatz nicht.
Dass Kunst für sich alleine steht und auf Marketing oder auch PR verzichten kann, wie es in einigen Kommentaren zu unkultur’s Beitrag anklingt, ist für mich der falsche Weg. Und wer glaubt, Julia Fischer sei so ein Beispiel, weil sie sich als puristische Künstlerin darstellt, die auf alles Beiwerk verzichtet, der sollte sich vor Augen halten, dass auch das eine Marketingstrategie sein kann. In ihrem Fall sogar eine sehr geschickte.
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