Am 22.11. war ich auf der KulturKontakt-Veranstaltung “Audience Development und Kulturvermittlung. Neue Publikumsgruppen zwischen Kultur- und Sozialbereich”. Mein Interesse galt vor allem dem Thema Audience Development und hier ganz besonders Klaus Siebenhaar. Siebenhaar ist Professor und Direktor des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Freien Universität Berlin und Gründer des Zentrums für Audience Development (ZAD).
Definitionen von Audience Development
Was versteht man unter Audience Development? Am besten gefällt mir eine Definition, die ich auf der Website des Scottish Arts Council gefunden habe. Dort heißt es:
“We see audience development as a planned and targeted management process which involves programming, education and marketing (underpinned by research and evaluation) working together to deliver an organisation’s overall objectives.”
Und auf der Website des ZAD wird Audience Development beschrieben
“as an umbrella term to encompass all aspects of promotion, publicity, marketing, public relations, communications and educational programs”.
Damit ist auch schon klar, warum Audience Development für uns so ein wichtiges Thema ist. Es geht um “Kulturmarktentwicklung”, wie es auf der Website des ZAD so schön heißt. Oder anders gesagt um die Frage, wie Kunst- und Kultureinrichtungen zu ihrem Publikum kommen.
Siebenhaar war bis letztes Jahr als Leiter Marketing, Development & Services am Jüdischen Museum in Berlin tätig und hielt so keinen trockenen Vortrag, sondern konnte aus der Schule plaudern.
Nicht jeder hat einen ehemaligen amerikanischen Finanzminister als Chef, der finanziell unabhängig ist und das geschickt als Druckmittel gegen alle (politischen) Einmischungsversuche einsetzt. Michael Blumenthal schaffte es auf dieses Weise, getreu seinem Leitmotiv “why not?” Dinge durchzusetzen, die in anderen Kunst- und Kultureinrichtungen in der Regel nicht möglich sind.
Ein Beispiel: Im Jüdischen Museum arbeiten keine Wärter, sondern “Hosts”, also Gastgeber. Das heißt, im Jüdischen Museum bekomme ich als Besucher auch ein Taxi bestellt.
Das Haus aus der Sicht des Publikums denken
Siebenhaar sieht im Jüdischen Museum die Philosophie von Audience Development perfekt umgesetzt, das ganze Haus sei, so Siebenhaar, aus der Sicht des Publikums gedacht. “Das ganze Haus” heißt, dass Audience Development kein Abteilungs-, sondern ein Querschnittthema ist. Und Audience Development kostet Geld, das heißt, die Konzeption und Umsetzung bedarf, abhängig von der Größe des Hauses, nicht unerheblicher Investitionen.
Audience Development kommt, das ist keine Überraschung, aus Amerika. Die amerikanischen Einrichtungen müssen, so Siebenhaar, besucherorientiert arbeiten, die Einstellung leeres Theater ist gleich gutes Theater sei dort unmöglich. Dieser sehr “marktorientierte” Ansatz unterscheidet sich von dem in Großbritannien.
Dort, berichtete Siebenhaar, sind die Subventionszusagen an Audience Development-Programme gekoppelt. Das heißt, die Programme sind Pflicht und müssen dokumentiert und auch evaluiert werden. Inhaltlich lautet die Vorgabe, einen gesellschaftlichen Mehrwert (public value) zu schaffen. Die Kriterien werden vom British Council Arts vorgegeben und ohne deren Einhaltung gibt es kein Geld.
Wer Audience Development in Deutschland einführen will, hat, so Siebenhaar, vor allem mit einem Problem zu kämpfen:
“Niemand macht Zuschauerforschung.”
Das heißt, die deutschen Kunst- und Kultureinrichtungen haben keinerlei Informationen über ihre BesucherInnen, z.B. über den Migrationshintergrund. Von 70 Einrichtungen, schilderte er, konnten nur “zweieinhalb” Auskunft geben. Man fange also bei Null an, so Siebenhaar weiter.
Seinem spannenden Bericht mit vielen praktischen Beispielen folgte noch eine lebhafte Diskussion. Die zwei sich anschließenden Diskussionsrunden drehten sich dann um das Thema Kulturvermittlung und hier speziell um “neue Publikumsgruppen zwischen Kultur- und Sozialbereich”.
Zu wenig Zeit für zu viele Themen
Warum man die beiden (großen) Themenblöcke in eine zweistündige Veranstaltung zwängte, bleibt wohl das Geheimnis der VeranstalterInnen. Schade ist auch, dass mit Susanna Pettersson eine Expertin in Sachen Audience Development eingeladen war, die zu diesem Thema nicht zu Wort kam. Als Leiterin der Abteilung Art Museum Development an der finnischen Nationalgalerie hätte sie eine andere Einstiegsfrage verdient gehabt als die, ob in Finnland der Eintritt in die Museen gratis sei. Nichts gegen die anschließende Präsentation lokaler Wiener Projekte, aber das wäre halt ein anderes Thema gewesen.
Nachvollziehbar ist natürlich, dass der Zugang zum Thema Audience Development bei Klaus Siebenhaar anders aussieht als bei einer Einrichtung wie KulturKontakt. Nachdem aber hier keine Diskussion vorgesehen war, blieb für mich eher der Eindruck, dass hier einiges an Themen verschenkt worden ist. Vielleicht hätte man einfach zwei Veranstaltungen machen sollen, eine zum Thema Audience Development und eine zweite zum Thema Kulturvermittlung.
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