Wie Jugendliche das Social Web nutzen

PEW/Internet hat Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren befragt, ob und in welcher Art und Weise sie die Social Media-Angebote, also beispielsweise Foto- und Videoplattformen nutzen. Die Ergebnisse lassen sich im kurz vor den Weihnachtsfeiertagen veröffentlichten Report “Teens and Social Media” nachlesen.

Zwar wurden hier nur Jugendliche aus den USA befragt, aber tendenziell kann man Europa eine ähnliche Entwicklung prophezeien. Für mich sind die Ergebnisse deshalb sehr aufschlussreich, zeigen sie doch, wie eine für den Kunst- und Kulturbereich relevante Zielgruppe das Internet als Medium benutzt. Möchte ich sie früher oder später auf meine Kulturangebote aufmerksam machen, habe ich vereinfacht gesagt, zwei Möglichkeiten. Ich kann darauf warten, dass sie den Weg zu mir, zu meinen Angeboten finden. Oder ich gehe dahin, wo sie bereits sind und versuche, mit ihnen in Kontakt zu treten. Für welchen der beiden Wege man sich entscheidet, liegt im Ermessensspielraum einer jeden Kunst- und Kultureinrichtung bzw. der für die Kommunikation und das Marketing verantwortlichen Personen. Ich tendiere ganz klar zum zweiten Weg und habe daher diesen Report mit großem Interesse gelesen. Die wichtigsten Ergebnisse in aller Kürze:

Die Zahl derer, die das Internet (noch) nicht nutzen, nimmt weiter ab. Gerade sieben Prozent sind es. Der große Rest nutzt es vor allem, um mit anderen kommunizieren bzw. interagieren zu können. Fast zwei Drittel von ihnen haben bereits eigenen Inhalte ins Netz gestellt, sieben Prozent mehr als 2004:

  • “39% of online teens share their own artistic creations online, such as artwork, photos, stories, or videos, up from 33% in 2004.
  • 33% create or work on webpages or blogs for others, including those for groups they belong to, friends, or school assignments, basically unchanged from 2004 (32%).
  • 28% have created their own online journal or blog, up from 19% in 2004.
  • 27% maintain their own personal webpage, up from 22% in 2004.
  • 26% remix content they find online into their own creations, up from 19% in 2004.”

Spannend ist in meinen Augen die immer aktivere Rolle, die die jugendlichen UserInnen einnehmen. Die Palette der Anwendungen, die für Austausch und Kommunikation verwendet werden, wird immer breiter. Ross Dawson, der das Blog Trends in the Living Networks betreibt und dem ich die Entdeckung dieses Reports zu verdanken habe, meint angesichts der Ergebnisse:

Email is for old people – that’s become clear by now. In organizations as well as in social life, we are seeking how we will move beyond email.

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen verfügt über ein Profil in den social networks wie Facebook oder MySpace. Und noch etwas ist interessant. Jungen und Mädchen nutzen das Internet recht unterschiedlich. Während 35 Prozent der Mädchen ein Weblog betreiben, sind es bei den Jungen nur 20 Prozent. Dafür ist es beim Upload von Videos genau umgekehrt. 19 Prozent der Jungen stehen hier nur 10 Prozent der Mädchen gegenüber.

Die Kommunikation beginnt sehr häufig über das Heraufladen von Bildern. Im Report heißt es dazu:

“Nearly nine in ten teens who post photos online (89%) say that people comment at least sometimes on the photos they post. Breaking it down, about half (52%) of teens who post photos online say that people comment or respond to their photos ‘sometimes’. Another third of those who post photos (37%) say that their audience comments on their posted photos ‘most of the time’. Only 10% of teens who post photos online say that people ‘never’ comment on what they have posted.”

Dieses Ergebnis hat mich ziemlich erstaunt und ich muss gestehen, ich habe die kommunikative Wirkung von Fotos gewaltig unterschätzt. Der Report zeigt aber, dass auch in anderen Bereichen, zum Beispiel Blogs, fleißig kommentiert wird:

“…three-quarters (76%) of teens who use social networks say they comment on blog posts written by others.”

Und noch ein anderes Ergebnis fand ich sehr bemerkenswert: Jugendliche sind wesentlich restriktiver als Erwachsene, wenn es darum geht, den Zugang zu den eigenen Fotos zu regeln. Hier scheint also eine (Internet)-Generation heranzuwachsen, die über ein sehr viel besseres Sensorium im Umgang ihrer privater Daten verfügt als wir das tun.

Mein Fazit: Wer Menschen über das Internet ansprechen will, der wird sich darauf einstellen müssen, dass sich diese Trends fortsetzen bzw. verstärken werden. Kunst- und Kultureinrichtungen werden verstärkt in Netzwerken wie Facebook oder MySpace präsent sein oder ihre eigenen Communities aufbauen. Dort finden Kommunikation und Austausch statt, der Email-Newsletter wird in nicht allzu ferner Zeit ausgedient haben.

Manche werden mir nun entgegenhalten, dass diese Zahlen aus den USA stammen und wir hier noch lange nicht soweit sind. Es stimmt, dass diese Zahlen aus Amerika kommen, aber ich glaube nicht, dass wir hier in Europa zeitlich gesehen so weit zurück liegen. Wer sich jetzt darüber Gedanken macht, wird, so denke ich, in der Lage sein, nicht nur auf die Veränderungen zu reagieren, sondern er hat darüber hinaus die Möglichkeit, sie aktiv mitzugestalten. Aber vielleicht bin ich ja auch zu optimistisch?


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4 Antworten zu „Wie Jugendliche das Social Web nutzen“

  1. Danke für die Zusammenfassung und die Gedanken dazu. Ich hatte mir den Report zwar markiert, aber noch nicht gelesen.

    Was für mich schon länger klar ist – und ich dafür immer wieder belächelt werde -, dass E-Mail sich auf den ursprünglichen Sinn der persönlichen Botschaft wieder reduziert. Alles andere findet woanders statt. E-Mail ist “für alte Leute”; E-Mail-Newsletter anzubieten ist schon fast unseriös, werden nur mehr von halbseidenen Marketendern
    zwecks Adressenhandel gepusht (die ihre Felle davonschwimmen sehen) und von Ahnungslosen angeboten und abonniert.

    Was für mich auch immer deutlicher wird: Durch die vielen, leicht zugänglichen, Optionen der digitalen Kommunikation, wird sich diese ganz junge Generation nicht mehr so leicht mit Einwegkommunikation und substanzlosen Pamphleten zufrieden geben. Und das hat zukünftig doch beträchtliche gesellschaftspolitische Auswirkungen.

    Und wenn ich das jetzt von der pessimistischen Seite sehe (und es nicht hoffe):
    Die ganz junge Generation wird letztendlich einen schweren politischen Kampf gegen die Überwachungsgesellschaften führen müssen, dessen Grundlagen heute und in den nächsten Jahren gelegt werden und von “alten” Leuten beschlossen wurden, die die digitalen Veränderungen nicht verstehen und nur auf die Gefahren reagiert haben.

    Zu deinem Artikel passt übrigens auch die kurze Weihnachtsgeschichte von einem bekannten Webdesigner (Andy Rutledge), dessen zehnjähriger Sohn ein Blog haben wollte, in dem er über seine Bücher schreiben will. Das ist die neue Generation.

    Der 10jährige Evan hat übrigens sein Blog bekommen:
    Hier die nacherzählte Geschichte in Deutsch, aus meinem Blog:
    http://hyperkontext.at/weblog/artikel/es_gibt_viele_kinder_die_wissen_wollen_welche_guten_buecher_es_gibt/

    Und hier die Originalgeschichte von Andy:
    Tough Client: My Son
    http://www.andyrutledge.com/tough-client-my-son.php

  2. Gerald, danke für Deine Geschichte. Sie ist in der Tat ein sehr schönes Beispiel für das Zahlenmaterial in der Studie.

    Du hast Recht, wenn man das Ende der Email prophezeit, wird man sehr häufig belächelt. Ich denke, derzeit macht z.B. der Einsatz von Newslettern durchaus noch Sinn, solange ich damit meine Zielgruppe erreiche. Technologisch sind wir zwar schon ein ganzes Stück weiter (z.B. RSS), aber seien wir ehrlich: wir stehen erst am Anfang einer neuen Entwicklung. Insofern fährt wahrscheinlich der am besten, der beides einsetzt.

    Das Thema Überwachung sehe ich in einem größeren Zusammenhang. Abschottung und Überwachung sind für mich typische Anzeichen einer hochentwickelten Gesellschaft, die ihren Höhepunkt überschritten hat. Innovation braucht andere Rahmenbedingungen und so diese nicht gegeben sind, wird Europa im globalen Kontext gewaltig an Bedeutung verlieren. Die Frage, ob das ein Nachteil ist, hängt dann wieder vom Standpunkt ab, den man einnimmt.

    Aber es stimmt leider, was Du schreibst: die Gesetze werden von Leuten beschlossen, die nur die Gefahren und nicht die Potenziale sehen.

  3. […] Den Jugendlichen bleibt es damit weiterhin selbst überlassen, das Web kennen zu lernen und Medienkompetenz zu erwerben. Ob sich an den Hochschulen auf breiter Front herumsprechen wird, dass Social Software […]

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