In der Online-Ausgabe der deutschen Wirtschaftswoche ist gestern ein sehr lesenswerter Artikel zum Fundraising erschienen. In ihm stellen die beiden Autoren Harald Schuhmacher und Jürgern Salz fest: “Spenden eintreiben ist längst ein Geschäft für Profis.”
Anlassfall ist die UNICEF-Affäre in Deutschland, die ich hier aber gar nicht bewerten möchte. Mir geht es um etwas anderes. Es gibt Branchen oder Bereiche, die stark werteorientiert funktionieren. Wer in einem solchen Bereich arbeitet, zum Beispiel im Bereich Armutsbekämpfung, Gesundheit, aber auch Bildung oder Kunst und Kultur, dem werden häufig idealistische Motive unterstellt, die ihn dazu gebracht haben, in diesem Bereich zu arbeiten.
Schaut man sich diese Beispiele an, dann sind das Bereiche, in denen sich der Staat früher sehr stark engagiert und angesichts leerer Kassen im Laufe der Jahre zurückgezogen hat. Eingenommen werden diese Plätze von privaten Organisationen, die natürlich auch Geld für ihre Aktivitäten brauchen. Damit die Summen nicht zu hoch werden, wird nun verlangt, dass sie professionell zu agieren haben.
Aber: Professionalität kostet Geld! Beide Begriffe passen leider so gar nicht in das Bild, das wir von Organisationen aus den oben beispielhaft angeführten Bereichen haben. Die Autoren des Beitrags in der WirtschaftsWoche sprechen von “romantischen Illusionen” und zitieren den SOS-Kinderdörfer-Geschäftsführer Wilfried Vyslozil, der die gemeinnützigen Institutionen auffordert, Konsequenzen zu ziehen:
“Zum einen, indem sie der Branche allgemeinverbindliche Regeln auferlegen, etwa beim Umgang mit Spenden und beim Controlling durch unabhängige Instanzen. Zum anderen, indem sie Legenden ad acta legen und ihre Arbeit beschreiben, wie sie oft schon ist: professionell und an ökonomischer Effizienz orientiert.”
Fundraising ist keine “Almosenwirtschaft”, wie es weiter unten in dem Artikel heißt und wer hier Professionalisierung fordert, muss auch akzeptieren, dass diese ohne ExpertInnen nicht zu leisten ist und Geld kostet. Natürlich kann man Regeln aufstellen, wieviel Geld Professionalität kosten darf, aber von dem Irrglauben, dass es Qualität zum Nulltarif gibt, sollten wir uns möglichst schnell verabschieden.
“Wirtschaftliches Fundraising heißt nicht Geld zu sparen, sondern Investitionen so zu planen, dass sie sich vielfach auszahlen.”
Dieses Zitat von J.C. Levinson trifft es ganz gut. Fundraising ist ein Geschäft geworden. Das mag für manche zwar hart klingen, aber so schaut die Realität aus und daher ist Vyslozil Recht zu geben, wenn er von den Organisationen fordert, dass diese ihre Arbeit auch so beschreiben.
Ein Problem ist es aber, dass das, was Levinson über das Fundraising sagt, in vielen Organisationen selbst noch gar nicht angekommen ist. Warum um alles in der Welt gibt es plötzlich Fundraising-Seminare für LehrerInnen? Doch nicht, weil das lauter ExpertInnen sind, sondern eher, weil sie nichts kosten, oder?
Im Kunst- und Kulturbereich ist die Situation eine ähnliche. Allerdings taucht hier noch ein zusätzliches Problem auf. Selbst wenn ich als Kulturbetrieb Fundraisingstrukturen aufbauen möchte, gelingt mir das mangels Geld in der Regel nicht. Die öffentliche Hand finanziert nämlich viel lieber Projekte mit einem Ablaufdatum als Infrastruktur.
Von Ausnahmen abgesehen können sich die meisten daher weder externe noch interne FundraiserInnen leisten. Das Resultat? Man schickt in Zeiten höchster finanzieller Not irgend jemanden los, der auf Provisionsbasis Geld ranschaffen soll. Und das bitte möglichst schnell! Ist nach 3 Monaten noch kein Geld reingekommen, dann ist die FundraiserIn unfähig.
Was ist zu tun? Es gilt, aufzuklären, was Fundraising ist, wie es funktioniert und was es kostet. Diese Aufklärung ist, abhängig von den Bereichen, zu leisten auf der Ebene der Politik, der Interessensverbände und der “betroffenen” Organiationen selbst. Vor allem aber gilt es, in der Öffentlichkeit ein realistisches Bild zu zeichnen, wie Fundraising funktioniert.
Dann ist es wahrscheinlich auch möglich, darüber zu diskutieren, ob der Vermittler einer 500.000 Euro Spende eine Provision von 30.000 Euro erhalten darf oder nicht. So verwerflich ist das für mich generell nämlich gar nicht.
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