Martin Oetting beschwert sich in einem offenen Brief darüber, dass manche Werbekreative in Deutschland von Bloggern als “Army of Davids” sprechen und deren Output abschätzig als “Loser Generated Content” bezeichnen.
Ich finde es gut, dass sich jemand gegen solch abfällige Bemerkungen wehrt und das in Form eines Blogposts zu tun, hat noch zusätzlichen Charme. Ein Verständnisproblem habe ich mit der “Army of Davids”, denn mein erster Gedanke, was das denn bedeuten könnte, führte mich zur Geschichte von David und Goliath. Wenn ich da richtig assoziiert habe, dann ist das aber eigentlich eher ein Lob und keine Herabwürdigung. Aber vielleicht liege ich damit völlig falsch, dann wäre es nett, wenn mich jemand aufklärt, was damit wirklich gemeint ist.
Zurück zum offenen Brief: Oetting wirft all denen, die sich so abschätzig gegenüber den BloggerInnen äußern, Respektlosigkeit vor:
“Wenn Sie meinen, dass all diese Menschen und all die anderen, die das Web für sich und ihre ganz eigenen Ideen und Projekt entdeckt haben (dazu deren Freunde, Familien, Bekannten), nichts als Loser sind, dann bedeutet das letztlich, dass Sie Ihre Kunden für Loser halten.”
Seine Frage, wie man für Menschen arbeiten könne, die man nicht respektiert, ist berechtigt. Negative Konsequenzen dieser Respektlosigkeit kann Oetting bereits erkennen, denn
“die Menschen interessieren sich immer weniger für das, was da als kreative Glanzleistung im kleinen Kreis gefeiert, im großen aber ignoriert wird.”
Wenn diese Arroganz berechtigt ist und die Kreativen wirklich so viel besser als die “Loser” sind, dann gilt es Oetting zufolge zwei Aufgaben zu lösen:
- “Geschichten, Ideen, Konzepte erfinden, die die Massen oder auch die Nischen elektrisieren. (…)
- Bei all dem müssen sie jedoch sicherstellen, dass diejenigen, die begeistert sind, später auch kaufen.”
Direkt anschließend findet sich ein Satz, der mich im ersten Moment verärgert hat:
“Denn wer für Passion und Begeisterung sorgt, aber keine Marktanteile bringt, der soll Künstler werden, nicht jedoch im Marketing arbeiten.”
Ging es nicht gerade darum, anderen gegenüber Respekt zu zeigen? Um noch einmal Punkt 1 in Erinnerung zu rufen. Es geht um Geschichten, Ideen und Konzepte, die andere elektrisieren sollen. Was elektrisiert da mehr? Musik von Mozart oder irgendein dämlicher Jingle? Ein spannender Roman oder der x-te Flyer? Noch mehr Beispiele gefällig?
Und wie ist das mit dem Verkaufen? Muss die Kunst nicht, kann sie auch gar nicht, schon klar. ;-) Und was ist mit Anna Netrebko, Madonna oder zeitgenössischen KünstlerInnen, deren Werke für mehr als 50 Mio. Dollar die Besitzer wechseln? Gut, die werden wahrscheinlich nicht gemeint sein, womit wir dann wieder beim Klischee vom armen Künstler, dem unerkannten Genie gelandet wären.
Klar gibt es die, dem Kunst- und Kulturbereich geht es auch nicht wirklich berauschend, aber mal ehrlich: wieviele Werbe-, Marketing- und ich weiß nicht was-Agenturen kämpfen ebenfalls ums Überleben? Außerdem behaupte ich, dass es in der nächsten Zeit eher mehr als weniger werden.
Das heißt, diese Bemerkung ist nicht nur respektlos, sondern sie ist auch inhaltlich nicht haltbar. Aber gut…
Wenn man sich den Brief von Martin Oetting durchliest, dann wird man feststellen, dass er – abgesehen von diesem Fauxpas – ja recht hat mit seiner Kritik und seinen Ratschlägen. Was die Ratschläge angeht: vielleicht sollte sich die Werbebranche den Kunst- und Kulturbereich genau anschauen und von ihm lernen, denn wie gesagt: wenn es darum geht, Menschen zu begeistern, zu elektrisieren, dann ist die Kunst unschlagbar. Niemand kann besser Geschichten erzählen.
Außerdem: KünstlerInnen zeichnen sich durch “Passion und Begeisterung” aus und sie tun genau das, was Martin Oetting der Werbebranche rät, allerdings schon seit längerer Zeit:
- Kämpfen Sie um Geld zum Experimentieren (…)
- Kämpfen Sie mit sich selbst um Respekt vor den Kunden Ihrer Produkte. (…)
- Und kämpfen Sie drittens mit der gesamten Branche um mehr Neugier und Interesse an den Menschen.”
Vielleicht dämmert es dann, dass im Kunst- und Kulturbereich nicht nur ein paar arme mittellose Idealisten Leinwände bepinseln, Musik komponieren oder Bücher schreiben, sondern über Fähigkeiten verfügen, die wir alle ziemlich dringend brauchen. Das Überleben von Finanzkrisen lassen wir in diesem Fall mal weg, denn da verfügen viele KünstlerInnen auch über das entsprechende Expertenwissen.
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