Kunst und Kultur im „trisektoralen Koordinatensystem von Staat, Markt und Gesellschaft“

Am 54. Kulturpolitisches Kolloquium „Kultur in Deutschland“, das vom 20. bis 22. Februar 2009 stattfand, hat Norbert Sievers eine ganz interessante Rede gehalten, auf die  der Newsletter der Kulturpolitischen Gesellschaft aufmerksam macht und die freundlicherweise online verfügbar ist.

Darin fordert Sievers die Kulturpolitik dazu auf,

„ihre wohl meinenden Legitimationsformeln zu überprüfen und sich um mehr Klarheit in der Argumentation und ihren Zielen zu bemühen“.

Die Erschütterungen, denen unser jetziges Wirtschafts- und Finanzsystem ausgesetzt ist, werden sich auch auf den Kunst- und Kulturbereich auswirken und dazu führen, dass die öffentliche Finanzierung dieses Bereichs zumindest hinterfragt werden wird.

Auf den Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ aufbauend, beschäftigt sich Sievers mit dem Verhältnis von Staat, Markt und Gesellschaft. Die in dem Bericht aufgestellte Forderung, dass dieses Verhältnis neu justiert werden müsse, ist für Sievers nicht wirklich neu, wie er im Rückblick auf die letzten Jahrzehnte zeigt.

Interessant ist in meinen Augen seine Kritik an dem im Bericht vorherrschenden Kunstverständnis. Kunst, so zitiert er den Bericht, entstehe in der Gesellschaft und nicht im Atelier. Mit anderen Worten, so Sievers weiter,

„ein Bild, das in einem Atelier entstanden ist, ist an sich nichts wert. Einen Wert bekommt es erst, wenn es in der gesellschaftlich-ökonomischen Wertschöpfungskette reüssieren kann“.

Wenn die Kulturpolitik nur noch ökonomische Kriterien gelten lässt, bedeutet das für Sievers:

„Kunst hat nur dann einen Wert, wenn sie einen wirtschaftlichen Wert hat.“

Das erinnert mich an die Workshops für die Kreativwirtschaft, über die ich gestern berichtet habe. Dort wurde ein Gegensatzpaar unternehmerisches und künstlerisches Handeln konstruiert, was dazu führt, dass KünstlerInnen so quasi vom Besuch der Workshops ausgeschlossen sind.

Ich denke, wir stehen vor der großen Herausforderung, Kunst und Kultur in diesem Koordinatensystem von Staat, Markt und Gesellschaft neu zu verorten. Ob dabei der Markt im Mittelpunkt der Überlegungen stehen sollte, muss angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation zumindest diskutiert werden.


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Kommentare

11 Antworten zu „Kunst und Kultur im „trisektoralen Koordinatensystem von Staat, Markt und Gesellschaft““

  1. Da muss ich ganz stark widersprechen.

    Dass die Politik auf eine (Teil-)Refinanzierung einiger weniger Elitäreinrichtungen besteht, ist eine Sache. Dass die Kunst nicht von Geld gesteuert werden kann eine Andere. Ansonsten wäre alles IKEA ;)

    1. Norbert, hilf mir mal bitte weiter. Ich sitze gerade auf der Leitung und versteh Dich nicht. :-)

      1. Die Finanzierung ist nur ein Teilaspekt. Ich verstehe nicht, warum gerade so darauf rumgeritten wird.

        Die Idee, dass Kunst eine Einnahmequelle werden kann, ist ein Paradoxon. Ein Spagat zwischen Verkaufen und Verwirklichen. Kunst hat auch übergreifende Aufgaben. Und wenn jemand das verneint, dann ist er auch dafür Denkmäler abzureisen.

        Natürlich kann man Alles dem (Monetären-)Erfolg unterordnen, dann ist Luigi Collani ein toller Künstler. Ist er auch, aber nicht jeder muss so werden.

        Wir wollen (re-)finanzierte Kunst aber keine/eine abendländische Kultur?!

        Die Diskussion nimmt für mich skurrile Züge an. Die Fragen: „Wollen wir Kultur?, Wollen wir Künstler?, Wollen wir eine Gesellschaft?“, mutiert zu:

        „Wann erreicht die Anschubfinanzierung den Break-Evan-Point?“ im kreativen Bereich.

  2. Danke, Norbert, das sehe ich ähnlich. Aber wem widersprichst Du jetzt? Das ist mir noch nicht ganz klar.

  3. Ganz einfach Dir: „Ich denke, wir stehen vor der großen Herausforderung, Kunst und Kultur in diesem Koordinatensystem von Staat, Markt und Gesellschaft neu zu verorten.“

    Das denke ich nicht. Kunst und Kultur müssen sich nicht positionieren. Sie sind einfach da.

    Einige Künstler/Kunsteinrichtungen müssen sich positionieren. Dafür sind Menschen wie Du da.

  4. Danke, Norbert, dass Du so geduldig warst. War mein Fehler… :-(

    Zum Thema: aber was machst Du, wenn das alles niemanden mehr interessiert? Nur „Hallo, ich bin da“ sagen, hilft da nicht unbedingt weiter.

    Und ganz ehrlich: so ein klein wenig gesellschaftliche Relevanz wär doch eine feine Sache, oder?

  5. Das ist Deine Qualität und ich werde Dich immer kritisch betrechten, weil Du kannst das ab. :)

  6. Bettina

    Lieber Norbert,

    ich wiederhole: “ Kunst ist einfach da“ und darf ich fragen von was Du lebst?

    Lieber Christian,

    ich mach mir richtig Sorgen, schläfst Du nicht mehr? Die newsletter, werden seit den letzten Tagen mitten in der Nacht von Dir verschickt!

    1. @bettina

      Van Gogh und Mozart sind auch arm gestorben ;)

      Den Aspekt der Vermarktung sehe ich einfach völlig getrennt. Im übrigen finanziere ich meine Fotografie durch einen Verwaltungsjob und bin da keine Ausnahme. Kenne viele, die als Hausmeister, Bedienung, usw. sich eine Basis schaffen. Sie setzen sich dadurch nicht dem Druck sich anpassen zu müssen.

      P.S. Du meinst der Christian hat schon mal geschlafen? ;)

  7. @Norbert: Du kannst den Aspekt der Vermarktung natürlich getrennt sehen, nur ist es halt ein Faktum, dass z.B. in Österreich die Mehrzahl der KünstlerInnen unter der Armutsgrenze lebt. In Deutschland kenne ich keine aktuellen Zahlen, vermute aber, dass es dort nicht anders ist.

    Jetzt kann man, wenn man das will, seine künstlerische Tätigkeit durch andere Jobs „subventionieren“. Warum das irgendwelche schlecht bezahlten Jobs sein müssen, erschließt sich mir aber nicht so ganz. Aber das habe ich an anderer Stelle schon mal thematisiert.

    Insofern gebe ich Bettina Recht. Ob Du den künstlerischen Schaffensprozess und die Vermarktung trennst oder nicht. Ein Thema ist und bleibt es allemal, denn Du musst ja von etwas leben. Da ist die Frage von Bettina berechtigt.

    @Bettina: ich finde es nett, wie Du das formuliert hast, danke. :-) Aber keine Sorge, ich schlafe noch und das recht gut. Der Newsletter wird um 3 Uhr in der Früh verschickt und wenn ich mich nicht täusche, war das schon immer so. Ich muss dafür aber nicht aufstehen, sondern lass das Feedburner für mich machen. Ich muss „nur“ die Beiträge schreiben…

    1. Bettina

      Lieber Christian,
      in Deutschland ist es ungefähr gleich wie in Österreich. Immer mehr Künstler rutschen in Hartz IV, falls sie nicht Freischaffende sind. Die Tendenz ist dieselbe wie in der Wirtschaft. Immer weniger Personal( Künstler), die für immer weniger Geld immer mehr leisten müssen, besonders beliebt Schulabgänger. Wir sind mitten in einem Strudel und das Ziel muss sein, einen Weg aus demselben zu finden.Denn die Zahl der Ausgegrenzten wird immer größer.
      Lieber Norbert, viele Künstler bekommen gar nicht mehr die Chance nebenher zu arbeiten, da auch andere Jobs nicht mehr auf der Straße liegen.

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