Diskurse im Kunst- und Kulturbereich? Nicht mehr nötig…

Es steht in den Wolken
© Gerd Altmann; Pixelio

Derzeit ist Twitter angesagt und das auch im Kunst- und Kulturbereich. Fast jeden Tag entdecke ich Kunst- und Kultureinrichtungen, die zu twittern beginnen. Wie das konkret aussieht? Es werden Kurzmeldungen verschickt und das meist in Form von Ankündigungen. Heute Abend gibt es das Stück xy zu sehen, morgen Abend findet eine Diskussion statt und so weiter und so fort.

Ich finde es gut, wenn Kulturbetriebe das Web2.0 entdecken und zu experimentieren beginnen. Aber mir fällt auf, dass dort kein Dialog stattfindet, keine Gespräche. Ich habe mir gestern mal die Mühe gemacht und mir zehn Kultureinrichtungen herausgesucht, die in den letzten vier Wochen zu twittern begonnen haben. Wo sind sie noch im Social Web zu finden? Um es kurz zu machen: besonders erfolgreich war ich nicht. Ein paar Facebook-Seiten, zwei Flickr-Accounts und ein YouTube-Profil, das ist es schon.

Weblogs? Fehlanzeige. Während Kultureinrichtungen, die sich vor rund zwei Jahren ins Social Web „gewagt“ haben, in der Regel mit einem Weblog begonnen haben, ist das heute anders. Von den zehn twitternden Kulturbetrieben hat derzeit keiner ein Weblog bzw. ich habe es nicht finden können(was dann auf’s Gleiche herauskommt). Weblogs sind für mich immer noch sowas wie die Königsklasse des Web2.0. Sie sind es unter anderem deshalb, weil man hier nicht schnell mal ein paar Ankündigungen rausschickt, sondern weil es darum geht, mit den LeserInnen ins Gespräch zu kommen. Weil ich was zu sagen haben muss. Habe ich nichts zu sagen oder gibt es nichts zu sagen, dann macht auch ein Weblog wenig Sinn. Aber: auch alle anderen Tools machen dann wenig Sinn, denn ob Twitter, Facebook oder Weblog: es geht um Kommunikation, um den Dialog und um den Austausch von Informationen und Meinungen.

Gerade dieser Austausch wäre wichtig, findet er doch in den klassischen Medien nicht mehr statt. Wenn wir uns die Entwicklung der Printmedien anschauen, dann muss uns klar sein, dass Kunst und Kultur dort immer weniger Platz haben werden. Das Geschäftsmodell der Verlage funktioniert nicht mehr, Einsparungen sind die Folge und man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich z.B. kulturpolitische Themen immer  seltener auf den gedruckten Seiten einer Zeitung finden lassen werden.

Wenn aber niemand über Kunst und Kultur, und über all die Themen rundherum etwas zu sagen hat, dann wird dieser Bereich nach und nach immer weiter aus dem Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit rücken. Und wir müssen uns nicht wundern, wenn dann auch die Besucherzahlen rückläufig sind. Von Großevents mal abgesehen.

Ich sehe es daher mit einem lachenden Auge, wenn Kultureinrichtungen twittern. Aber ich fürchte, dass die Beschränkung auf in diesem Fall 140 Zeichen eher Ausdruck von Sprachlosigkeit ist. Genau das Gegenteil wäre nötig und daher wünsche ich mir viele Gespräche. Innerhalb von Kunst und Kultur, aber natürlich auch darüber hinaus. Nur, sollen die wirklich nur auf Twitter stattfinden?


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9 Antworten zu „Diskurse im Kunst- und Kulturbereich? Nicht mehr nötig…“

  1. Du sprichst mir aus der Seele. Ich finde, dass es keinen wirklichen Mehrwert bietet, wenn Kultureinrichtungen Twitter nur zur Ankündigung ihrer Veranstaltungen nutzen. Anscheinend sehen das viele Twitterer aber anders: Die Follower-Zahlen der mir bekannten Kultureinrichtungen sind nämlich trotzdem hoch. Ein weiterer Grund für Kultureinrichtungen, ihre Kommunikation bei Twitter auf Veranstaltungshinweise zu reduzieren, ist möglicherweise auch die fehlende Zeit, in Dialog zu treten.
    Zu den Blogs: Fehlende Blogs hängen sicherlich mit den personellen Ressourcen zusammen. Das Team kann die zusätzliche Arbeit nicht stemmen und neue Stellen können nicht geschaffen werden.
    Auf einen anderen Aspekt, den ich bisher noch nicht bedacht hatte, hat mich kürzlich ein Intendant aufmerksam gemacht. Dadurch, dass Kultureinrichtungen meist städtische oder staatliche Einrichtungen sind, müssen sie genau aufpassen, welche Inhalte sie kommunizieren. Eine Anekdote, die nett gemeint war, kann da auch mal zum Bumerang werden und der Blogbeitrag stößt innerhalb des Hauses auf Kritik. Anschließend ist der Autor dann damit beschäftigt, die Wogen wieder zu glätten.

    Außerdem habe ich festgestellt, dass in Kultureinrichtungen oftmals noch eine große Unsicherheit im Umgang mit Blogs herrscht. Sie sind es noch nicht gewohnt über ihre Arbeit zu sprechen, haben sie doch jahrelang nur über ihre Veranstaltungen gesprochen.

  2. Nein, auf keinen Fall sollen diese Gespräche nur noch auf Twitter stattfinden! Twitter ist einfach der Hype im Moment und wird bestimmt auch gerne als reines Marketing-Instrument begriffen. Das sind dann vermutlich diejenigen, die auch bald wieder aufhören zu twittern.
    Hinzukommt, dass es sehr viel aufwändiger ist, ein Weblog zu schreiben – in manchen Fällen mag das auch Sprachlosigkeit sein, vielleicht aber auch das Sprechen einer anderen Sprache: Social Media Nutzung will gelernt sein.
    Der dacapo-Blog und die Web@classic Aktion der Duisburger Philharmoniker ist bislang natürlich strahlender Stern am ansonsten noch recht leeren Firmament – aber ich bin mir sicher, das wird noch. Es ist einfach eine Umstellung von Pressetexten und Arbeit mit Journalisten auf einmal direkt ans Publikum bzw. an neues Publikum heranzutreten. Zumindest habe ich aus den Reaktionen auf web@classic den Eindruck gewonnen, dass hier Menschen ins Konzert gelockt wurden, die dort noch nie waren.

    Wir versuchen momentan noch, mehr mitzulesen, um ein besseres Gespür für die „Twitter-Sprache“ zu bekommen und was das Bloggen betrifft: mal sehen, ob sich für unsere Interessen Leser finden oder ob sich beim Vernetzen mit der Blogosphäre nicht auch Interessen verlagern.
    Mich würde zum Beispiel ein Erfahrungsaustausch über Kulturtwitter sehr interessieren – wie auch übers Bloggen rundum und über Kultur. Es gibt schon einige Postings dazu, die aber mehr allgemeinen Charakter haben. Wer reagiert denn nun aber wirklich auf Fragen auf Twitter – so jetzt habe ich auf Twitter gelesen, dass mir Ulrike Schmid mit ihrem Kommentar zuvor gekommen ist – wahrscheinlich ergeben sich Dopplungen, ich sende jetzt mal ab :-)

  3. Und noch eine kleine Ergänzung: ich nutze Twitter auch fürs Themenmanagement; die meisten Zeitungen zwitschern ja auch nur Links und Kurzbeschreibungen zu ihren neuen Artikeln (und machen damit dem Perlentaucher wieder Konkurrenz), anhand derer ich absehen kann, ob mich das interessiert oder nicht. Zumindest meistens. Ähnlich ist es mit den Veranstaltungshinweisen.

  4. Ich möchte mich den Vorrednern anschließen: Es fehlt wohl in den meisten Fällen an personellen und / oder finanziellen Zusatzressourcen, zumal derzeit ja gerade an der Kultur gespart wird. Und Blogger / Twitterer frei von außerhalb zu beschäftigen, scheitert wohl in der Tat an der fehlenden Kontrolle – es soll ja schnell gehen, was darf man dann sagen und was nicht?

  5. @Ulrike Schmid: die hohen Followerzahlen hängen aber auch damit zusammen, dass man den Kultureinrichtungen halt mal folgt, sie aber nicht unbedingt gleich wieder rauswirft aus der eigenen Liste. Bleibt es bei Ankündigungen, werden das in der Regel nicht viele sein und dann stört es mich zumindest nicht. Erst wenn von einem Account über mehrere Monate nichts mehr kam, lösche ich ihn dann irgendwann mal.

    Das Problem, nicht zu wissen, was man bloggen darf, hat im Endeffekt jedes Unternehmen, das ein Blog betreibt. Auch ein bloggender Mercedes-Benz Mitarbeiter wird keine Betriebsgeheimnisse verraten dürfen.

    Sehr viel wichtiger scheint mir der Zeitfaktor zu sein. Zwar kostet es praktisch nichts, ein Blog einzurichten, aber eigentlich geht es ja danach erst richtig los. Und das wird häufig unterschätzt.

    Recht hast Du auch mit der Feststellung, dass es gar nicht so leicht ist, Themen zu finden, worüber man etwas schreiben kann. Diese „Sprachlosigkeit“ ist einerseits verständlich, weil auch ein gesellschaftliches Problem. Auf der anderen Seite ist es kurios, denn wer hat mehr zu erzählen als der Kunst- und Kulturbereich?

    @Doro: Ja, der Erfahrungsaustausch ist in meinen Augen der wichtigste Punkt. Nur seltsamerweise geschieht das nicht. Die meisten starten ihre Web2.0-Aktivitäten still und leise. Da ist es dann natürlich schwer, auf sich aufmerksam zu machen bzw. durchzuhalten, bis dann mal eine kritische Masse bei den Inhalten und den Lesern erreicht ist.

    Für mich zeigt das, dass der erfolgreiche (ganz banal im Sinne von wahrgenommen werden) Einsatz von Social Media Tools auch mit einer bestimmten Unternehmenskultur bzw. mit bestimmten Werten zusammen hängt. Wenn ich nicht bereit bin zu teilen und Transparenz, Vertrauen und Partizipation für mich Fremdworte sind, dann wird das auch nichts werden. So groß kann die Technikabteilung da gar nicht sein. :-)

    @Petra van Cronenburg: Überspitzt formuliert: wenn der Einsatz von Twitter oder Blogs an der fehlenden Kontrolle scheitert, dann ist das, behaupte ich mal, auch gut so. :-) Kontrolle heißt in dem Fall, ich habe Angst, dass der Blogger etwas Falsches über mich als Kultureinrichtung schreibt. Und Angst ist keine gute Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Social Media. :-(

  6. @Petra van Croneburg Ich blogge und twittere als Außenstehende für die Kronberg Academy und ich hab freie Hand. Ich setzt die Themen im Blog und bei Twitter sowieso – da muss es ja schnell gehen. Anfangs war ich beim Twittern zurückhaltender, weil ich nicht wusste, was ist im Sinne der Academy und was nicht. Mittlerweile hab ich mich davon freigemacht und denke „öffentlich“ mit Christian über eine Blogparade nach. Oder der KAtalk – da hab ich erst hinterher übers Ergebnis berichtet und sie finden ihn toll und er wird fortgesetzt.
    @Christian Ok, dann sind wir ja schon zwei Follower, die das so handhaben. Und die anderen 200? Ich hoffe noch, dass es einfach nur die anfängliche Unsicherheit ist und sie im Laufe der Zeit mutiger werden. Die Twitterer müssen ja auch an die Infos aus dem Haus kommen.
    Ohne näher darauf eingehen zu wollen. In dem Beispiel bei den Blogthemen ging es um etwas viel Banaleres das zu einem Problem führte und nicht um das Ausplaudern eines Betriebsgheimnisses.

    1. @Ulrike Schmid
      Wunderbar, dass es solche Beispiele gibt – die Schule machen sollten. Über das Blog bin ich zufällig einmal gesurft und gleich hängen geblieben – das passiert mir bei Zeitungsartikeln nicht unbedingt.

      Das – wie auch die genannten Beispiele aus der Musik – sind meiner Meinung nach wunderbare Instrumente, Schwellenangst vor „Hochkultur“ zu nehmen!

  7. Ich kann mich den VorrednerInnen nur anschließen. Um erfolgreich im Social Web präsent zu sein, braucht es eine gute „Homebase“ im Internet – und das ist in den meisten Fällen sicherlich ein Blog.
    Reine Veranstaltungsankündigungen über Twitter finde ich im übrigen schon deshalb sinnlos, weil dabei auch der regionale Faktor nicht bedacht wird. Wer fährt schon durchs halbe Land für eine Veranstaltung? Das mag bei Großereignissen der Fall sein, aber im Alltag wird eine Kultureinrichtung primär Menschen ansprechen wollen, die auch in der Umgebung wohnen.

    1. Es ist manchmal überraschend, woher Besucher kommen und wie weit sie reisen. Manche Künstler fahren ja auch übers Land – dann lohnt sich das.
      Wenn ich meine eigenen Veranstaltungen im Internet ankündige, erreiche ich ein Publikum, das keine Zeitung liest. Ich bekam aber auch kürzlich Feedback: „Ich wollte in der Stadt schon mal Kurzurlaub machen – deine Veranstaltung gibt mir jetzt den Grund, das zu verbinden“.

      Ich denke, bei prominenten Künstlern lohnt sich das durchaus noch eher!

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