Ich persönlich halte von Auseinandersetzungen, in denen ein Konflikt zwischen den Printmedien und der Blogosphäre heraufbeschworen wird, herzlich wenig. Schließlich kann man weder von DER Zeitung noch von DEM Blog sprechen. Damit nicht genug, es gibt auch innerhalb einer Zeitung Artikel von unterschiedlicher Qualität.
Ähnliches lässt sich natürlich auch von Weblogs sagen. Manche sind gut, manche eher nicht und auch innerhalb eines Blogs gibt es Qualitätsunterschiede. Was bringt es also, Zeitungen oder Blogs pauschal zu bewerten? Und was mag es bringen, wenn man gleich “das (ganze) Netz als Feind” bezeichnet? Interessieren Adam Soboczynski, der seinen Beitrag in der ZEIT mit dieser Überschrift versehen hat, wirklich die Unterschiede zwischen den Printmedien und der Blogosphäre? Oder geht es ihm, der behauptet, der Intellektuelle werde im Internet mit Hass verfolgt, um etwas ganz Anderes?
Nehmen wir mal an, Soboczynski ist ein Intellektueller und wird im Internet verfolgt. Wie sieht diese Form der Verfolgung aus? Ihm wird dort in Kommentaren des “unterdrückten Undergrounds” “akademisch anmutende Wortakrobatik” oder auch die “Abgehobenheit des Artikels” vorgeworfen. Die Netzbewohner fordern ihn, den Intellektuellen, also frech auf, sich verständlich auszudrücken, anstatt sich demütig zurückzuziehen und die eigene Beschränktheit einzugestehen.
“Ein Autor, der ein bestimmtes Niveau nicht unterschreitet, hat schlechterdings seinen Job nicht gut gemacht, sich einfach nicht durchringen können, sein Schaffen als Dienstleistung für Durchschnittskonsumenten zu begreifen”,
formuliert es der Autor und verweist darauf, dass eine gedruckte Zeitung als ein großes Ganzes gesehen werden müsse. Dieses große Ganze zeichnet sich dadurch aus, dass es auf der einen Seite von den Lesern goutierte Artikel gibt. Demgegenüber steht das “gegenwartsanalytische Feuilletonstück”, das nur wenige Leser findet, aber durch sein Vorhandensein der Zeitung erst ihre Autorität verleiht. Dieses “höhere Ganze” kennt das Internet nicht, so Soboczynski, der
“Artikel, die sich der Kunst filigraner Beurteilung und Unterscheidung, der gewagten Infragestellung von Sachverhalten widmen”,
im Internet vermisst. Der Intellektuelle, der solche Artikel verfasst ist der “Störenfried” und darüber hinaus der einzige, “der die Bedingungen der Staatsform, in der er lebt, zu reflektieren vermag” und “aus der Mehrheitsdemokratie geistesaristokratisch herausragt”.
Das heißt, lieber Herr Soboczynski, Sie waren schon immer der Stachel im Fleisch, der Outcast, der uns darauf aufmerksam zu machen versuchte, worauf es wirklich ankommt in unserer Welt. Nur leider konnten wir es in unserer Begrenztheit nicht verstehen, daher folgten nur wenige Leser Ihren gedruckten Artikeln. Und da es keine Möglichkeit der Reaktion gab, schrieben sie vom intellektuellen Furor getrieben still und leise vor sich hin, in der Hoffnung, die Welt zu verbessern. Aber Sie wussten gleichzeitig auch, dass Ihre “geistesaristokratische” Brillianz, Ihr Außenseiter-Dasein Ihre Existenzberechtigung darstellt. Hätten Ihre Leser Ihre Artikel gelesen und verstanden, Sie wären Ihrer Rolle verlustig gegangen. Sie wären nicht mehr der reflektierende Außenseiter gewesen, sondern vielleicht der Held des Mainstreams.
Und jetzt übertragen Sie diese Situation mal auf das Internet. Wissen Sie, was es bedeuten würde, wenn Sie im Internet nicht “mit Hass” verfolgt würden? Wenn Sie Zustimmung und Anerkennung ernten würden und die Leser erkennen müssten, wie ungebildet sie im Vergleich zu Ihnen, dem Intellektuellen, sind? Wenn sie, die “Nichtintellektuellen”, ihre Defizite erkennen und sich darum bemühen würden, sie zu beseitigen? Wenn aus Unwissenden Wissende werden würden? Es wäre das Ende Ihrer Rolle als Intellektueller. Sie wären einer unter Vielen und seien Sie ehrlich: das wollen Sie doch nicht, oder?
Schimpfen Sie also weiter auf das Internet und die Nichtintellektuellen, die Ihre Artikel nicht lesen. Wir alle wissen: Sie meinen das gar nicht so, denn würden wir Sie schätzen und von Ihnen lernen, dann wäre es vorbei mit Ihrer Sonderrolle. Geben Sie es ruhig zu, Ihr Artikel ist ein einziger Schmäh. Sie wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Inklusive des Internets.
Update: Hier der Link zur Replik auf Soboczynskis ZEIT-Artikel von Gero von Randow: Geistesaristokratie
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