Das Netz ist das Netz ist das Netz

Viele Internetauftritte von Kunst- und Kultureinrichtungen oder auch von KünstlerInnen lassen mich frustriert zurück. Da werden interessante Themen angeschnitten, über die ich gerne mehr erfahren würde. Ist mir das Glück hold, finde ich dort noch einen Literaturhinweis und bin dann mir selbst überlassen.

Spricht man jemanden darauf an, erntet man nur fragende Blicke. Reicht der Weitblick wirklich nur für die eigene Website aus und nicht darüber hinaus? Ich will jetzt gar nicht darüber lästern, dass diejenigen, bei denen kein einziger Link zu finden ist, am schnellsten auf das Thema SEO anspringen. Wobei das nicht wirklich überraschend ist, schließlich weisen solche Seiten in der Regel ein eher bescheidenes Pageranking auf.

Ein Glück, dass der Kunst- und Kulturbereich noch nicht auf ähnliche Gedanken wie die deutschen Verleger kommt, die über die Einführung eines Leistungsschutzrechts neue Einnahmequellen erschließen möchten (siehe dazu u.a. Robin Meyer-Lucht: „Verleger-Gema für Onlinetexte: Wer zahlt wofür? (Und wer ist Verleger?)„). In die gleiche Kerbe schlägt Ulrike Langer mit ihrem Beitrag „Das Netz besteht aus Verbindungen, nicht aus abgeschotteten Inseln„. Dort habe ich das folgende Video entdeckt, in dem die gekürzte Fassung eines Vortrags von Jay Rosen (siehe auch sein Blog   PressThink) zu sehen ist:

In seiner Rede erzählt er (siehe dazu auch das Transkript), wie ihn die Aussicht, durch Verlinkung tausende LeserInnen zu erreichen, zum Bloggen gebracht hat. Blogs seien, so meint er, eigentlich eine völlig triviale Sache. Das faszinierende daran sei aber vor allem die Möglichkeit der Verlinkung, hinter der sich die Grundidee des Internets, die „Ethik des Verlinkens“ verberge.

:“The link—which is the idea that „you are interested in this, but did you know about that?“ or „Here’s what I’m saying, but you should see what they’re saying,“ or „You’re here, but there’s also this over there“—is actually building out the potential of the Web to link people, which is what Timothy Berners-Lee put into it in the first place. So when we link, we are expressing the ethic of the Web, which is to connect people and knowledge. The reason you link doesn’t have anything to do with copyright and property. It has to do with the way we make the Web into a web of connections.
That’s how we connect knowledge to people.“

Aber es geht nicht nur um den Link. Natürlich ist es nett, wenn ich auf den Seiten der Kultureinrichtungen Links finde, keine Frage. Es geht um mehr. Es geht um die Überzeugung, dass Kooperationen einen Mehrwert bieten, wenn es um die Generierung von Wissen geht. Das Netzwerk ist der Einzelperson in dieser Hinsicht überlegen.

Vor fast zwei Jahren habe ich Keith Sawyer zitiert, der anlässlich des Erscheines einer Studie zum Thema Kreativität meinte:

„creativity always emerges from collaborations and networks.“

Dieses Verständnis vermisse ich, unter anderem auch im Kunst- und Kulturbereich, der von Einzelkämpfertum geprägt ist. Viele treibt die Angst um, die anderen könnten die eigene Idee entdecken und dann verraten bzw. sie selber umsetzen. Die Zeit der einsamen Genies ist vorbei, wie Sawyer schreibt. Unsere Welt ist zu komplex, um alles alleine zu machen. Warum sollte man das auch tun? Wo es doch zusammen viel leichter geht? Im realen Leben und beim Verlinken im Netz.


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7 Antworten zu „Das Netz ist das Netz ist das Netz“

  1. wie wahr, wie wahr. aber in der kulturszene wurde und wird man ja zum einzelkämpfertum gedrängt, da du ja sonst nicht überleben kannst. und dann machst du größere projekte und bist es nicht gewohnt, abzugeben und zu delegieren, da du ja jahrzehnte draufhin trainiert hast, alles selbst zu machen. und das ist mitunter ein grund, der dich nicht größer werden lässt.
    ist schon ein verrückter kreislauf

  2. Hier wird an einem Mythos vom Einzelkämpfertum im Kunst- und Kulturbereich festgehalten, dem ich in meiner über dreißigjährigen lebensweltlichen Praxis der aktiven Kulturarbeit selten begegnet bin.
    Es bilden sich ja oft vernetzte, interessengeleitete Initiativen, um Fördergelder und Sponsoren zu aquirieren (wie am Beispiel des mittlerweile weltweit renommierten Münchner Jazzclubs \“Unterfahrt\“ nachvollziehbar, der, vor einigen Jahren kurz vor dem Aus, durch das Gemeinschaftsengagement privater Kulturidealisten, des kommunalen Kulturreferats und internationaler Jazzstars wieder auf die Beine kam).
    Ähnliches erlebe ich regelmäßig in meinem aktuellen Wirkungskreis des kulturüberfrachteten bairischen \“Pfaffenwinkel\“, in dem die Kulturträger mit programmatisch ähnlicher Ausrichtung auf terminliche und inhaltliche Abstimmung achten (klappt natürlich nicht immer). Es gibt in einigen Kommunen der Region sogar städtische \“Koordinatoren\“, die via Veranstaltungskalenderbetreuung um publikumsfreundliche Terminsteuerung bemüht sind. Und wenns um Gelder oder Räumlichkeiten zur Kulturnutzung geht, stehen unterschiedliche Vereine eh auf der selben Matte.
    Ähnliche Vernetzungen sind mir auch aus anderen Regionen Bayerns und Baden-Würtembergs bekannt.

    Auch die Klage über angeblich unzureichende Vernetzung im Web scheint mir eher einem Achtsamkeitsdefizit zu entspringen, denn ein intensiverer Blick etwa in die \“seriöse\“ Literaturszene belehrt einen schnell eines Besseren: Da wird vom staatlich geförderten \“literaturportal\“ über das LCB, die Marburger \“literturkritik\“ bis hin zu den unabhängigen Mags verlinkt und getauscht, rezensiert und gefrozzelt, was die Szene so hergibt.
    Kann natürlich sein, dass es im Bereich der bildhauenden und klecksenden Kunst mehr Hauen und Stechen als Vernetzung gibt – da hab ich mein Achtsamkeitsdefizit.

    Insgesamt wäre natürlich ein noch besserer Austausch / Informationsfluss / am-gemeinsamen-Strang-ziehen unter den Kulturschaffenden erfreulich; dem stehen allerdings häufig Umstände entgegen, die nicht in ihrer \“Macht\“ liegen (das sei ein ander mal erörtert).
    Zudem darf bei der ganzen löblichen Vernetzerei nicht vergessen werden, dass sich im Web erst langsam die Spreu vom Weizen trennt und das \“Branding\“ qualitativ hochwertiger Kulturangebote grad erst begonnen hat.

  3. @Andrea Latritsch-Karlbauer: Die Bereitschaft, Arbeit an andere zu delegieren oder auszulagern, wäre sicher da, wenn ich dadurch als Kultureinrichtung nicht auf (große) Teile einer Förderung verzichten müsste. Wenn es ums finanzielle Überleben geht, dann werde ich mit der Förderung, die ich erhalte, nicht andere bezahlen, sondern erst einmal mich selbst. Und dann passiert genau das, was Du beschreibst.

    @oxnzeam: in Fragen der Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, das ist richtig. Auf der anderen Seite erlebe ich aber immer noch Situationen, in denen eine Kultureinrichtung zwar gerne an EU-Gelder kommen möchte. Die Tatsache, dass man dann aber wirklich mit „der Konkurrenz“ zusammenarbeiten muss,verhindert dann aber die Realisierung.

    Das heißt, richtigerweise müssten wir von verschiedenen Ebenen und Formen der Zusammenarbeit sprechen. Kooperationen sind ja nichts neues, vor allem, wenn es dadurch gelingt, Kosten zu sparen. Aber das Teilen auch über den Geldbeutel hinaus einen Mehrwert generieren kann, das ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen, behaupte ich.

  4. Ich erlebe das ähnlich wie von oxnzeam beschrieben. Ich denke, man muss fein säuberlich zwischen den KünstlerInnen einerseits und den Kultureinrichtungen unterscheiden, was Internetauftritte betrifft. Bei ersteren scheitert vieles schlicht an Geld und Zeit. Trotzdem sind gerade KünstlerInnen, WEIL sie Einzelkämpfer sein müssen, auch über das Internet stark vernetzt. Das passiert oft nur hinter den Kulissen, bescheiden, für die Allgemeinheit nicht sichtbar, weil extrem zielgerichtet.

    Und wenn jemand heutzutage nicht verlinkt, was ich bei vielen Künstlern beobachte, so liegt das oft an ganz banalen Gründen, etwa, dass man gar nicht weiß, dass „man“ sowas macht – oder dass die Linkpflege zu viel Arbeit macht oder…

  5. Klar ist es ein Zeitproblem,im Netz und auch außerhalb. Die Frage ist aber, ob man es sich heute noch leisten kann, keine Zeit in die Netzwerke zu investieren.

    Wobei ich da auch nicht ungerecht sein will. Natürlich kommunizieren KünstlerInnen miteinander, genauso wie das Kultureinrichtungen auch machen. Aber die Frage ist doch, in welcher Form diese Vernetzung wirklich genutzt wird? Wer zieht einen Nutzen daraus, dass er auf Facebook 500 Kontakte hat? Paulo Coelho ist da ein schönes Beispiel. Er vernetzt sich ncith unbedingt mit anderen KünstlerInnen, sondern mit seinen LeserInnen. Dort liegt das Potenzial, denke ich.

    1. Genau das meinte ich mit „hinter den Kulissen“. Die Künstler, die ich kenne, organisieren sich hauptsächlich via Foren-, eLearning und Mailgroup-Technik, was meist mit realen Treffen verbunden wird. Das sind, weil es eben um Arbeit und Eingemachtes geht, in der Regel geschlossene Gruppen, nicht sichtbar. Da braucht man Facebook & Co. nicht.

      Und weil es sich lohnt, weil man effektiv arbeiten kann und Kontakte knüpfen, funktioniert das bestens. Wenn es etwas Interessantes für die Allgemeinheit gibt, schließt man offene Formen an oder sucht an den bekannten Stellen neue Mitglieder.

      In Sachen Literatur (ich bin mir sicher, Maler und Musiker haben sowas auch) könnte ich jetzt spontan an sehr bekannten Netzwerken für Krimischriftsteller z.B. die „Sisters of Crime“ oder das „Syndicat“ nennen, es gibt geheime Plätzchen für Kinder- und Jugendbuchautoren oder „Quo Vadis“ für die historischen Romane etc. pp. Es gibt kaum einen Bereich ohne solche Vernetzungen, wo man Rat holen kann, Austausch findet, gemeinsam Lesungen und PR-Aktionen veranstaltet, Medien betreut, Testleser findet…

      Nur weil das woanders gemacht wird als bei den herkömmlichen „Verdächtigen“ im Social Web, ist es Nichtinsidern vielleicht nicht bekannt. Aber heimlich still und leise sickert es bis in Twitter hinein ;-)

  6. Eine m.E. äußerst wichtige und nützliche Vernetzung entsteht gerade zur laufenden online-Petition an den Deutschen Bundestag zu dem für alle Kulturschaffenden und -nutzenden wichtigen Thema „Urheberrecht und Gema“.
    Deshalb sei’s auch hier (nebst kurzen Erläuterungen) vernetzt:

    http://oxnzeam.de/2009/06/19/bundestags-petition-zu-urheberrecht-und-gema/

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