Mehr als neunzig Prozent aller KünstlerInnen können von ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht leben. Wie niedrig deren Einkommen ist, belegen diverse Studien. Heißt das, sie und ihre Kunst sind nichts Wert? Wie manifestiert sich dieses etwas Wertsein? Einerseits durch Anerkennung und Wertschätzung, andererseits aber natürlich durch die Einnahmen, die aus der künstlerischen Tätigkeit erzielt werden können.
Natürlich ist es fein, wenn man die entsprechende Wertschätzung erfährt, aber für das tägliche (Über)-Leben brauchen wir nun mal vor allem das Geld. Die entscheidende Frage lautet daher: wie schaffe ich es als KünstlerIn, für meine künstlerische Tätigkeit bezahlt zu werden?
Da gibt es einerseits die ganz klassischen Wege: Bilder werden z.B. in Galerien verkauft, Musik im Platten- oder CD-Shop, Literatur in der Buchhandlung und wir konsumieren Kunst, indem wir ins Theater, ins Konzert oder ins Museum gehen und dort Eintritt bezahlen. Das Problem dabei: nicht alle kommen in diese Kreisläufe rein bzw. wollen das vielleicht auch gar nicht.
Für diejenigen hat sich das Internet zu einem Hoffnungsträger entwickelt. Plattformen, auf denen ich Kunst kaufen kann, sind aus dem Boden geschossen, Musiker versuchen ihre Musik online zu vertreiben. Nur: Kunst online anzubieten ist das eine. Wie sieht das aber auf der anderen Seite, der Kunden- oder Nutzerseite aus? Wird dieses Angebot überhaupt angenommen? Sind die Menschen bereit, Kunst online zu erwerben?
Die Fotografin Tilla Pe hat hierzu ein Experiment gestartet. Sie möchte herausfinden, ob Menschen bereit sind, “für Fotografie im Internet zu bezahlen”. “Bedient Euch” ist das Blogpost überschrieben und bietet folgendes “Geschäft” an:
“Ich stell Euch jetzt an dieser Stelle ein Bild in einer ordentlichen Auflösung unter CC Lizenz zur Verfügung, das man auf A4 mit einem handelsüblichen Tintendrucker auf Fotopapier ausdrucken kann. (…) Ihr dürft dieses Bild für Eure private Verwendung herunterladen und auch ausdrucken. Ihr entscheidet, was es Euch wert ist und wenn ihr bereit seid, dafür zu zahlen, dann benutzt den PayPal-Button oder schickt eine Mail an tilla[punkt]pe[ät]gmx[punkt]de – ich würde Euch dann meine Kontoverbindung mailen.”
Fast einen Monat später berichtet Tilla Pe in einem neuen Beitrag von 89 Downloads und 69,50 Euro, die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangen seien. Und weiter:
“Diese knapp 70 Euro verteilen sich auf drei Menschen, die gesagt haben ‘Ich zahle für das Bild’ und zwei, die gesagt haben ‘Ich will Dich unterstützen, das Bild selber gibt mir nichts, ich habe es auch nicht heruntergeladen’. Nach Adam Riese bleiben also 84 Menschen übrige, die das Bild heruntergeladen haben, aber auch ausgedrückt haben, dass es für sie nicht den Wert hat, dafür zu bezahlen.”
Die Schlussfolgerung daraus: Fotokunst online zu verkaufen macht wenig Sinn. Als die Band Radiohead im Herbst 2007 beim Verkauf ihrer CD nach dem selben Prinzip vorging, zeigte sich, dass auch in diesem Fall relativ gesehen nur wenige Menschen bereit waren, dafür Geld auszugeben. Und das, obwohl Radiohead wohl bekannter als Tilla Pe ist und die meisten Menschen mit ein paar Songs im mp3-Format mehr anzufangen wissen als mit einem Fotoausdruck.
Was heißt das für KünstlerInnen? Ich denke, wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, Kunst über das Internet zu verkaufen. Kunst als sinnliches Erlebnis kann mir das Internet nicht vermitteln. Das wird am Bild, das Tilla Pe online anbietet, recht deutlich. Das Bild kann einem zwar gefallen, aber was verbindet man damit? Ich tue mir da schwer. Und wenn ich dann noch frei bin in der Entscheidung, den Preis zu bestimmen, dann fühle ich mich eher überfordert.
Es gibt aber durchaus Situationen, wo jemand bereit ist, ein Foto oder Musik via Internet zu kaufen. Nämlich dann, wenn ich bereits ein sinnliches Erlebnis damit verbinde. Entweder habe ich das Foto in einer Ausstellung oder in einer bestimmten Umgebung gesehen oder ich habe die Musik bei einer bestimmten Gelegenheit gehört. Ich stoße z.B. über Filme immer wieder auf Songs und damit MusikerInnen, die mich begeistern und von denen ich dann mehr hören will. Wenn es dann den entsprechenden Button irgendwo im Internet gibt, dann ist die Hürde, ihn anzuklicken nicht mehr sehr hoch. Mit Fotos kann das, denke ich, ähnlich funktionieren. In den Vorzeiten des Internets war ich ein Fan von Kinoplakaten. Voller Begeisterung machte ich mich damals auf den Weg und durchstöberte die Filmläden auf der Suche nach Plakaten.
Ich denke, genau um diese Begeisterung geht es. Erst wenn die da ist, bin ich bereit, Geld auszugeben. Wer ein Fan der Musik von Radiohead oder der Fotos von Tilla Pe ist, der wird unter Umständen die Gelegenheit wahrnehmen, die Musik oder die Fotos online zu erwerben. Alle anderen werden das bleiben lassen.
Was heißt das für den Umgang mit dem Internet? Begeisterung für Kunst entsteht nicht unbedingt online. Aber das Internet ist ein phantastisches Instrument, um Menschen auf meine Kunst aufmerksam zu machen. Sie einzuladen, sich meine Musik anzuhören oder meine Bilder anzuschauen. Das geschieht dann in Konzerten oder Ausstellungen. Werden Menschen dort von meiner Kunst infiziert, dann kaufen sie meine Kunst vielleicht sogar online. Aber nicht, weil die Website so toll aufgemacht ist, sondern weil sie mit dem Foto oder der Musik ein sinnliches Erlebnis verbinden.
Ich finde es fein, wenn ich im Internet etwas über die Arbeit von KünstlerInnen erfahre. Der nächste Schritt besteht dann aber darin, die KünstlerIn bzw. ihre Kunst kennenzulernen. Und das geschieht nur selten im Internet.
Der entscheidende Punkt ist die sinnliche Erfahrung, das einzigartige Erlebnis. Das Internet kann dazu beitragen, dass mehr Menschen von der Möglichkeit dieses Erlebnisses erfahren. Mehr aber auch nicht.
Hagen Krohn hat vor wenigen Tagen auf Vioworld eine Blogparade gestartet hat und behauptet,
“dass Kunst im Netz zwar neue und spannende Erscheinungsformen – wie z.B. den Mashup – hervorbringt, aber letztenendes zur ‘Brotlosigkeit’ verdammt ist”.
Wenn man das Internet als den Ort ansieht, wo es zum Austausch von künstlerischem Produkt und Geld kommen soll, dann stimmt diese Behauptung. Ich bin aber der Ansicht, dass das Internet und vor allem das Social Web für den Kunst- und Kulturbereich eine ganz andere Funktion hat. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie dazu einzuladen, Kunst zu erleben. Wie das geht, zeigt Benjamin Zander recht eindrucksvoll.
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