Für Kunst bezahlen

Mehr als neunzig Prozent aller KünstlerInnen können von ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht leben. Wie niedrig deren Einkommen ist, belegen diverse Studien. Heißt das, sie und ihre Kunst sind nichts Wert? Wie manifestiert sich dieses etwas Wertsein? Einerseits durch Anerkennung und Wertschätzung, andererseits aber natürlich durch die Einnahmen, die aus der künstlerischen Tätigkeit erzielt werden können.

Natürlich ist es fein, wenn man die entsprechende Wertschätzung erfährt, aber für das tägliche (Über)-Leben brauchen wir nun mal vor allem das Geld. Die entscheidende Frage lautet daher: wie schaffe ich es als KünstlerIn, für meine künstlerische Tätigkeit bezahlt zu werden?

Da gibt es einerseits die ganz klassischen Wege: Bilder werden z.B. in Galerien verkauft, Musik im Platten- oder CD-Shop, Literatur in der Buchhandlung und wir konsumieren Kunst, indem wir ins Theater, ins Konzert oder ins Museum gehen und dort Eintritt bezahlen. Das Problem dabei: nicht alle kommen in diese Kreisläufe rein bzw. wollen das vielleicht auch gar nicht.

Für diejenigen hat sich das Internet zu einem Hoffnungsträger entwickelt. Plattformen, auf denen ich Kunst kaufen kann, sind aus dem Boden geschossen, Musiker versuchen ihre Musik online zu vertreiben. Nur: Kunst online anzubieten ist das eine. Wie sieht das aber auf der anderen Seite, der Kunden- oder Nutzerseite aus? Wird dieses Angebot überhaupt angenommen? Sind die Menschen bereit, Kunst online zu erwerben?

Die Fotografin Tilla Pe hat hierzu ein Experiment gestartet. Sie möchte herausfinden, ob Menschen bereit sind, „für Fotografie im Internet zu bezahlen“. „Bedient Euch“ ist das Blogpost überschrieben und bietet folgendes „Geschäft“ an:

„Ich stell Euch jetzt an dieser Stelle ein Bild in einer ordentlichen Auflösung unter CC Lizenz zur Verfügung,  das man auf A4 mit einem handelsüblichen Tintendrucker auf Fotopapier ausdrucken kann. (…) Ihr dürft dieses Bild für Eure private Verwendung herunterladen und auch ausdrucken. Ihr entscheidet, was es Euch wert ist und wenn ihr bereit seid, dafür zu zahlen, dann benutzt den PayPal-Button oder schickt eine Mail an tilla[punkt]pe[ät]gmx[punkt]de – ich würde Euch dann meine Kontoverbindung mailen.“

Fast einen Monat später berichtet Tilla Pe in einem neuen Beitrag von 89 Downloads und 69,50 Euro, die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangen seien. Und weiter:

„Diese knapp 70 Euro verteilen sich auf drei Menschen, die gesagt haben ‚Ich zahle für das Bild‘ und zwei, die gesagt haben ‚Ich will Dich unterstützen, das Bild selber gibt mir nichts, ich habe es auch nicht heruntergeladen‘. Nach Adam Riese bleiben also 84 Menschen übrige, die das Bild heruntergeladen haben, aber auch ausgedrückt haben, dass es für sie nicht den Wert hat, dafür zu bezahlen.“

Die Schlussfolgerung daraus: Fotokunst online zu verkaufen macht wenig Sinn. Als die Band Radiohead im Herbst 2007 beim Verkauf ihrer CD nach dem selben Prinzip vorging, zeigte sich, dass auch in diesem Fall relativ gesehen nur wenige Menschen bereit waren, dafür Geld auszugeben. Und das, obwohl Radiohead wohl bekannter als Tilla Pe ist und die meisten Menschen mit ein paar Songs im mp3-Format mehr anzufangen wissen als mit einem Fotoausdruck.

Was heißt das für KünstlerInnen? Ich denke, wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, Kunst über das Internet zu verkaufen. Kunst als sinnliches Erlebnis kann mir das Internet nicht vermitteln. Das wird am Bild, das Tilla Pe online anbietet, recht deutlich. Das Bild kann einem zwar gefallen, aber was verbindet man damit? Ich tue mir da schwer. Und wenn ich dann noch frei bin in der Entscheidung, den Preis zu bestimmen, dann fühle ich mich eher überfordert.

Es gibt aber durchaus Situationen, wo jemand bereit ist, ein Foto oder Musik via Internet zu kaufen. Nämlich dann, wenn ich bereits ein sinnliches Erlebnis damit verbinde. Entweder habe ich das Foto in einer Ausstellung oder in einer bestimmten Umgebung gesehen oder ich habe die Musik bei einer bestimmten Gelegenheit gehört. Ich stoße z.B. über Filme immer wieder auf Songs und damit MusikerInnen, die mich begeistern und von denen ich dann mehr hören will. Wenn es dann den entsprechenden Button irgendwo im Internet gibt, dann ist die Hürde, ihn anzuklicken nicht mehr sehr hoch. Mit Fotos kann das, denke ich, ähnlich funktionieren. In den Vorzeiten des Internets war ich ein Fan von Kinoplakaten. Voller Begeisterung machte ich mich damals auf den Weg und durchstöberte die Filmläden auf der Suche nach Plakaten.

Ich denke, genau um diese Begeisterung geht es. Erst wenn die da ist, bin ich bereit, Geld auszugeben. Wer ein Fan der Musik von Radiohead oder der Fotos von Tilla Pe ist, der wird unter Umständen die Gelegenheit wahrnehmen, die Musik oder die Fotos online zu erwerben. Alle anderen werden das bleiben lassen.

Was heißt das für den Umgang mit dem Internet? Begeisterung für Kunst entsteht nicht unbedingt online. Aber das Internet ist ein phantastisches Instrument, um Menschen auf meine Kunst aufmerksam zu machen. Sie einzuladen, sich meine Musik anzuhören oder meine Bilder anzuschauen. Das geschieht dann in Konzerten oder Ausstellungen. Werden Menschen dort von meiner Kunst infiziert, dann kaufen sie meine Kunst vielleicht sogar online. Aber nicht, weil die Website so toll aufgemacht ist, sondern weil sie mit dem Foto oder der Musik ein sinnliches Erlebnis verbinden.

Ich finde es fein, wenn ich im Internet etwas über die Arbeit von KünstlerInnen erfahre. Der nächste Schritt besteht dann aber darin, die KünstlerIn bzw. ihre Kunst kennenzulernen. Und das geschieht nur selten im Internet.

Der entscheidende Punkt ist die sinnliche Erfahrung, das einzigartige Erlebnis. Das Internet kann dazu beitragen, dass mehr Menschen von der Möglichkeit dieses Erlebnisses erfahren. Mehr aber auch nicht.

Hagen Krohn hat vor wenigen Tagen auf Vioworld eine Blogparade gestartet hat und behauptet,

„dass Kunst im Netz zwar neue und spannende Erscheinungsformen – wie z.B. den Mashup – hervorbringt, aber letztenendes zur ‚Brotlosigkeit‘ verdammt ist“.

Wenn man das Internet als den Ort ansieht, wo es zum Austausch von künstlerischem Produkt und Geld kommen soll, dann stimmt diese Behauptung. Ich bin aber der Ansicht, dass das Internet und vor allem das Social Web für den Kunst- und Kulturbereich eine ganz andere Funktion hat. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie dazu einzuladen, Kunst zu erleben. Wie das geht, zeigt Benjamin Zander recht eindrucksvoll.


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Kommentare

15 Antworten zu „Für Kunst bezahlen“

  1. crocksberlin

    Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz Deiner Meinung. Natürlich hast Du Recht wenn Du sagst, dass die Bereitschaft für Kunst im Internet wächst, wenn man damit eine persönliche Erfahrung verbindet. Auch im Bereich der Musik konnte ich diese Erfahrung machen. Es ist heute sehr einfach ein Album auf alle möglichen Vertriebsplattformen zu bekommen – ohne dafür einen Plattenvertrag zu benötigen. Es ergeben sich aber bei iTunes und Co. nur dann Verkäufe, wenn es weitere Aktivitäten wie Konzerte usw. gibt.

    Jedoch glaube ich nicht, dass dies so bleiben muss. Wir befinden uns meiner Meinung nach erst am Anfang einer digitalen Revolution2.0. So langsam verschwindet der Hype und wir verstehen, dass das Web2.0 vor allem eine neue Kultur bedeutet, die sich ständig weiterentwickelt und in Ihrer Struktur sehr heterogen ist. Die Wissens- und Kulturinstitutionen sind – bei allem Respekt vor vorhandenen Projekten – im Moment soetwas wie schlafende Riesen.

    Ich glaube noch immer, dass es völlig neue Vertriebs- und Marketingformen geben wird, an deren Entwicklung an ganz vielen verschiedenen Orten gearbeitet wird. Im Moment können wir gerademal erleben, wie klassische Strukturen wie die Musikindustrie, die Filmindustrie, usw. einen Umbruch erleben, bei dem ihre Existenz gefährdet ist. Weniger weil es die bösen User als vielmehr die wandlungsunfähigen Systeme gibt.

    Christoph Deeg

  2. Hallo Christian,

    Dein Bericht deckt sich absolut mit meinen Erfahrungen sowohl im Musik als auch im Kunstbereich.

    Im Musikbereich ist es für den Verkauf ganz wichtig für die Musiker, direkten Fankontakt zu haben. Das erleben wir bei unseren Promotionaktionen tagtäglich. Ein Fan, der den Künstler persönlich kennt, ein persönliches Erlebnis mit ihm hatte, kauft eher seine Musik als von jemand unbekanntem.

    Auch in der Kunst gilt es, die eigenen Arbeiten emotional aufzuladen. Und wie Du sehr richtig beschreibst, kann das auf der einen Seite im Rahmen einer sehr schönen Präsentation sein, oder eben durch Bezugnahme auf Film oder andere medialen Erfahrungen.

    Das habe ich bei einer Arbeit gemerkt, die ich zum Thema des Todes von Neda gemacht habe, das Mädchen aus dem Iran, was bei den Demonstrationen gegen die Wahlen erschossen worden ist. Eigentlich ging es in der Arbeit um die Funktion von Kunst in Zeiten von Bildüberflutung durch Internet etc. http://www.spursuche.de/2009/07/20/her-name-was-neda-teil-1/
    Ich habe hier sehr viele, sehr emotionale emails bekommen.

    Frag einmal Sammler zu den Arbeiten, die sie im Original gekauft haben. In der Regel hat jeder zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen.

    Ganz banal sind die griechischen Landschaften, die man im Urlaub gekauft hat.Oder de Landschaftbilder aus dem bayerischen Wald ;-)

    Das Internet kann ein sehr sinnvolles Medium sein, Sammler oder Fans langfristig an sich zu binden, und Fanbase aufzubauen (die es für bildende Künstler auch gibt). Aber für den Verkauf muß dann noch eine zusätzliche, emotionalisierende Komponente hinzukommen.

    Ab einer bestimmten Prominenz des Künstlers ist diese alleine ausreichend. Dann führt der Kauf von Kunst immer auch zur Aufwertung der eigenen Existenz. Für Künstler, die diese Prominenz aber noch nicht besitzen, bedarf es anderer Techniken.

  3. Ich persönlich kenne keinen (bildenden) Künstler, der über das Netz – sei es Blog oder Webseite oder irgendeine der (meistens) langweiligen Künstlerplattformen – nennenswerte Verkäufe gemacht hat.

    Ich selbst habe über mein Blog in den letzten Jahren eine Papierarbeit verkauft.

    Aber das war auch nie meine Absicht.

    Wichtiger waren mir zahlreiche Kontakte, die ich in der Vergangenheit über das Netz generieren konnte.

    Natürlich wäre es schön, einen Teil des Umsatzes über das Netz machen zu können.

    Aber die Menschen entscheiden sich – im Falle der Malerei – in der Regel zu einem Kauf, nachdem sie das Original irgendwo in einer Galerie gesehen haben.

    Die Idee & den Versuch von Tilla Pe würde ich gerne einmal irgendwann auf meine Arbeit übertragen – das heißt, eine spezielle Auflage von digital entworfenen & konzipierten Arbeiten im Netz anzubieten.

    Ich glaube zwar nicht, damit mehr Erfolg zu haben. Aber den Gedanken, dass es kein Original mehr zu geben scheint, finde ich für mich & meine Arbeit sehr spannend …

  4. Hi Christian,
    ich finde Deinen Artikel super interessant und hoffe für jeden Künstler, dass er nicht ganz so zutreffend ist.
    Die Erfahrung, sich im Netzt für Kunst zu begeistern, ist mir gerade vor ein paar Tagen passiert. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, mich mit der Künstlerin in Verbindung zu setzen, um das Bild zu kaufen…
    Ich habe das Bild in einer Ausstellung in Second Life gesehen, und ich kann nur sagen, dass die virtuelle Galerie, die Atmosphäre, die sie verbreitet hat, sowie mein virtuelles soziales Umfeld dafür gesorgt haben, dass ich einen tollen Abend hatte. (Stichwort Landschaftsbilder aus dem Bayrischen Wald)
    Im Gegensatz zum Verkauf im „Flatnet“ kann ich mir vorstellen, dass es für Aussteller im 3D Netz einfacher wird. Besucher können dort den Künstler treffen und ihm eine Chance geben, sich zu vermarkten ;-)
    Je mehr der Künstler auf seinen Kunden eingeht, umso besser werden die „Vibrations“, und das wird bessere Effekte verursachen, als ne anonyme 2D Galerie.

    Ich wünsche allen Künstlern hier jedenfalls viel Erfolg :-)

    Tobias

  5. Hallo Christian,

    danke für deinen Beitrag zur VioWorld-Blogparade und für die interessanten Beispiele von „Net-Artists“. Ich möchte aber gerne dein Zitat aus meinem Blogpost vervollständigen: „Heimliches Ziel dieser Blogparade ist es natürlich, diese These [Kunst im Internet ist brotlos] anhand aktueller Beispiele zu widerlegen.“. Ich bin durchaus der Meinung, dass das Netz Monetarisierungsmöglichkeiten bietet (siehe „SellaBand“). Aber – wie du auch schreibst – nur in Verbindung mit Erlebnissen in der realen Welt (Konzerte, Ausstellungen, etc.). Radiohead sind hier ein gutes Beispiel. Es wurde ja nicht nur der Download angeboten (der finanziell übrigens sehr wohl erfolgreich war), sondern parallel teure Premium-CDs mit aufwändig gestaltetem Cover im ganz normalen Handel vertrieben. Die richtige Mischung machts eben.
    Hier noch ein schönes Non-Profit-Beispiel für das Generieren von Geld übers Internet von Talking Heads-Sänger David Byrne: http://www.everythingthathappens.com/

    Es freut sich auf weitere Blogparade-Beiträge
    Hagen Kohn

  6. Es war ein Versuch. Monetär nicht sehr erfolgreich, aber das Feedback und die Mitteilungen, die mich per Mail und Telefon erreicht haben, die daraus resultierenden persönlichen Gespräche mit anderen Künstlern verschiedener Sparten und auch mit Konsumenten: unbezahlbar!
    Aus der Diskussion entstanden ist u.a. ein Kunstprojekt bei Michael K. Trout (http://www.spuer-sinn.net/blog2/?p=2692), ein Berg Papier (ja! Tatsächlich Papier *g*) mit Ideen, das Internet tatsächlich für Kunst und deren Verbreitung nutzen zu können, etliche davon sehr irrwitzig oder auch nur witzig und der grundsätzliche Gedanke, in vielen Bereichen komplett umdenken zu müssen.
    So gesehen ist das Internet ein feines Kommunikationsmittel. Für mich ein InputQuell erster Güteklasse. (Noch) nicht mehr aber auch nicht weniger.
    Nichtsdestotrotz werde ich auch weiterhin den ein oder anderen Versuchsballon starten, denn Emotionen kann ich auch im Netz auslösen, das haben mir meine Versuche bereits gezeigt.

  7. @crocksberlin: Christoph, ich denke, wir sind gar nicht unterschiedlicher Meinung. Ich behaupte nur, dass es sinnlos ist, einfach nur seine Kunst online zu stellen und darauf zu warten, dass jemand kommt und kauft.

    Natürlich erwarte ich mir neue Marketing- und Vertriebsformen. Dabei wird auch das Internet eine immer größere Rolle spielen. Aber am Ende, wenn es um den Akt des Kaufens bzw. Verkaufens geht, ist da nicht einfach nur ein Button, den man anklickt.

    @Michael Strogies: „emotional aufladen“ ist genau der richtige Begriff dafür, danke! Und Du hast Recht: wenn ich über genügend Reputation verfüge, dann kaufen die Leute meine Kunst auch via Internet. Eben um sich selbst zu erhöhen.

    Dieser Aspekt ist interessant, denn hier erhält Kunst eine andere Funktion. Hier geht es nicht mehr um die Kunst an sich, sondern darum, mich mit Hilfe des Kunstwerks als Person aufzuwerten. Da ist es dann egal, wo man das Objekt erwirbt.

    @Armin: danke für die Bestätigung. Du bist ja nun einer, der schon sehr lange sehr konseqent mit seinem Blog präsent ist und dem man daher nicht vorwerfen kann, er denke kurzfristig. Aber es sind die Kontakte, die über das Internet oder konkret über das Blog entstehen.

    Interessant ist da die Frage, wie viele der KäuferInnen Deiner Bilder Dich über das Internet entdeckt haben?

    @Tob: mmhh, ich weiß zwar jetzt nicht, um welche Art von Kunstwerk es sich in diesem Fall handelt, aber has Du nicht den Wunsch, es erst einmal real zu sehen, bevor Du es kaufst?

    Abgesehen davon ist es natürlich möglich, dass sich jemand via Internet für ein Kunstwerk begeistert. Nur ist das nicht die Regel. Ich vermute, dass Dir so etwas nicht jeden Tag passiert, oder? ;-)

    @VioWorld: Ich bin der Meinung, dass es nicht schlimm ist, wenn man seine Kunst nicht direkt über das Internet verkauft. Aber man kann über es kommunizieren, Marketing und PR betreiben, etc..

    Das heißt, es geht darum, die Netz-Aktivitäten in Prozesse zu integrieren, an deren Ende dann (hoffentlich) die Kaufhandlung des Käufers steht.

    Ich wehre mich nur gegen diese vereinfachte Sichtweise: ich geh jetzt mal schnell ins Netz und steigere meine Verlaufs- oder Besucherzahlen um 400 Prozent.

    Mein Wunsch ist, vereinfacht gesagt, dass wir von Marketingaktivitäten sprechen und nicht mehr zwischen online- und offline unterscheiden. Die Zukunft liegt in der sinnvollen Verknüpfung beider Welten, nicht im entweder oder.

    Insofern würde ich auch nicht von brotloser Kunst sprechen, wenn es um die Online-Aktivitäten von KünstlerInnen geht.

    Die Reaktionen hat es ja gegeben, wie Tilla in ihrem Kommentar schreibt. „Unbezahlbar“, in diesem Wort steckt viel drinnen. Wirklich unbezahlbar sind solche Aktionen aber vor allem dann, wenn es mir gelingt, diese Reaktionen, die mit so einer Aktion hervorgerufen werden, zu nutzen. Für den Verkauf von Bildern, für neue Ausstellungen oder für neue Kooperationsprojekte.

    Ich verdiene mit diesem Blog hier kein Geld, es gibt noch nicht mal einen Button, über den man spenden kann. Aber dieses Blog ist, wie Tilla schreibt, „unbezahlbar“, weil daraus so viele Dinge entstehen, die dann natürlich auch dazu führen, dass ich etwas verdiene. Nur sind es bei mir halt keine Kunstwerke. ;-)

  8. Interessante Gedanken!
    Meine Erfahrungen (in diesem Fall sogar repräsentativ) aus der „schreibenden Kunst“ sind ähnlich: Bücher verkaufen sich am besten, wenn Leser sie ansehen und ANFASSEN können – und wenn die Mundpropaganda ein gewisses Maß erreicht. Der Onlinebuchhandel macht trotz aller gegenteiliger Artikel im Buchgeschäft immer noch einen winzigen Bruchteil des Umsatzes aus (Ausnahmen vielleicht bei IT etc.), Ebooks sind ein herbeigeredeter Hype, der innen hohl ist – nämlich noch gar nicht existiert.

    Und interessant: Je schöner und qualitativer ein Buch hergestellt ist, desto schlechter verkauft es sich im Netz – erreicht aber dadurch höhere Auflagen als mancher Schmöker.
    Problem durch die Monopolisierung: Nischenverlage und -bücher sind im Kettenbuchhandel und Feuilleton fast nicht mehr präsent.

    Mein persönliches Fazit (nicht mehr unbedingt repräsentativ): Für Autoren ohne Spitzentitel-Werbung ist das Internet ein unverzichtbares Instrument, um mit KollegInnen und LeserInnen in Kontakt zu kommen. Nur sollte man keine aggressive Eigenwerbung betreiben, das tötet. Die Menschen wollen aber einen Autor zum Anfassen, wollen „erleben“, was ihn umtreibt, wollen Fragen stellen dürfen. Was früher bei Lesungen allein möglich war, funktioniert im Social Web (Problem: die richtige Zielgruppe fehlt oft noch).

    Zwar wird im Laden gekauft, aber Internet ist einer der Motoren für Mundpropaganda, es gibt Lesercommunities für fast jedes Genre, Rezensionsportale und online-Leserunden mit Autoren. Die sind mittlerweile so wichtig, dass auch Verlage ihre Werbung und Autoren hinschicken. Nicht geeignet für alle (bei Literatur fehlt das völlig), aber man kann sich etwas abschauen.

    Noch fehlt es an der Infrastruktur, an gewissen Zielgruppen, am geeigneten Durchbruch etc., aber ich denke, gerade Nischenverlage werden durch das Internet ihre „Unsichtbarkeit“ auflösen können – sie „klingen“ in Social Media genauso bedeutend wie Großverlage. Außerdem ein preiswerteres Werbemittel.

    Für die Künstler selbst, sprich die Schriftsteller, gilt, was Michael Strogies von emotionalem Aufladen schreibt. Meine treuesten Multiplikatoren habe ich dort, wo ich aufgetreten bin – und zwar nicht mit üblichen Lesungen, sondern richtigen Events. Dort hinterlasse ich wiederum Werbung für meine Onlineaktivitäten und finde im Internet dafür wieder neue Besucher für Veranstaltungen. Kommt Zeit, kommt Geld, kann ich mich dort auch für Veranstalter z.B. mit Video und Tonaufnahmen präsentieren.

    Kurzum: Internet ist unwahrscheinlich langsam und punktuell im messbaren Effekt (Geld, Zugriffszahlen), aber KOMMUNIKATION im Internet macht sich langfristig positiv „im Leben“ bemerkbar. Wer geschickt ist, findet dort auch neue Zielgruppen, die er live nie ansprechen könnte.
    Und mir geht es wie Tilla Pe (danke für den interessanten Einblick!): Die Brancheninformationen aus dem Social Web sind unbezahlbar!

    1. „Internet ist unwahrscheinlich langsam und punktuell im messbaren Effekt (Geld, Zugriffszahlen), aber KOMMUNIKATION im Internet macht sich langfristig positiv “im Leben” bemerkbar.“

      Auf den Punkt gebracht, vielen Dank!

  9. Im Grunde zeigt das Beispiel Radiohead, wie Internet sehr creativ eingesetzt werden kann. Denn tatsächlich haben sie es mit ihrer Internetaktion geschafft, soviel Presse zu generieren, daß die hinterher in den Laden eingeführte, physische CD sich sensationell verkauft hat. Und noch etwas zeigt diese Aktion: Erfolgreiche Marketingaktionen im Internet lassen sich nicht kopieren. Andere Bands, die versucht haben, daß gleiche Prinzip anzuwenden sind damit kläglich gescheitert.
    Hier muß jeder Künstler das für sich richtige Konzept entwickeln. Leider wird den Künstlern oftmal ja untersagt, marketingmässig zu denken ;-) In der bildenden Kunst noch ein großes Tabu, in der Musik längst Alltag.

    @Chrsitian. Kunstsammeln ist für mich ohnehin ein Jagen nach Fetischen. Es geht dabei nur ganz selten um den Kunstgenuss. Schau dir die Sammler an, die teure Meister horten. Ihre Sammlungen dann an eine Stiftung geben. Aufwertung des eigen Egos ist hier die Devise. Des Egos und des Kontos.

    Kunstsammlugen sind oftmals nichts weiteres als Trophäensammlungen. Darüber sollten sich die Künstler auch im Klaren sein.
    Jagen, um gejagt zu werden. Was muss ich tun, um ins Visier der Jäger zu geraten, für sie interessant und von ihnen gejagt zu werden.

  10. @Michael Strogies: Du sprichst es an: es geht nicht um entweder online oder offline, sondern um das geschickte Miteinander. Wer also die Frage stellt, was ihm Facebook bringt, ist eh schon auf dem falschen Weg.

    Wenn wir davon ausgehen, dass Kunstsammlungen Trophäensammlungen sind, dann hat das Auswirkungen auf das Marketing, denn die Ziele, die meine potenziellen Kunden anstreben, sind dann anders als es aus künstlerischer Sicht scheint.

    1. Ja, das sehe ich so. Es ist ein Unterschied zwischen Kunst geniessen wollen, und Kunst besitzen wollen.

      Im Künstleraufbau, insbesondere in der Musik, geht es immer darum, einen Künstler begehrlich zu machen.

      Eine Kunst, die im Internet allzeit vefügbar ist, verliert ihren Reiz. Andersherum kann man das Netz schon nutzen, um einen gewissen Bekanntheitsgrad aufzubauen.

      Im Netz Versprechungen machen, die man real dann erfüllt. Und gewonnene Fanbase über Netz dann halten und intensivieren.

      Ich denke, in diese Richtung kann nachhaltiges Kunstmarketing funktionieren.

    2. Im Musikbereich gibt es da ja einige Beispiele, wie das funktioniert. Nur wie sieht es mit den Museen, den Theatern oder Opernhäusern aus? Sollten die nicht auch im Netz versuchen, Begehrlichkeiten zu wecken?

  11. Hallo Christian, ich bin zum zweiten oder dritten Mal über Deine Blog gestolpert. Respekt.
    Zu der Frage sollen Museen, Theater und Opernhäuser…?
    Unbedingt. Es gibt die „ersten“ Veranstaltungen zu denen kann ich physisch ins Opernhaus gehen kann, mit Abendgarderobe und Sektempfang, aber ich kann auch für zuhause oder gemeinsam mit Freuden, das Konzert online hören… gegen den Einwurf von Münzen ;-)
    Dieses ist dann eine tolle „Ergänzung“, wenn der Konzertort zu weit weg ist, wenn ich eine locke Umgebung mit Freunden bevorzuge wenn, wenn…. Diese „Ergänzung“ in der Vermarktung wird gut angenommen.

    Beste grüße – FRank

  12. @Frank: danke ;-)

    Dein Beispiel zeigt, wie Kulturbetriebe das Internet nutzen können. Was mich aber auch interessiert: bietet uns das Internet nicht auch für die, die sich das Stück, die Ausstellung, etc. anschauen die Chance, einen Mehrwert zu generieren?

    Wir kennen das Internet aus einer Zeit, wo es fast untrennbar mit einem mehr oder weniger großen Computer verbunden ist. Sollte sich das mobile Web durchsetzen, nutze ich das Netz ja nicht mehr nur zu Hause, sondern eben auch vor Ort. Stichwort Augmented Reality.

    Und hier wird es für Kulturbetriebe, denke ich, so richtig spannend…

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