Social Media: „das ist mir alles zu viel“

Letzte Woche kam ich bei einer Veranstaltung  mit einem Unternehmer ins Gespräch und landeten irgendwann einmal beim Thema Web 2.0. Er kannte sich gar nicht so schlecht aus, wusste von Facebook und Twitter und hatte mitbekommen, dass Authentizität wichtig ist und Kontrolle (fast) unmöglich. Nutzen würde er das alles aber nicht, meinte er, denn das sei ihm alles zu viel.

Ich denke, hier liegt ein Missverständnis vor. Das Social Web zu nutzen heißt nicht, durch sämtliche Kanäle 24 Stunden am Tag irgendwelche Botschaften oder Nachrichten zu jagen. Das mag dann funktionieren, wenn ich ein fünfköpfiges Team zur Verfügung habe, das nichts anderes zu tun hat. Aber ansonsten steht nirgends geschrieben, dass im Web 2.0 ein entweder – oder gilt.

Mir kann es passieren, dass ich tagelang Twitter, Facebook oder Xing links liegen lasse, weil ich nicht die Zeit dazu habe oder mit anderen Dingen beschäftigt bin. Oder nicht in meinen RSS-Reader hineinschaue. Wenn ich dabei ein schlechtes Gefühl habe und meine, etwas zu verpassen, dann mache ich etwas falsch. Das Internet bietet mir mittlerweile so viele Informationen an, dass der Anspruch auf Vollständigkeit völlig unsinnig ist. Im Netz finde ich eine Vielzahl von Angeboten und ich habe die Möglichkeit, sie zu nutzen. Wenn ich will.

Gleiches gilt auch, wenn ich andere Menschen über das Internet mit Informationen versorgen oder mit ihnen kommunizieren möchte. Kein Mensch wird mich oder meine Organisation vergessen, wenn ich einen Tag mal nicht online bin. Oder tagsüber nur zeitweise zu erreichen bin.

Es gab eine Zeit, da war es wichtig, dass man per Handy erreichbar war, egal aus welchen Gründen. Mittlerweile ist es eigentlich eher wichtiger, auch mal nicht erreichbar zu sein. Ist es, was das Internet angeht, nicht ähnlich? Müssen wir wirklich auf Emails oder DMs sofort reagieren? Ich glaube nicht. Wenn es Stress wird, macht es auch keinen Spaß mehr, oder?

Wie viele Auszeiten nehmen Sie sich pro Tag oder pro Woche? Und auf welche Social Media-Kanäle verzichten Sie ganz bewusst? Drehen wir das ganze doch einmal um und überlegen, welche Kanäle wir nicht brauchen. Das kann ganz interessant werden. Der Unternehmer, von dem ich eingangs erzählt habe, fand übrigens die Idee, Weblogs für Projekte zu verwenden ganz interessant. Das ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was im Web 2.0 möglich ist. Aber für ihn reicht das. Derzeit. ;-)


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12 Antworten zu „Social Media: „das ist mir alles zu viel““

  1. Da bin ich ganz bei Dir. Ich twittere zum Beispiel nur, wenn ich Zeit und Lust habe und nicht, weil es meine Lebensaufgabe ist.

  2. Oda Cramer von Laue

    Oh danke! Irgendwie bemerkenswert,dieser Beitrag hat dazu geführt, dass ich mich heute morgen direkt ein bisschen entspannt habe… Man sollte halt doch etwas auf sich achten. Und als Social Web-Nutzer „handeln“ – und sich nicht nur verhalten. ;-)
    Für uns Web2.0-„Anfänger“ srahlt das Weblog vielleicht doch noch die größte „Seriosität“ aus – man läßt sich zwar auf neue Kommunikationswege ein, darf aber die vertrauten Kommunikationsforme(l)n noch nutzen.

  3. @Oda Cramer von Laue: für mich ist das Weblog auch das Herz einer jeden Social Media-Strategie. Manchmal ist es gut, wenn einem nur 140 Zeichen zur Verfügung stehen, aber viele Dinge vertragen schon ein paar Zeichen mehr und da ist das Blog ideal. Und es stimmt, hier funktionieren die vertrauten Kommunikationsforme(l)n noch. Aber sie erfahren halt auch eine Erweiterung und das macht das BLog so spannend.

  4. Kurzer Buchtipp dazu: Alle, die das Gefühl haben, ihnen wachsen die Kommunikationsanforderungen über den Kopf, könnten sich Das Glück der Unerreichbarkeit von Miriam Meckel zu Weihnachten wünschen. :-)

  5. @Kulturblogger: In einer der Renzensionen zu diesem Buch ist auf Amazon zu lesen, dass es ein Must-Read für Manager sei, die mehr als 50 Mails pro Tag bekommen. Also Pflichtlektüre für mich, danke für den Tipp. :-)

  6. Gut, dass das auch mal jemand ausspricht! Ich sage immer, neue Medien sind wie der Staubsauger nach dem Besen. Aber ich putze doch auch nicht von morgens bis abends, nur weil der Staubsauger so toll ist. ;-)

  7. Mir ist mein Blog sehr wichtig, ich schreibe jeden Tag einen Beitrag.
    Alles andere, wie Facebook,xing, mails usw. bediene ich so, wie ich Zeit habe. Da mache ich mir keinen Streß.
    Mein Blog ist Teil meiner Arbeit und es macht mir große Freude es zupflegen.
    Gruß Susanne

  8. @Petra: netter Vergleich, den muss ich mir merken. :-)

    @Susanne Haun: so sieht meine Prioritätenliste auch aus.

  9. Ein schöner Beitrag, danke! Wir müssen alle das Heft selbst in die Hand nehmen und entscheiden, wann wir wie mit wem kommunizieren oder uns informieren wollen. Diese Entscheidungen immer wieder zu fällen ist zwar lästig und manchmal mühsam, aber sie gehören eben zum bewussten Kommunikationsverhalten dazu.

  10. Wir brauchen doch nur in uns hineinhorchen. Müssen wir das Grundrauschen komplett und in jeder Tiefe an uns ranlassen. Die Auswahl (sprich das setzen von Prioritäten) liegt ganz alleine bei uns selbst. Ich persönlich habe einen Blog und seit ewigen Jahren einen e-mail Account. Mein ersten Internetanschluß hatte ich 1993. Dickes Buch von Compuserv mit dabei. Kumpel hatte einen Telefonshop. er war bei den technischen Installationen (Modem etc.) behilflich. Ja das Internet (egal ob man es jetz web 2.0 oder 2.08 oder 3.1 oder soziale Netzwerke nennt ist faszinierend. Ich mag es sehr. Ich mag jedoch auch das offline Leben. Die Balance halten ist wichtig. Ich habe im Laufe der Jahre einige Freaks kennengelernt die stolz waren 6 stunden zu schlafen und 18 stunden am Laptop zu agieren. Mir fehlte bei diesen Menschen immer einiges. Ich fand diese immer recht schnell langweilig.

  11. @Gabriele Bryant: danke für das Lob. ;-) Ich denke, hier geschieht, was wir schon früher immer wieder erlebt haben. Mit jedem Stück Freiheit wächst auch die eigene Verantwortung, ob als Konsument oder als Jugendlicher, der die Volljährigkeit erreicht.

    Auch in der Kommunikation gibt es plötzlich eine Freiheit, die uns fordert. Und manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die wir vielleicht gar nicht treffen wollen. Das ist der Preis. Lohnend ist das aber nur, so lange wir frei in unseren Entscheidungen sind. Ist das nicht mehr der Fall, fallen wir wieder in die alte wohlbekannte Unfreiheit zurück.

    @Sportinsider: die Balance zwischen Offline und Online zu bewahren, das ist die große Herausforderung, stimmt! Allerdings glaube ich, dass die Grenzen immer mehr verfließen. Es mag sie noch geben, die Freaks, die nur in ihrer virtuellen Welt leben. Aber sie werden weniger, beobachte ich.

    Ich selbst bin auch viele Stunden am Tag online. Aber die Zahl der Menschen, mit denen ich mich offline treffe, hat seitdem zugenommen. Nicht trotz der Online-Aktivitäten, sondern wegen ihnen.

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