Kunst und Business: Sie müssen sich entscheiden

Vor einigen Tagen bin ich auf diesen Tweet gestoßen:

Als ich ihn las, rief er einerseits Zustimmung hervor, andererseits kam aber auch Widerspruch in mir hoch. Das Problem: ich konnte nicht formulieren, was es war. Gestern habe ich ein Blogpost von John Kremer entdeckt und dort eine Formulierung gefunden, die es auf den Punkt bringt:

“Self gratification comes from a hobby.
Wages come from a profession.
Profit comes from a business.”

Jeder kann sich aussuchen, was ihn antreibt. Aber wer meint:

“To labour in the arts for any reason other than love is prostitution”,

darf sich nicht wundern, wenn es finanziell nicht klappt.

Via Music Marketing [dot] com


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14 Antworten zu „Kunst und Business: Sie müssen sich entscheiden“

  1. Danke – inzwischen habe ich aufgehört mich zu wundern.
    Man kann seine Zeit besser ins Geschäft investieren.

  2. Ja was soll den Kunst sonst sein als Prostitution, wenn sie nicht von Herzen kommt?

    Der Satz ist natürlich dann Blödsinn, wenn ein Künstler von seiner Kunst leben will. Dann bietet er eine Dienstleistung an, die wie alle Dienstleistungen auch durch aus prostitutionsähnlich sein kann. ;-)

    Ähm – Was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Prostituiertem und einem Dienstleister? Hat das was mit der Qualität seiner Arbeit zu tun oder nur etwas mit der Bewertung durch die Gesellschaft? Bitte um Aufklärung.

  3. @Jörn: Prostitution ist eine Dienstleistung, denke ich. Wird eine Dienstleistung als Prostitution bezeichnet, verstehe ich das als negative Bewertung. Diese bezieht sich in der Regel nicht so sehr auf das Wie der Arbeit, also die Qualität, sondern auf die Motivation, also warum man diese Dienstleistung anbietet. Verbunden ist damit meist die Kritik, man mache etwas nicht aus freiem Willen, sondern weil man gekauft sei.

    Bleibt die Frage, was mit der Auftragskunst ist? Hat sich Mozart prostituiert? Klingt in meinen Augen unsinnig. Interessant ist die Frage, warum das so negativ gesehen wird? Es ist ja nicht so, dass nur KünstlerInnen das Thema Auftrag kennen und der Rest der Gesellschaft frei und unabhängig vor sich hinarbeitet. Etwas kurios…

  4. Natürlich hat sich Mozart prostituiert. Das heißt nicht, dass das, was er der Welt hinterlassen hat, wertlos ist.
    Wem seine Kunst viel Wert ist und der ethische Hintergrund dazu nicht mit der Außenwelt passt, hat ein großes Problem und darf sich – wie du gesagt hast – nicht wundern, wenn es finanziell nicht klappt.
    Hauptsache, man entscheidet sich für das eine oder das andere und besitzt die Fähigkeit, die beiden voneinander zu unterscheiden.

  5. Interessanter Eintrag. Wäre auch eine interessante Diskussion im Kontext des nächsten EU-Themenjahres 2011 “Ehrenamtlichkeit, Freiwillgenarbeit”

  6. Merkwürdig; taucht immer mal wieder auf. Diese Behauptung.

    Ich kann beim besten Willen nichts schlechtes daran finden, Geld zu verdienen mit meiner Arbeit.

    Im Gegenteil.

    Hier wird ein Klischee bedient & werden verschiedene Dinge gegeneinander ausgespielt. Egal, ob ich Kunst mache oder einen anderen Beruf ausübe: Hingabe, Herzblut – wegen mir auch Liebe – gehört zu jeder Tätigkeit dazu.

    Künstler (& Galeristen), die nur über Herzblut verfügen, aber nicht über Geschäftssinn, werden kein Geld verdienen.

    Ist es automatisch Prostitution, wenn ich als Künstler in der Lage bin, mich mehr oder weniger erfolgreich zu vermarkten?

    Netzwerke aufbauen, Beziehungen knüpfen – alles Prostitution?

    Bedeutet das etwa, „verkaufbare“ Kunst ist schlechter als nicht „verkaufbare“ Kunst?

    Hat nicht „verkaufbare“ Kunst etwa einen höheren moralischen Nimbus & ist deswegen besser?

    Das ist natürlich Blödsinn.

    Hier wird versucht, ein pseudoromantisches Künstlerbild zu kultivieren oder zu bewahren, das es in dieser Form wohl noch nie gab.

  7. Ich würde das differenziert sehen. Auf der einen Seite hat Armin recht – heutzutage wird oft unreflektiert das Künstlerbild des 19. Jhdts. verklärt, nach dem der Künstler sich bei der Arbeit das Herz aus dem Leib schneidet (deshalb hat er dann mit Nachfolgearbeiten solche Probleme, so ein Herz bekommt man nicht im Laden um die Ecke), lebensunfähig vor sich hin leidet (womöglich von allerlei Drogen umwölkt), arm, hungrig und vor allem immer am Rande des Wahns. Man will ja schließlich den Genius in sich von einer Muse küssen lassen (die prompt nie da ist, wenn man sie braucht).

    Trotzdem stimmt der Spruch, wenn er sich auf den kreativen Prozess selbst bezieht. Und da scheiden sich die Denkwelten von Künstlern und Businessleuten wirklich. In dem Moment, in dem ich ERSCHAFFE, muss ich mich innerlich völlig frei machen, auch vom Geld. Ich muss bereit sein, in diesem verrückten Risikospiel der Extreme mitzuspielen: es kann passieren, dass man mein Werk nicht entdeckt wird, dass ich nichts damit verdiene. Darum ist ein Werk nicht wertlos, nicht schlecht.

    Meinen Verkaufskopf schalte ich außerhalb dieses Prozesses an, nicht währenddessen. Wenn ich immer nur scheitere, muss ich nachdenken, woran das liegen könnte. Aber es liegt nicht immer nur an mir.

    Auftragsarbeiten von heute sind mit denen von früher nicht zu vergleichen. Ich kann nur für die Schriftstellerseite sprechen. Da ist man nicht frei, nicht kreativ, sondern macht einen “Job” (Ausnahmen mag es geben), schreibt am Fließband, entwickelt sogar Figuren und Handlungen nach Vorgaben. Will ich jedoch Kunst schaffen (die sich hoffentlich verkauft), mus ich bereit sein, Scheitern einzukalkulieren. Es ist ein Leben mit dem Scheitern (auch an sich selbst) und Wiederaufstehen auf allen Ebenen.

    Ich glaube, das ist es, was Künstler in Businessaugen so verdächtig macht. Und vielleicht kommt daher der Begriff der Prostitution: Man muss fähig sein, küssen zu können und das Risiko einzugehen, dass aus der großen Liebe vielleicht nichts wird. Und trotzdem strebt man eben nach diesem “Mehr” als nur einer Bezahlung für einen schnellen F…

    Ich sehe das Problem derzeit eher umgekehrt. Mit Schrecken beobachte ich, wie sich Nachwuchsautoren zerstören, bevor sie sich selbst und ihre eigene Stimme überhaupt erst entwickelt haben. Weil sie bei der Jagd nach Erfolg und Geld irgendwelchen “Märkten” hinterherrennen, sich anpassen. Da wachsen austauschbare Auftragsschreiber heran, keine Künstler.

    Und noch etwas: Ein Künstler muss kein guter Verkäufer sein. Ein Bäcker kann auch nicht unbedingt Stromleitungen reparieren. Man darf sich da durchaus professionelle Hilfe von außen suchen.

  8. Falls es jemanden interessiert, ich habe mich kürzlich mit dem Thema beschäftigt, ob ein Buch (Kunst) dem Marketing folgen sollte oder das Marketing dem Buch:
    http://cronenburg.blogspot.com/2010/03/hund-beit-schwanz.html

  9. Lassen wir doch mal den Begriff der Prostituion beiseite. Auf Xing gab es mal eine lange und intensive Debatte zu einem ähnlichen Thema, bei der am Ende herauskam, dass es Sinn macht, Kunstwerke nicht einfach als Objekt zu betrachten, sondern die Prozesse in den Vordergrund zu stellen.

    Der Schaffensprozess selbst hat, wie Armin schreibt, mit “Herzblut” zu tun. Natürlich versuchen viele, einfach nur die Prozesse abzubilden, wie das Petra in ihrem Blogbeitrag beschreibt. Aber es funktioniert halt meist nicht wirklich.

    Im Endeffekt ist das aber kein Problem, welches nur die Kunst kennt. Der Bereich der Ratgeberliteratur extistiert nur deshalb, weil wir permanent den Erfolg anderer zu kopieren versuchen.

    Wobei dann der Erfolg meist darin besteht, dass das Werk von anderen goutiert wird und die Anerkennung darin besteht, dass Geld fließt, z.B. durch den Ankauf eines Buches oder das Lösen eines Tickets für die Ausstellung.

    Wie man Bücher verkauft bzw. eine Ausstellung promotet, dafür gibt es bestimmte Grundregeln und auch Erfahrungswerte. Das Problem: das “Herzblut” und das Wissen darum, wie man ein Kunstwerk “bewirbt” werden in einen Topf geworfen.

    Junge Unternehmen mit einer innovativen Idee haben häufig das gleiche Problem. Da gibt es jemanden, der so begeistert ist von der Idee, dass ihm das Business eigentlich ziemlich egal ist. Im Idealfall gibt es daneben den “Manager”, der die Aufgabe hat, aus der Idee ein Geschäft zu machen. Daraus entsteht ein Spannnungsfeld, – erst recht, wenn es eine Person ist, die beide Tätigkeiten in Personalunion übernimmt – das entweder das Produkt “abheben” lässt oder zum Absturz führt.

    Der von Petra van Cronenburg in ihrem Blogpost beschriebene Prozess der Anbiederung an die potenziellen LeserInnen ist in meinen Augen eigentlich nur dann möglich, wenn ich diese nicht ernst nehme. Was dann passiert, wenn ich als einsames Genie meine Kunst entwickle, dann an die Öffentlichkeit trete und erwarte, dass alle toll finden, was ich mache. Vielleicht sollten wir uns von der Vorstellung des Genies endgültig verabschieden? Kunst entsteht in einem sozialen Kontext und warum der nicht auch in den Entstehungsprozess einfließen soll, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft.

  10. “Der von Petra van Cronenburg in ihrem Blogpost beschriebene Prozess der Anbiederung an die potenziellen LeserInnen ist in meinen Augen eigentlich nur dann möglich, wenn ich diese nicht ernst nehme.”

    Bravo, das ist der beste Satz, den ich zum Thema seit langem gelesen habe! Und der stimmt auch und vor allem für Nicht-Genies.

    Grundregeln / Erfahrungswerte für Verkauf: stimme ich auch voll zu. Ich bin immer der Meinung, dass man mit Halbwissen mehr kaputt machen kann als sich nützt. Wenn ich also als Künstler Marketing, Werbung und Verkauf selbst in die Hand nehmen will, dann muss ich mich da auch bilden, so weit das möglich ist – muss lernen, professionell werden.

    Wenn ich dazu nicht bereit bin / das nicht kann, muss ich so konsequent sein, Profis ans Werk zu lassen. Da lernt man dann schnell den Unterschied zwischen Verkaufen-Wollen und Verkaufen-Können.

  11. Kunst hat mit Kommerz eigentlich nichts zu tun, übrigens genau so wenig wie die Herstellung einer Schraube. Selbst der Verkauf der Schraube hat noch nichts mit Kommerz zu tun. Erst die dann kommerzielle Nutzung der Erfindung der Schraube. Und das trifft es dann auf den Punkt genau: die kommerzielle Nutzung der Erfindung der Kunst. Dass Kunst kommerzialisiert werden konnte hat bloß mit der Möglichkeit zu tun, dass buchstäblich alles zur Kunst erklärt werden kann. Dazu bedarf es natürlicherweise eines Verkaufsgeschickes, und man könnte sagen, es wird verständlich, was geschieht, wenn man sich das Märchen “Von des Kaisers neuen Kleidern” als Muster denkt. “Kunst entsteht im Auge des Betrachters” – ist das nicht hübsch? Psychologisch überaus geschickt: es wird wohl kaum einen Banausen geben, der sich nicht gerne Komplimente anhört über seinen “Kunstverstand” usw. Für sich genommen entsteht ja ein Kunstwerk einzig infolge eines Bedürfnisses eines bestimmten Menschen, einen bestimmten Ausdruck von etwas Bestimmtem wiederzugeben, das ihn bewegt und ausfüllt und antreibt. Das hat mit Schönheit und Originalität zunächst ja gar nichts zu tun. So. Und der Betrachter müsste das erfassen, was den Ursprung des Werkes ausmacht. Meist kann er es nur erfühlen, nachfühlen, und jetzt kann man schon ahnen, wieviele Leute es gibt, die das können und bereit sind dazu. Von Kunst kann man nicht leben, höchstens durch sie. Leben kann man nur vom Können. Von der Geschicklichkeit, die man sich über viele, viele Experimente und Studien erworben hat und wozu auch die des Verkaufens gehört. Wir reden aber vom Kunstmarkt. Dieser, man kann es hier schön nachlesen, ist ebenso vulgär und langweilig wie der Schrauben- oder Werbemarkt und bildet die allgemeine Vulgarität, das Potenzgehabe, Ausgrenzung, Selbstüberschätzung, Geltungsdrang und das alles in völlig übertriebener Weise wider. van Gogh hat zu Lebzeiten ein einziges Bild verkauft. Er tauschte bisweilen ein Bild gegen irgendwas Alltägliches. Eines musste man später von einem Hühnerstall abschrauben, es hatte dort als Tür gedient. Tja, und so siehts aus. Wie und wodurch sollte sich daran etwas geändert haben? Durch Kommerz?

  12. @monologe: Sehr schön erklärt, nur diesen einen Satz verstehe ich nicht ganz:

    “Dass Kunst kommerzialisiert werden konnte hat bloß mit der Möglichkeit zu tun, dass buchstäblich alles zur Kunst erklärt werden kann.”

  13. Uralte Frage, immer wieder spannend. Ich bin der Ansicht, dass wir (glücklicherweise) in einem verklärten, romantischen Künstlerbild verfangen sind (van Gogh und Co…).
    Gleichzeitig hat sich die Kunstszene selber so auseinandergelebt, dass nur das Geld als letzter gemeinsamer Wert überdauert hat. Quasi als kleinster gemeinsamer Nenner. Kunst ist, wenn jemand Geld dafür bezahlt.
    Ich glaube, dass es immer schon zum Künstlerberuf gehört hat, sich, seine Werke und vor allem seinen Kontext zu promoten. Ich kenne keinen erfolgreichen Künstler, der/die das nicht macht und kann (jede/r auf seine/ihre Art).
    Durch das Internet ergeben sich dafür natürlich völlig neue mediale Kanäle, die bis jetzt – nach meiner Einschätzung – viel zu wenig Künstler nutzen.

  14. @Martin: klar ist die Frage nicht neu, aber die Rahmenbedingungen ändern sich fortlaufend, d.h. unter Umständen fallen die Antworten anders aus.

    Interessant, dass Du Geld als den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Kunst bezeichnest. Mir fällt dazu ein fast 5 Jahre alter Blogbeitrag von Dave Pollard ein, der den nicht sehr unbescheiden klingenden Titel “How to Save the World” trägt.

    Darin findet sich folgenden Passage, in der er sich auf das Buch “Die Gabe” von Lewis Hyde bezieht (siehe dazu mein Blogpost Von “Business Skills”, Nutzendenken und der Kunst ):

    “In a ‘market’ economy, says Hyde, the highest status belongs to those who have acquired the most. In a Gift Economy, the highest status belongs to those who have given the most. But what is most important, he says, is that the gift must always move. This idea was recently popularized by the terrific little movie called Pay it Forward. Every gift is its own reward, but that reward is multiplied, without limit, when the gift, or any gift, is passed along to others. A story is a gift. Blogs are gifts. Ideas and insights and teaching and counsel are gifts. Conversations are gifts.”

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