Pay with a Tweet: Empfehlung oder Werbung?

Vor einigen Wochen habe ich in einem Blogbeitrag mit „Pay with a Tweet“ ein „social payment system“ vorgestellt, bei dem man nicht mit Geld, sondern mit einem Tweet zahlt. Das Prinzip ist recht schnell erklärt: ich verschicke einen Tweet mit einer Art Werbebotschaft und erhalte dafür eine Gegenleistung, in dem Fall handelte es sich um das Angebot, ein Buch kostenlos als PDF zu downloaden.

Damals sprach ich von einer kleveren Idee, bei der versucht wird, mich und mein Netzwerk zu instrumentalisieren, wies aber zugleich auch darauf hin, dass die Gefahr des Reputationsverlustes gegeben ist, wenn ich meine Follower mit Werbebotschaften belästige. Oder anders gesagt:

„(…) ich selbst muss mir die Frage stellen, ob mein Netzwerk wirklich von dieser Botschaft profitiert? Geht es nur darum, dass ich etwas kostenlos bekomme, kann der Schuss schnell nach hinten losgehen. Ich habe zwar dann, um beim Beispiel zu bleiben, die Möglichkeit, kostenlos ein Buch herunterzuladen. Wenn es blöd läuft, verliere ich dadurch aber das Vertrauen meines Netzwerks.“

In den Kommentaren wurde die fehlende Transparenz kritisiert. David Röthler verglich in einem seiner Kommentare Pay with a Tweet mit der nach außen nicht kommunizierten Vermischung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Etwas, was gerade in der Buchbranche verpönt sei, wie Petra von Cronenburg anmerkte.

Nun hat der PR Blogger Klaus Eck in einem Blogbeitrag Pay with a Tweet vorgestellt und das Tool gleich für die Bewerbung seines neuen Buches eingesetzt. Wer einen Tweet an seine Follower verschickt, erhält den Link zu einer kostenlosen Leseprobe seines Buches.

Klickt man den Link in diesem Tweet an, landet man auf der Verlagsseite mit Informationen über das Buch. Wer sich für eine kostenlose Leseprobe interessiert, der klickt den Button „Pay with a Tweet“ an, verschickt selbst einen Tweet und erhält den Link zur Leseprobe. Wie Klaus Eck zeigt, ist sein Versuch durchaus auf Interesse gestoßen, wie die Liste derer, die den Button angeklickt und einen Tweet verschickt haben, zeigt.

Besonders interessant ist dabei der Text, der jeweils in dieser Nachricht verschickt wird. Wenn da einige schreiben:

„Dieses Buch (…) macht Unternehmen fit für Social Media,“

dann lässt sich aus einer solchen Aussage leicht ableiten, hier hat jemand das Buch gelesen und empfiehlt es. Ganz anders ist die Aussage zu interpretieren:

„Mein erstes Mal \“pay with a tweet\“  Fortschrittlich vom (…)-Verlag.“

Und genau hier liegt meiner Meinung nach das Problem, nämlich in der Formulierung des Tweets. In der Nachricht von Klaus Eck findet sich lediglich der Hinweis, dass der Verlag einen Auszug aus dem Buch zur Verfügung stellt. Man könnte jetzt kritisieren, dass Eck nicht darauf hinweist, dass es sein Buch ist, aber wer sich für das Thema interessiert, wird, so vermute ich, wissen, dass er von seinem eigenen Buch spricht. Insofern gibt es hier wohl nichts auszusetzen.

Wenn aber jemand schreibt, dass das Buch Unternehmen fit für Social Media macht, dann kann das, vorsichtig formuliert, zu Missverständnissen führen, denn ich gehe davon aus, dass jemand, der so etwas schreibt, das Buch gelesen hat. Kann er aber noch nicht, weil es das Buch ja derzeit noch gar nicht gibt. Und den Auszug hat der oder die auch noch nicht gelesen, denn der Tweet ist ja erst die Eintrittskarte.

Solche Hinweisen stehe ich kritisch gegenüber, denn hier ist nicht klar, warum dieser Tweet verschickt wird und was es mit der Nachricht auf sich hat. Petra von Cronenburg hat beschrieben, wie wichtig Vertrauen und Transparenz in diesem Metier sind. Das würde ich persönlich nicht auf’s Spiel setzen. In anderen Branchen ist das unter Umständen ganz anders, so hätte ich z.B. mit dem Bier, das mir ein Hotel verspricht, wie Klaus Eck schreibt, weit weniger Probleme. Ein witziger Tweet und ich bin mir sicher, meine Follower würden das verstehen.

Fazit: Pay with a Tweet macht sich die Tatsache zunutze, dass wir den Empfehlungen unserer digitalen „Freunde“ recht gerne folgen. Eine Empfehlung im eigentlichen Sinn kann Pay with a Tweet aber noch gar nicht sein, denn erst der Tweet verschafft mir Zugang zu dem empfohlenen Produkt. Insofern hängt es erstens davon ab, worum es konkret geht. Je seriöser ein Produkt, desto heikler wird die Sache. Zweitens spielt für mich auch die Formulierung des Tweets eine wichtige Rolle. Wird in ihr der eigentliche Grund für diesen Tweet genannt oder wird er verschwiegen? Auch davon hängt ab, ob die Aktion ein Erfolg wird oder nicht, bzw. ob wir als Follower den Tweet als Werbung oder Empfehlung betrachten.

Nachtrag: Thilo Specht hat sich auf dem Cluetrain PR-Blog auch mit Pay with a Tweet beschäftigt und dabei Martin Oetting von trnd interviewt. Ein sehr nuancierter, lesenswerter Beitrag!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

11 Antworten zu „Pay with a Tweet: Empfehlung oder Werbung?“

  1. Elena

    Hey Christian,

    vielen Dank für -mal wieder- einen interessanten Beitrag. ich denke Pay with a tweet ist gar keine schlechte Idee,allerdings ist die Formulierung tatsächlich von essentieller Bedeutung! Bei irreführender Beschreibung kann ich das Vertrauen meiner Follower verspielen und das nur für einen Buchauszug…nee, nee!
    LG

  2. Hallo Chrstian,
    bei Deinem ersten Beitrag habe ich dieses noch unterschätzt. Aber ich betrachte nach ein wenig Stöbern das Geschäftsmodell, diese Kommunikationsstrategie ??? als durch aus interessante Möglichkeit. Danke für den wiederhlten Hinweis – Frank

  3. Hallo zusammen, hallo Christian, ich bin eben erst auf den Beitrag von Klaus Eck gestoßen — kannte „Pay with a Tweet“ also noch nicht. Ganz unbefangen habe ich die Leseprobe natürlich empfolen, dabei aber auch die Nachricht im vorgegebenen Tweet angepasst. Das ist also auch möglich. Demnach sehe ich hier zwei wichtige Aspekte:
    (1) Natürlich (oder wieder einmal) die Medienkompetenz der Userinnen und User. Man sollte sich generell gewahr darüber sein, dass der Inhalt der eigenen Tweets auch der eigenen Person zugeordnet wird. Die Kontrolle dessen also, was man twittert sollte bei aller Automatisierung nicht vernachlässigt werden.
    Und doch geht der Trend dahin. Die Rückmeldung aus Social Media Systemen wie Twitter oder Facebook ist teilweise schwierig zu qualifizieren — bleibt mit unter auch ganz aus. Wenn ich einen absurden Tweet auf meine Follower(innen) loslasse, kann ich — auch in Abhängigkeit von der Tageszeit — m.u. zu Recht hoffen, dass er folgelos im Informationsstrom unter geht. Deshalb sehe ich (2) auch die ethische Verantwortung der Anbieterinnen und Anbieter vorgefertigter Meldungen als nicht unwesentlich.

  4. Hallo Christian,

    mir fällt auf, dass der Verlag völlig aus der Hand gibt, welche Botschaft an welchen Empfänger gesendet wird. Das wird mit Werbezielen und Werbestrategien schwer zu vereinbaren sein.

    Ich oute mich als Twitter-Un-Sachverständige. Kann man irgendwo sehen, welche Tweets mit welcher Botschaft aufgrund von Pay with a tweet verschickt wurden?

    Das Grundproblem sehe ich übrigens auch bei dem Facebook-Gefällt-mir-Button. Es sagt gar nichts darüber aus, ob das Buch oder nur die Ankündigung gelesen wurde.

    Gruß Wibke

  5. @wehweh: im Beitrag von Klaus Eck findest Du ein paar Tweets mit jeweils unterschiedlichen Textnachrichten. Herausfiltern kannst Du sie vermmutlich nur über den Link. Eine andere Möglichkeit fällt mir gerade nicht ein…
    Stimmt, die Inhalte sind frei wählbar. Theoretisch könnte ich mich auch negativ über das Buch äußern und würde trotzdem den Link zur Leseprobe erhalten. Interessanter Punkt, denn wenn sich jemand über dieses „Modell“ ägert, könnte er es auf diese Weise missbrauchen.

    @Hannes: das ist genau der Punkt, um den es mir im Blogpost ging. Einfach eine Phrase zu übernehmen, die suggeriert, man habe es mit einem tollen Buch zu tun, ohne es gelesen zu haben, halte ich für bedenklich. Wenn ich aber schreibe: ich twittere über das Buch xy, weil ich so an die Leseprobe komme, dann könnte ich dmait leben.

    Aber das dafür notwendige Feingespür hat, wie Du richtig anmerkst, mit Medienkompetenz zu tun.

    Was Deinen zweiten Punkt angeht: es wäre interessant zu erfahren, wie viele Follower den Text des Tweets unverändert übernehmen und wie viele den text ändern. Aber das lässt sich wohl nur schwer herausfinden.

    @Frank: die Frage ist, was man alles dabei beachten muss, damit es wirklich ein Geschäftsmodell wird. Die mir bekannten Reaktionen auf Pay with a Tweet sind eher ablehnend.

    @Elena: wenn Du jetzt gerade eine Diplomarbeit schreibst und das Buch behandelt genau Dein Thema, dann wirst Du wahrscheinlich recht gerne Tweet gegen Text tauschen, oder? :-) Ich denke, es hängt davon ab, welchen Wert das Produkt, das da offeriert wird, für einen besitzt.

  6. Hallo Christian,
    ich muss noch mal nach haken. Welche Reaktionen kennst Du? Ich bin immer gespalten, bei den Reaktionen, denn oft bekomme ich nur mit, was im Netz und anderen Medien veröffentlicht wird und hier nehme ich die Beiträge war, deren Autoren am lautesten schreien. Zu einer Analyse würde gehören, mal die Auswertungen verschiedener Fälle vornehmen zu können. Hierzu gehören dann Analyse des Verlages, des Autors und des Tweetaufkommens incl. Reweets zu diesem Thema.
    Das was ich Netz dazu lese, sind oft „nur“ Meinungen von uns Außenstehenden ;-), die „nur“ ein Teil des Marktes darstellen.
    Gibt es schon weitergehende Aussagen???

    Beste Grüße Frank

    1. @frank: nein leider nicht. Das Problem dabei ist, dass sich solche Aktionen extrem schwer nachverfolgen lassen. Ich habe es über den Link, der ja eigentlich bei jedem Tweet einer Kampagne ident sein sollte, versucht, aber weit bin ich nicht gekommen.

      Ich fürchte, wir müssen warten, bis jemand die Ergebnisse der eigenen Aktion auswertet und sie veröffentlicht.

      Die Reaktionen, auf die ich mich bezog, waren von Außenstehenden und waren auf Twitter, Facebook und in Blogkommentaren zu lesen.

  7. […] Nun bin ich bei Henner-Fehr über das Tool Pay with a Tweet gestolpert. Mein Gedanke (und Kommentar) dazu war, dass die Organisation damit die Botschaften völlig aus der Hand gibt. Die Organisation stellt ein tool zur Verfügung, damit jeder irgendwas irgendwem über die Organisation / das Produkt sagen kann. Das hat doch mit zielgerichteter Kommunikation nichts mehr zu tun. […]

  8. […] kommt: “Je seriöser ein Produkt, desto heikler wird die Sache”, so Christian Henner-Fehr. Das trifft zum Beispiel auf Bücher zu oder auf Autos: Ohne ein Buch gelesen oder eine Probefahrt […]

  9. […] Ich habe vor einiger Zeit zwei Blogbeiträge darüber geschrieben, in denen ich mich mit diesem Modell beschäftigt habe. LikeBe the first to […]

  10. […] wie ich es vor zwei Jahren in einem Blogbeitrag beschrieben habe (siehe auch dazu: “Pay with a Tweet: Empfehlung oder Werbung?“). Das Prinzip ist recht einfach: ich bewerbe im Rahmen eines Tweets ein Produkt, spreche […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.