Haben die Managementmethoden des 20. Jahrhunderts ausgedient?

Wer gelegentlich in mein Blog hineinschaut, weiß, dass die Entwicklung, die wir im Internet unter dem Schlagwort Web 2.0 erleben, in meinen Augen kein isoliert zu betrachtendes Phänomen ist, sondern Ausdruck einer Entwicklung, dessen Auswirkungen wir in ganz unterschiedlichen Bereichen zu spüren bekommen. Unter anderem und nicht überraschend auch im Unternehmensbereich, das Stichwort dazu lautet Enterprise 2.0.

Um das Potenzial des Web 2.0 ausschöpfen zu können, bedarf es, so meine Behauptung, der entsprechenden Unternehmenskultur, da es sonst sehr schnell zu Wertekonflikten kommen kann. Das heißt aber nun nicht, dass erst eine neue Unternehmenskultur her muss, damit man die Tools des Web 2.0 nutzen darf, genauso wie man auch nicht behaupten wird können, dass der Einsatz von Social Media zu einer neuen Unternehmenskultur führt. Es ist vermutlich ein Wechselspiel, Fakt ist aber, dass wir uns gerade in einer Zeit befinden, in der Veränderungen stattfinden, von denen wir noch nicht so genau wissen, wohin sie führen werden. Immer häufiger zeigt sich, dass die bewährten Rezepte der Vergangenheit nicht mehr funktionieren, wir dafür aber noch keinen Ersatz gefunden haben.

The End of Management“ ist ein von Alan Murray letztes Wochenende im Wall Street Journal veröffentlichter Artikel überschrieben, der darin feststellt, dass Management, die nach Ansicht Peter Druckers Ansicht wichtigste Innovation des 20. Jahrhunderts, die richtige Antwort auf die Herausforderungen des industriellen Zeitalters gewesen sei. In den letzten Jahren aber, so schreibt Murray weiter, habe es sich bei den Erfolgsgeschichten nicht um Triumphe der Unternehmungen, sondern um Triumphe über die Unternehmungen gehandelt. So sei Jack Welch, den er als „the last of the great corporate builders“ bezeichnet, vor allem durch seinen Kampf gegen die Bürokratie berühmt geworden. Murrays Schlussfolgerung:

„The best corporate managers have become, in a sense, enemies of the corporation.“

Dies vor allem deshalb, weil Unternehmen und ihre Manager sich gegen Veränderungen wehren würden und damit die „schöpferischen Zerstörungen“, die Joseph Schumpeter zufolge der Motor für Innovation und damit die wirtschaftliche Weiterentwicklung von Unternehmen sind, nicht mehr möglich machen. Wozu diese Trägheit führt, hat Clayton Christensen in seinem Klassiker-  der nach Jahren im Oktober nun endlich auch in einer deutschen Übersetzung vorliegen wird – The Innovator’s Dilemma anhand vieler Beispiele gezeigt.

Aber nicht nur fehlender Veränderungswille setzt den Unternehmen zu, die zunehmende Geschwindigkeit, in denen Veränderung geschieht und der Kostendruck erlauben es den Unternehmen nicht mehr, ihre großen und teuren Strukturen aufrecht zu erhalten. Die fehlende Flexibilität nimmt ihnen die Chance, sich am Markt zu behaupten, so Murray, der die Unternehmen vor die Herausforderung gestellt sieht, neue Modelle zu entwickeln:

„The new model will have to be more like the marketplace, and less like corporations of the past. It will need to be flexible, agile, able to quickly adjust to market developments (…).“

Darüber hinaus gelte es aber auch Strukturen zu entwickeln, in denen es wieder gelinge, die MitarbeiterInnen zu inspirieren und zu motivieren:

„Traditional bureaucratic structures will have to be replaced with something more like ad-hoc teams of peers, who come together to tackle individual projects, and then disband,“

so Murray weiter, dem dabei eine Entwicklung vorschwebt, in der am Ende die Unternehmen von der oft zitierten kollektiven Intelligenz profitieren können. Diese kollektive Intelligenz moderieren zu können, ist eine der Fähigkeiten, die Peter Kruse,  Geschäftsführer der nextpractice GmbH, im folgenden Video vom Manager der Zukunft verlangt. Kruse macht darin aber auch deutlich, dass es zukünftig nicht nur darum geht, Veränderungen zu „managen“. Es gelte vielmehr, die Balance zu finden zwischen dem Management von Instabilität (in der Phase der Veränderung) und von Stabilität, denn nur in der Phase der Stabilität verdiene ein Unternehmen, so Kruse, Geld. So ganz ausgedient haben die Methoden, in denen es um Optimierung geht, also doch noch nicht.

Und noch ein letzter Punkt scheint mir wichtig und deshalb teile ich Murrays Ansicht nicht, dass sich ein Manager zukünftig wie ein Venture Capitalist verhalten müsse. Letzterer verfolgt vor allem das Ziel, mit seinem finanziellen Einsatz einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, ein in meinen Augen hauptsächlich egoistisches (aber deshalb nicht unbedingt verwerfliches) Ziel. Kruse verlangt vom Manager der Zukunft etwas ganz anderes, nämlich die Fähigkeit, Sinn stiften zu können. Das entspricht eher den Werten, die ich mit dem Social Web verbinde, als den Werten eines Venture Capitalist.

Vielleicht stellen Sie sich jetzt die Frage, warum ich das alles in einem Blog schreibe, in dem es um Kulturmanagement geht? Viele Kultureinrichtungen funktionieren noch in Strukturen, die sich dem 20. Jahrhundert zuordnen lassen. Irgendwann werden auch sie im 21. Jahrhundert ankommen (müssen).


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Kommentare

14 Antworten zu „Haben die Managementmethoden des 20. Jahrhunderts ausgedient?“

  1. Hallo Christian,

    Wie immer ein interessanter Bericht, und ich teile Deine Einschätzung voll und Ganz. Was zuerset da war , ein neues, soziales Verhalten und das Social Web ist wie die Frage mit dem Huhn und dem Ei. Beides beeinflusst sich gegenseitig, wie Du sehr richtig schreibst.
    Social Web als Kommunikationsmittel funktioniert erst dann, wenn ich den Usern einen Nutzen bieten kann, ausserhalb meines zu vermarktenden Produktes.
    Somit muss ich mir als Anbieter, egal ob als Unternehmer oder als Kulturanbieter, Gedanken machen, was das sein kann. Und damit bin ich schon automatisch in Denkstrukturen, die denen von Unternehmen und Organisationen entgegenstehen. Denn in Unternehmen ist heute eher der umgekehrte Denkansatz verbreitet. Wie kann ich mit meinen kleiner werdenden Ressourcen möglichst viel Profit generieren. Ressourcen werden nicht dafür benutzt, irgendwelchen Nutzen zu entwickeln, den man dann für lau zu Verfügung stellt. Aber genau so funktioniert das Social Web. User werden über Twitter oder Facebook nur Dinge mit- bzw weitertragen, wenn sie daraus einen wie auch immer geartet Nutzen enwickeln können.
    Produkt und Medium müssen hierbei also eine homogene Einheit bieten, was nicht immer funktionieren wird.
    Du kennst meine Einschätzung dazu. Bevor social Media für Kultur einsetzbar wird, muss sich ersteinmal unsere Kultur ändern. Solange sie sich elitär und unnahbar gibt, in Gestus und Struktur, wird sie über social Media nicht wirklich funktionieren.

  2. […] Haben die Managementmethoden des 20. Jahrhunderts ausgedient? (via Das Kulturmanagement Blog) Filed under: Allgemein by maspi76 — Einen Kommentar hinterlassen August 30, 2010 Wer gelegentlich in mein Blog hineinschaut, weiß, dass die Entwicklung, die wir im Internet unter dem Schlagwort Web 2.0 erleben, in meinen Augen kein isoliert zu betrachtendes Phänomen ist, sondern Ausdruck einer Entwicklung, dessen Auswirkungen wir in ganz unterschiedlichen Bereichen zu spüren bekommen. Unter anderem und nicht überraschend auch im Unternehmensbereich, das Stichwort dazu lautet Enterprise 2.0. Um das Potenzial des Web 2.0 aussch … Read More […]

  3. Hallo Christian,
    etwas schwerere Kost zu dem Thema habe ich gerade hinter mich gebracht:
    Theis-Berglmair 2003 (1. Auflage 1993) Organisationskommunikation

    Organisationen sind komplexe soziale Systeme und die lassen sich nicht mehr steuern / managen. Der Manager des 20. Jahrhunderts (wie du es nennst) hatte eine Vorstellung vom Ergebnis. Um dieses Ergebnis zu erreichen hat er gehandelt und kommuniziert und versucht andere Handlungen und Akteure für sein Ziel zu beeinflussen.

    In komplexen Systemen entspricht die Konsequenz einer Handlung nicht mehr der Absicht des Handelnden. Der Manager kann also sein Ergebnis gar nicht 100% erreichen.

    Systemsteuerung kann durch Koordination und Schaffung von günstigen Bedingungen und allgem. Regelungsaufgaben geschehen. Systemsteuerung funktioniert also nicht durch Systemkontrolle oder Herbeiführung bestimmter Systemzustände.

    Was Kruse Veränderung nennt, heißt bei Theis-Berlgmair „Eigendynamik systemischer Prozesse“. Und auch Theis-Berglmair schreibt davon, dass sich Stabilität und Veränderung die Waage halten müssen. „Orientierungsloses Handeln ist für Organisationen nicht möglich.“

    Wenn das jetzt etwas wirr klingt, dann liegt das daran, dass das Buch wirklich eine Herausforderung für mich war.

    Wibke

    Das Buch bei Amazon : http://www.amazon.de/Organisationskommunikation-Theoretische-Grundlagen-empirische-Forschungen/dp/3825868559/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1283171933&sr=8-1

  4. @Michael: wichtig ist der Mehrwert, das sehe ich auch so. Ist der Mehrwert entsprechend hoch, dann resultieren daraus auch Einnahmen. Nimm die vielen Blogger, die aus ihren Inhalten Bücher verfassen und die dann durchaus erfolgreich verkaufen bzw. in weiterer Folge zu Workshops und Vorträgen eingeladen werden.

    Wie Du schreibst: man muss über den Mehrwert und nicht über das Produkt kommen.

    Das elitäre Bewusstsein von Kunst ist sicher eine Hürde, wenn es um den Einsatz von Social Media geht. Interessant in diesem Kontext ist das Thema Partizipation. Aber das haben wir ja schon Mal diskutiert. :-)

    @Wibke: Nein, klingt schon verständlich, was Du da schreibst, Du hast die Herausforderung, so wie es aussieht, bestanden. :-) Die zunehmende Komplexität ist es, so denke ich, die die alten Methoden obsolet hat werden lassen. Insofern ist Dein Hinweis auf Buch und gedanklichen Ansatz sehr hilfreich, vielen Dank! :-)
    Liest Du das Buch für Deine Arbeit?

    1. Alles, was ich lese, ist für die Masterarbeit :)
      Gruß Wibke

    2. Bis wann willst Du fertig sein?

      1. Es geht in die Verlängerung. Bis November.

      2. Dann darfst Du solche Bücher gar nicht mehr lesen.;-)

  5. Man kann vielleicht auch mal fragen welches der Weg ist, den der kleine Mann einschlagen muss, um gegen die ganz Großen konkurrieren zu können. Und da gibt es nur eine Antwort: Der schmale und fokkussierte Weg. Es ist der einzige Weg für den kleinen Mann es heute noch richtig groß zu schaffen. Und das bedeutet auch, dass die Großen massiv umdenken müssen, denn die Marktgegebenheiten sind für alle gleich.
    Markus Trauernicht

  6. @Markus Trauernicht: vorab sorry, der Kommentar ist vom Spamfilter verschluckt worden, daher taucht er jetzt erst online auf.

    Eine Verständnisfrage: mit Groß und Klein meinen Sie die Größe des Unternehmens, oder?

    1. Klein: Eher derjenige der etwas aufbauen will.

      Groß: Etabliert und halt groß. Hat oft große Marketingbudgets, gegen die der Kleine keine Chance hat zu konkurrieren.
      Also ist sinnvoll, nicht auf die Art und Weise zu konkurrieren, wo man keine wirkliche Chance hat.

    2. @Markus Trauernicht: genau! Eines dieser Felder, in denen auch die Kleinen bestehen können, ist das Social Web. Hier zählt nicht mehr alleine die Größe des Marketingbudgets, sondern die Fähigkeit, ein Gespräch zu führen und gute Ideen zu haben.

  7. August 2010 im Kontext…

    Themen: CSS Media-Queries, HTML5. Den meisten Menschen ist es schnurzegal, wie eine Webseite aussieht. Management: Die Fähigkeit, Sinn stiften zu können, ist die Mutter aller Antworten….

  8. […] es im Management von Kulturbetrieben? Vor gut zwei Jahren stellte ich in einem Blogpost die Frage, ob die Managementmethoden des 20. Jahrhunderts ausgedient hätten und beendete diesen Beitrag […]

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