Als Blogger einen Monat im Museum leben

Wolfgang Gumpelmaier hat mich gestern via Twitter an eine Aktion eines Museums erinnert, die zeigt, welchen Stellenwert Social Media in den USA genießt und was man damit alles machen kann. Das Museum of Science and Industry in Chicago sucht eine BloggerIn, die einen Monat lang rund um die Uhr im Museum lebt und von ihren Erfahrungen berichtet.

Die Idee gefällt mir:

„We’re looking for someone to take on a once-in-a-lifetime assignment: spend a Month at the Museum, to live and breathe science 24/7 for 30 days. From October 20 to November 18, 2010, this person’s mission will be to experience all the fun and education that fits in this historic 14-acre building, living here and reporting your experience to the outside world. There will be plenty of time to explore the Museum and its exhibits after hours, with access to rarely seen nooks and crannies of this 77-year-old institution.“

Als „Belohnung“ winkt nun nicht das Sammeln von Erfahrungen, sondern versprochen werden 10.000 $ und die technische Ausrüstung, um darüber auch bloggermäßig berichten zu können. Im ersten Moment hat mich die Ausschreibung an Big Brother erinnert, nur wird die BloggerIn nicht rund um die Ohr zu beobachten sein und rausgewählt werden kann sie auch nicht. ;-)

Was vordergründig bei uns als nette Idee durchgeht, zeigt uns, dass Social Media für zumindest dieses Museum in den USA einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Während wir bei uns die Stunden für die Social Media-Aktivitäten in den Kultureinrichtungen noch mühsam zusammenkratzen müssen, nimmt man hier 10.000 $ in die Hand, um Blogger für eine Aktion zu gewinnen, die Online- und Offline sehr schön verbindet und – ich vermute – für entsprechende Aufmerksamkeit sorgt.

Die Aktion ist in meinen Augen aber auch ein Hinweis darauf, dass die Blogosphäre in den USA wesentlich weiter ist als bei uns. Sie besitzt dort einen Stellenwert, der das Museum dazu bewegt hat, 10.000 $ als Bezahlung für 30 Tage im Museum vorzusehen. Ich gehe mal davon aus, dass das Museum nicht in Geld schwimmt und aus lauter Großzügigkeit diesen Geldbetrag in die Hand nimmt, sondern sich einen entsprechenden Gegenwert davon erwartet.

Wie würde das bei uns aussehen? Ist die Blogosphäre schon so weit entwickelt, dass jemand für 10.000 $ den entsprechenden Gegenwert erhalten würde? Werden die Social Media-Kanäle so ernst genommen, dass so ein Aufwand überhaupt denkbar ist? Ich denke nicht. Ein solche Aktion ist für mich zwar durchaus vorstellbar, aber die Größenordnung wäre eine andere. Wahrscheinlich würde man Praktikanten suchen, ihnen 400 Euro in die Hand drücken und ihnen einreden, dass man in den 30 Tagen sehr viel lernen kann. Das kann man auch sicher, aber das Ziel des Museum of Science and Industry ist ein anderes.


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Kommentare

18 Antworten zu „Als Blogger einen Monat im Museum leben“

  1. Nette Idee. Ich habe allerdings jahrelang in einem Museum gearbeitet – und zwar oft genug auch abends und an Wochenende -, so dass ich es persönlich nicht erstrebenswert fände, dort nun einen ganzen Monat zu verbringen. ;)))

  2. @Kerstin Hoffmann: ich möchte nicht unbedingt in jedem Museum einen Monat verbringen, aber ein paar gäbe es da schon, wo ich es spannend finden würde. Als Kind hätte ich wahrscheinlich noch etwas gezahlt, um einen Monat im Deutschen Museum in München verbringen zu dürfen. ;-)

  3. Ich kann mich Kerstin nur anschließen, für mich wär das nix! Mir auch nicht so ganz klar, worüber der/die arme Blogger/in einen Monat lang berichten soll. Außerdem würde es mich nachts ziemlich gruseln – zumindest im Pergamon-Museum :-)

    Trotzdem interessant, was die sich das kosten lassen. Da findet man natürlich auch entsprechend gute Leute.

    Warum heißt es eigentlich immer, die amerikanische Bloggerszene sei „weiter“? Bezieht sich das auf eine größere Leserschaft (was aufgrund der Sprache nicht verwundert), eine größere Anzahl an aktiven Bloggern, oder ein ausgeprägteres Bewusstsein für die strategische Bedeutung für Unternehmen (da würde ich sofort zustimmen).

  4. @Hagen: ich glaube nicht, dass Du in diesem Monat die Nächte auf dem Boden vor den diversen Kunstwerken bzw. in diesem Fall Ausstellungsobjekten verbringen musst. :-) Aber klar, das ist nicht jedermanns Sache…

    „Weiter“ ist die amerikanische Bloggerszene für mich vor allem deshalb, weil es z.B. bezogen auf den Bereich Kulturmanagement/-marketing sehr viel mehr Blogs gibt als etwa bei uns, sich daraus ein ganz anderer Vernetzungsgrad ergibt, daraus eine ganz andere Qualität der Debatten resultiert und damit auch die Zugriffszahlen steigen, was die Sache für das Umfeld in Kunst und Kultur interessant macht.

    Um mal im Bereich Kunst und Kultur zu bleiben: bei uns gibt es doch eigentlich blogübergreifende Diskussionen gar nicht. Wann beziehst Du Dich inhaltlich auf andere Blogs bzw. welche Blogs kommen dafür überhaupt in Frage? Das heißt: wir haben die kritische Masse an Blogs einfach noch nicht erreicht. Zumindest mal in Sachen Kunst und Kultur.

  5. Mal abgesehen vom Monatsgehalt (das erreicht bei uns in Frankreich kein Museumsangestellter) – das ist ein Traum! Müssen sich ja nur die melden, die das interessiert, und eingesperrt werden die Blogger sicher auch nicht 24 Stunden am Tag. (So mancher Buchautor gäbe was drum um solche Recherchemöglichkeiten!)

    Es gibt in Deutschland etwas entfernt Ähnliches bei manchen Buchhandlungen, wo man sich an einem speziellen Tag dort nachts einschließen lassen kann – ein riesiger Erfolg. Nur weiß ich nicht, ob man die Eingeschlossenen zum Twittern oder Bloggen bringt.

  6. @Petra: stimmt, die 10.000 $ sind ein Traum, weil hier bei uns unrealistisch. Der entsprechende Gegenwert kann einfach nicht geliefert werden, weil ein Blogger nicht die entsprechende Aufmerksamkeit genießt.

    Die Nacht in der Buchhandlung würde mich interessieren. Gibt es da irgendwo Infos dazu?

    1. Ich hatte das irgendwo bei Twitter aufgeschnappt. Aber vllt. @SchillerBuch fragen, die sind in Social Media sehr engagiert und kennen sich aus.

  7. Die Aktion des Museums wäre eigentlich auch eine geniale Plattform für einen bloggenden Performance-Künstler!

  8. Eine fantastische Idee! Ob bloggender Performance-Künstler, fotografierender Chronist oder schreibender Fotograf: Welch eine Möglichkeit!

    Mal abgesehen vom Geld scheint sich das Museum ja wahrscheinlich einen Nutzen von der Aktion zu versprechen.

    Gefühlt scheint – zumindest hier in meinem Umfeld (Künstler & Institutionen) – der Gebrauch von Social-Media-Tools noch in den Kinderschuhen zu stecken. Die wenigsten Kollegen können weder mit Blogs umgehen,noch lesen sie regelmäßig Blogs, noch nutzen sie die Möglichkeiten.

    1. @Armin – Das gleiche Gefühl habe ich auch. Dabei ist es ja nicht schlimm, keine Erfahrung zu haben, aber ich vermisse schon bei vielen (auch nahen Freunden und Kollegen) eine gewisse Offenheit.
      Ich meine sogar fast eine Gegenbewegung zu spüren (verstärkt seit der Streetview-Debatte): dass Social Media und „Das Internet“ zunehmend dämonisiert werden. – Noch nie in 30 Jahren haben mir so viele Leute Statements vor der Kamera abgelehnt, sobald das Stichwort „Internet“ fällt…

      @Christian
      … und in dieser skeptischen bis ablehnenden Grundhaltung wurzelt m.E. auch der Unterschied zu Nordamerika. In USA ist man drin in der Praxis – hier redet man sich raus.

      PS
      Vergangenen Samstag hatte ich Gelegenheit im Münchner Haus der Kunst im Rahmen der „Grossen Kunstausstellung“ einen Event zu dokumentieren, bei dem der Künstler ein „Open Offline Office“ eingerichtet hatte, in dem er zwei Tage ohne (!) Internet verbrachte. Ich hoffe, der entstehende kleine Film wird ein paar Aspekte zum Thema beleuchten können.

      1. oops – jetzt ist das in die falsche Spalte gerutscht. Sorry!

      2. @spoxx: stimmt, es findet so etwas wie eine Polarisierung statt. Ob man es als Gegenbewegung bezeichnen kann, vermag ich nicht zu sagen. Was ich feststellen kann: die Warnungen vor dem Internet nehemn zu.

  9. @spoxx: yep ;-)
    Armin: ich denke auch, dass wir gegenüber Nordamerika hinterherhinken. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass solche Ideen, wie spoxx oder Du sie ansprechen, eher in unserem Umfeld entstehen. Wir sind viel weniger auf das Marketing fixiert und erlauben uns dann solche Freiräume. Ich bin gespannt, ob und wenn ja, wann es bei uns solche oder ähnliche Ideen gibt, die dann auch realisiert werden.

  10. Daniel Rehn

    Sehr interessante Idee. In „abgespeckter“ Form gab es Anfang des Jahres im naturhistorischen Museum in London eine ähnliche Aktion. Da durfte eine Gruppe Kids unter den Skeletten der Dinosaurier übernachten (http://boingboing.net/2010/01/18/kids-sleepovers-with.html).

    Wären derlei Ansätze mit Begleitung durch Social Media oder einfach nur Multimedia für den deutschen Raum nicht interessant? Es dürfte doch genügend Museen geben, die bei weitaus weniger Aufwand eine reizvolle Location dafür bieten würden, oder etwa nicht?

  11. […] Als Blogger einen Monat im Museum leben Das Museum of Science and Industry in Chicago sucht einen Blogger, der sich für einen Monat im Museum „einsperren“ lässt und die 24/7-Eindrücke medial verwertet. Die Kommentare, die sich zu diesem Post bei Christian Henner-Fehr entwickelt haben, lesen sich allerdings nicht minder interessant. Die Frage, ob so etwas auch in Deutschland funktionieren würde, sei dahingestellt, interessant ist es allemal und erinnert an eine ähnliche Aktion des London Natural History Museum aus dem Januar diesen Jahres, als eine Gruppe Kinder unter Dinosaurierskeletten schlafen durfte. […]

  12. Ich finde die Idee super, aber wegen der quasi ständigen Beobachtung/Überwachung/Online-Sein würde ich’s nicht machen. Ein paar Tage in einem großen Museum allein mit ein paar Freunden wären mir lieber. Dann könnte man sich alles ganz in Ruhe anschauen und die Stimmung genießen! Die Welt hätte davon allerdings nichts ;)

  13. @Daniel Rehn: schönes Beispiel, danke Daniel! Ich denke schon, dass das etwas ist, was man auch bei uns umsetzen könnte. Mal abgesehen von gesetzlichen und versicherungstechnischen Bestimmungen, die dagegen sprechen. ;-)

    @Karla Kritik: soweit ich das mitbekommen habe, wird man während der 30 Tage nicht von einer Kamera beobachtet. Der Blogger oder die Bloggerin muss dann darüber berichten (Ton, Text, Bild), Hinweise auf eine Art Online-Überwachung habe ich nicht entdecken können.

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