Nicht der Verkauf steht im Vordergrund, sondern das Mitmachen

Erst gestern habe ich via Facebook auf einen Artikel in der NZZ hingewiesen, der den Titel „Künstler in Panik“ trägt und sich mit den angekündigten Kürzungen der neuen englischen Regierung im Kunst- und Kulturbereich beschäftigt. Guido Froese, der Geschäftsführer des Nordkolleg, der Akademie für kulturelle Bildung in Rendsburg, schrieb dazu in einem Kommentar, dass auch dem Kunst- und Kulturbereich Deutschlands eine ähnliche Zukunft drohe, da etwa in Schleswig-Holstein viele Kultureinrichtungen bis 2012 mit 30% weniger Landesförderung auskommen müssen oder gleich ganz geschlossen werden. Was heute noch für Aufregung sorgt, siehe Hamburg, wird also schon bald der Normalzustand sein.

Als die Wirtschafts- und Finanzkrise so richtig bedrohlich wurde, meldeten sich viele (Kultur)-PolitikerInnen zu Wort und beruhigten, dass Kunst und Kultur bei uns sicher sei, weil ja die öffentliche Hand für deren Finanzierung sorge. Noch heute weisen die Damen und Herren gerne darauf hin, wie wichtig es sei, dass der Staat die Verantwortung für Kunst und Kultur trage. Die aktuelle Situation lässt mich an solchen Zusicherungen zweifeln. Es mag durchaus der Wunsch der Kulturpolitik sein, über entsprechende Budgets zu verfügen, keine Frage. Wenn dann aber plötzlich Museen und Theater geschlossen werden, dann heißt das für mich: ich glaube der Politik in dieser Hinsicht nicht mehr. Natürlich wird es weiterhin geförderte Kunst und Kultur geben, aber halt weniger, z.B. 30%, wie es bei Guido Froese anklingt. Wenn aber am Ende jedes zweite Museum, jedes zweite Theater geschlossen und eine Vielzahl von Initiativen oder Projekten mangels Geld beendet werden müssen, dann sind solche „Versprechungen“ zynisch und es ist unverantwortlich, sich nicht um Alternativen zu kümmern.

Wie dieser Prozess ablaufen wird, kann man sehr schön anhand des Pensionssystems nachvollziehen. Es hieß immer, die Pensionen seien sicher, was auch immer stimmte und wahrscheinlich auch heute noch stimmt. Nur wird das, was wir bekommen immer weniger, was dazu geführt hat, dass wir selbst die Initiative ergreifen müssen, um unser Leben im Rentenalter finanzieren zu können.

Die Wege, die man dabei einschlägt, können sehr unterschiedlich sein, denn bis jetzt weiß noch niemand, welcher Weg für den Kunst- und Kulturbereich der richtige ist. Ob ich mich  an den Rat eines internationalen Beratungsunternehmens halte und den Besucher wie darin gefordert mehr als Konsumenten sehe oder ob ich ihn eher als Prosumenten betrachte und die Modelle, die im Social Web entstehen, nutze, muss ich letzten Endes selbst entscheiden.

Wer mein Blog liest, weiß, dass ich ganz klar für den zweiten Weg plädiere und ich die Hoffnung habe, dass Kultureinrichtungen verstärkt auf den Community-Ansatz setzen und so überleben können. Das sage ich, weil ich in diesem einen Punkt der Prognose der Studie von AT Kearney glaube bzw. die Vorhersage noch eher für untertrieben halte, wenn es dort heißt, dass in Österreich jede zehnte Kultureinrichtung von der Schließung bedroht ist.

Was also tun? Patentrezepte gibt es leider noch nicht, aber jede Menge Ideen und Anregungen liefert zum Beispiel das folgende Interview, das Christoph Müller-Girod mit Gerd Leonhard im Rahmen von stARTmuseum10 geführt hat:

Leonhard rät darin Kultureinrichtungen, eine Marke aufzubauen.

„Es ist wichtig, eine Marke zu schaffen, die magnetisch ist,“

sagt er darin und weist darauf hin, dass man eine Marke nicht dadurch schafft, indem man ständig auf sich hinweist, sondern andere involviert, die dann von sich aus auf einen verweisen.

Dafür müsse man, so Leonhard, in Vorleistung gehen. Nicht der Verkauf von Produkten steht im Vordergrund, sondern das Mitmachen, wie Christoph Müller-Girod das im Interview sehr schön formuliert. Damit schafft man dann eine Marke, die man – Leonhard erwähnt das Beispiel Apple – früher oder später in Geld umwandeln kann.

Während Apple hier schon sehr weit ist, stehen Kultureinrichtungen erst am Anfang. Manche haben die ersten Schritte schon gesetzt, etwa die Met mit ihren Opernliveübertragungen oder die Berliner Philharmoniker mit der Digital Concert Hall. Aber auch kleine Kultureinrichtungen können und müssen zur Marke werden und versuchen, auf diesem Weg zu Geld zu kommen. Und das, bevor es zu spät ist.


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Kommentare

6 Antworten zu „Nicht der Verkauf steht im Vordergrund, sondern das Mitmachen“

  1. Weil du den Vergleich mit dem Rentensystem machst: Es ist ja vor allem eine Frage der politischen Rahmensetzung, die die Sicherheit der Rente ausmacht. Wenn man auf staatlich subventionierte private Vorsorge setzt wie in Deutschland mit der Riesterrente, dann leidet natürlich die gesetzliche Rente.

    Ich glaube deswegen auch bei der Kulturfinanzierung ehrlich gesagt, dass die Geld oder kein Geld staatlicherseits vor allem eine Frage der Prioritätensetzung ist. Wenn der politische Wille da ist, werden auf einmal astronomische Summen verfügbar gemacht, wie man an solchen fragwürdigen Projekten wie der Elbphilharmonie oder Stuttgart21 sieht. (Ob das haushaltspolitisch verantwortungsbewusst ist, ist dann wieder eine ganz andere Frage.)

    Ich habe etwas Zweifel, ob die Idee mit der Marke für Kultureinrichtungen im Allgemeinen so funktioniert. Klar, Berliner Philharmoniker oder Wiener Staatsoper können so etwas grundsätzlich hinbekommen. Aber eine typische Kultureinrichtung (Stadttheater oder Landesmuseum) hat einen kleinen, geografisch eng begrenzten Wirkungsradius und muss, wenn sie öffentlich gefördert wird, verschiedensten Anspruchsgruppen gerecht werden. Eine inhaltliche Profilierung ist da schwer, aber genau die ist eine wichtige Voraussetzung für die Markenbildung.

  2. Ich versteh den Zusammenhang zwischen Marke und Digital Concert Hall bzw. den Opernübertragungen der Met nicht. Die Marke Berliner Philharmoniker gibt es schon seit Jahrzehnten, dafür bedurfte es keiner DCH. Durch die DCH haben jetzt nur mehr Menschen die Möglichkeit dieses Orchester zu hören. Letztere sind auch nicht gerade das beste Beipiel dafür, wenn es um die Einbindung bzw. das Mitmachen geht (ist auch nicht deren Ansatz).

    Die Duisburger Philharmoniker sind, wenn es um Markenbildung durch Social Media geht, das bessere Beispiel. Kannte vorher kaum jemand, jetzt sind sie in aller Munde aufgrund des ausgeprägten Mitmach-Ansatzes.

  3. @Christian: natürlich ist das eine Frage der Prioritätensetzung. Allerdings sehe ich derzeit wenig Chancen, dass Kunst und Kultur auf der Prioritätenliste den Platz einnehmen, den wir ihnen gerne geben würden. Und das liegt nicht nur an der Kulturpolitik, sondern auch an uns, an der Gesellschaft. Wer setzt sich denn wirklich noch dafür ein, dass Kunst und Kultur das Geld bekommen, das sie brauchen würden, um nicht nur zu überleben, sondern sich auch weiter zu entwickeln?

    Vielleicht habe ich mich etwas undeutlich ausgedrückt. Ich denke, wir haben auf zwei Ebenen ein Problem: einerseits müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, was uns Kunst und Kultur Wert sind. Auf der anderen Seite müssen sich Kultureinrichtungen darauf vorbereiten, dass sie nicht mehr mit öffentlichen Geldern finanziert werden, siehe das Beispiel Hamburg.

    Wir können jetzt eine Grundsatzdiskussion führen, ob Kunst und Kultur weiter öffentlich gefördert werden sollen. Dem Altonaer Museum hilft das vermutlich nicht mehr viel. Deshalb sollten sich Kultureinrichtungen auf diesen „Ernstfall“ vorbereiten.

    @Ulrike: vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt, sorry, aber ich meinte es eigentlich genau umgekehrt. Die Berliner Philharmoniker konnten die Digital Concert Hall nur deshalb umsetzen, weil sie so eine hohe Reputation und damit einen so hohen Markenwert besitzen.

    Die Duisburger Philharmoniker sind zwar das bessere Beispiel für den Mitmach-Ansatz, wie Du es nennst, aber glaubst Du nicht auch, dass die Marke Duisburger Philharmoniker noch nicht magnetisch genug ist, wie es Gerd Leonhard genannt hat und das Orchester deshalb mit einer Digital Concert Hall keinen Erfolg haben würde.

    Ich denke, und damit komme ich nochmal zum Einwurf von Christian Holst zurück, dass nicht jede Kultureinrichtung eine globale Marke aufbauen muss. Wir kennen im Wirtschaftsbereich auch regionale Marken, die am anderen Ende der Welt keiner mehr kennt und die trotzdem von ihrer Markenstärke profitieren. Es muss also nicht jede Kultureinrichtung so bekannt wie die Met oder die Berliner Philharmoniker sein.

  4. Die von Christian Henner-Fehr publizierte These ist nachvollziehbar, aber kann sicher nicht als Überlebensstrategie für jede Kultureinrichtung dienen. Unsere Einrichtung hat bereits eine Eigenwirtschaftsquote von 80%. Ebenso das Schleswig-Holstein Musikfestival und andere. Das ist bereits überdurchschnittlich und Auswirkung einer starken Community. Das ist aber nicht für alle Kultureinrichtungen möglich und wird insbesondere vom kulturpolitischen Auftrag abhängig sein. Der Staat muss weiterhin fördern was es schwer hat, muss Raum für Entwicklungen bieten und auch Experimente erlauben. Insbesondere Projekte kultureller Kinder- und Jugendbildung sind wichtiger denn je, haben aber kaum die Chance einen signifikanten Deckungsbeitrag zu generieren.
    Wer wissen will, wie es in Schleswig-Holstein um die Kultur bestellt ist, mag einen Blick auf die Seite http://www.kulturprotest.de werfen. Und das scheint nur ein Anfang zu sein.

  5. […] meinem gestrigen Blogpost habe ich geschrieben, dass ich den Zusicherungen der Politik in Sachen Kulturförderung nicht traue […]

  6. @Guido Froese: ich stelle mir halt die Frage, wie lange sich eine Kultureinrichtung darauf verlassen soll, dass der Staat Kunst und Kultur finanzieren „muss“? Ich glaube da nicht mehr dran und deshalb macht es in meinen Augen Sinn, das Undenkbare zu denken. Zumindest anzudenken. ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.