Im Laufe der Jahre wird man Kunde bei verschiedenen Unternehmen. Man hat seit ewigen Zeiten ein Zeitungsabonnement, ist immer noch beim ersten Mobilfunkbetreiber und bezieht seinen Strom noch immer beim Platzhirschen. Manchmal komme ich mir bei solchen Unternehmen als “alter Kunde” oder auch Stammkunde ziemlich blöd vor, wenn ich sehe, mit welchen Lockangeboten neuen Kunden gewonnen werden sollen. Eigentlich müsste doch ich die Uhr, die CD-Collection oder 1.000 Freiminuten bekommen, schließlich hat das Unternehmen mit mir schon viel Geld verdient. Lässt sich auf diese Weise ein Neukunde gewinnen, ist es außerdem gar nicht sicher, dass der, so wie ich, zwanzig Jahre lang ein treuer Kunde bleibt. Die Rechnung würe also nicht aufgehen, während sie bei mir schon lange aufgegangen ist.
Diese Gedanken fielen mir ein, als ich Michael Kaisers (President of the John F. Kennedy Center for the Performing Arts) Artikel “I like Older People” in der Huffington Post las. Neue, möglichst junge Zielgruppen anzusprechen, dieses Ziel stehe, so schreibt er, bei den Kultureinrichtungen ganz oben auf der Agenda. Kaiser stört dabei nicht der Wunsch, junge Menschen für die Kunst zu gewinnen, sondern die Haltung, die sich dahinter versteckt und dazu führt, dass sich die Stammkunden – und das sind meist ältere Menschen – vernachlässigt vorkommen, denn, so schreibt Kaiser,
“I value tremendously my senior audience members who, in most cases, have been the most loyal and generous supporters of the arts in their communities. Without their financial support, my institution, and many others in the community, would not be viable.”
Wenn den neuen Zielgruppen ein höherer Wert beigemessen wird als denen, die die Kultureinrichtung in den letzten Jahren “unterstützt” haben, dann kann es passieren, dass man die neuen Zielgruppen nicht erreicht und bestehende Kunden verloren gehen. Kaiser kritisiert, dass neue Zielgruppen vor allem mit Marketing-Gimmicks angeworben werden. Sein Ratschlag:
“If we want younger audiences, we must make a substantial commitment to programming for them and marketing to them. We can’t trick them into coming.”
Übrigens ist auch das Internet immer seltener eine reine Domäne junger Menschen. Auch ältere Menschen sind immer häufiger im Internet zu finden, wie diese Grafik zeigt. Aber eigentlich ist die Grafik gar nicht nötig, denn die Zahl älterer Menschen, die als “Fan” einer Kultureinrichtung folgen, wächst von Tag zu Tag. Die “neuen Zielgruppen” hingegen, also die, die sich bis jetzt nicht für Kunst interessiert haben, sieht man dort nur selten.
Kaisers Artikel gefällt mir gut und das sage ich jetzt auch als Stammkunde. :-)
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