Kulturmarketing und Preispolitik: pro Altersjahr zahlen die BesucherInnen einen Euro


© M. Großmann ; Pixelio

Die Frage, wie man junge Menschen für Kunst und Kultur interessieren kann, ist hier in diesem Blog schon des öfteren thematisiert worden. Meist geschieht das über finanzielle Anreize, da man davon ausgeht, dass jüngere Menschen nicht bereit oder in der Lage sind, viel Geld für Eintrittskarten auszugeben. Deshalb gibt es zum Beispiel in Hamburg das Projekt freiKartE, das StudienanfängerInnen drei Monate lang freien Eintritt in die 20 wichtigsten Hamburger Museen, Theater und Konzertsäle ermöglicht.

Abgesehen von solchen Projekten bietet fast jede Kultureinrichtungen Jugendlichen, Schülern und Studenten Tickets zu reduzierten Preisen an. Ich habe gerade die Websites von zehn willkührlich ausgewählten Kultureinrichtungen besucht und mir die Ticketpreise angesehen. Bei allen gibt es Ermäßigungen.

In seinem Beitrag „It’s Time to Pay Your Age“ auf dem Arts Marketing Blog gibt sich Chad M. Bauman davon überzeugt, dass dieses Modell der Preisgestaltung langfristig nicht funktionieren könne, weil unter anderem der Preissprung von der ermäßigten Karte zum normalen Ticket zu groß sei. Wer bis jetzt 15 USD für ein Ticket gezahlt hat, wird nicht von heute auf morgen 60 USD dafür hinlegen, wenn der Grund für die Ermäßigung wegfalle (Alter, Studienende, etc.), so seine Überzeugung.

Außerdem konterkariere dieses Ansatz die Bemühungen, potenzielle BesucherInnen möglichst früh zum Ticketkauf zu bewegen:

„For years, we have been giving them great seats at the best prices at the absolute last minute. If you eventually would like younger patrons to become subscribers, you must develop pricing systems which encourage earlier buying behaviors“,

kritisiert er das Verhalten der Kultureinrichtungen. Wer dann noch ein bestimmtes Kontingent ermäßigter Karten zurückhält (der Anreiz, sie früh zu kaufen, fehlt), läuft Gefahr, seinen Vollzahlern keine Tickets mehr anbieten zu können.

Um diese Probleme lösen zu können, hat Bauman bei Arena Stage ein neues Modell mit dem Namen „Pay Your Age (PYA)“ entwickelt, bei dem die BesucherInnen bis zum Alter von 30 Jahren für pro Altersjahr einen USDollar zahlen. Ein fünfjähriges Kind zahlt also 5 USD, ein 20-jähriger Jugendlicher 20 USD. Generell werden für PYA 3% des Kartenkontingents zur Verfügung gestellt, d.h. wer sicherstellen will, solche vergünstigten Tickets zu erhalten, muss sie möglichst früh kaufen. Wird das PYA-Kontingent nicht ausgeschöpft und sind keine Tickets zum Normalpreis mehr erhältlich, werden die ermäßigten Tickets in normalpreisige umgewandelt.

Mit diesem Modell versucht Bauman, sein Publikum langfristig an sich zu binden. Wer das Höchstalter von 30 Jahren erreicht hat, bekommt dann ein Schnupperabo angeboten, also z.B. 99 USD für drei Vorstellungen, wie er in einem Kommentar erläutert.

„Then once they subsribe, I will work to get them to upgrade their subscription packages. This is a long term strategy that really looks at the customer over a span of 10-15 years. From first time PYA buyer to full season subscriber and donor will probably take 15 years,“

beschreibt er seine Strategie. Mir gefällt dieser Ansatz, ist er doch sehr langfristig angelegt und versucht, den Sprung bei den Kartenpreisen abzufedern. Allerdings muss klar sein, dass es nicht nur auf den Ticketpreis ankommt, sondern die Attraktivität des Angebotes noch von vielen anderen Faktoren abhängt.

Mich würde interessieren, ob solche Modelle auch schon im deutschsprachigen Raum ausprobiert worden sind und wenn ja, welche Erfahrungen damit gemacht wurden?


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Kommentare

12 Antworten zu „Kulturmarketing und Preispolitik: pro Altersjahr zahlen die BesucherInnen einen Euro“

  1. Die Idee ist für uns nit so jut, weil die teuerste Karte 19 Euro kostet.
    Bei uns gibt es Ermäßigungen, die in der Übersicht hier zu finden sind:

    http://theater-neu-ulm.de/cmsroot/service-des-augustheater/

    Unter „Ermäßigungen“, „Lobbycard“ und „Familienpass“ (mit weiterführendem Link)

  2. @augustheater: dann nehmt Ihr halt statt des einen Euros 50 Cent, dann passt es wieder. Auch wenn bei Euch das Ticket nur 19 Euro kostet, der Sprung von der ermäßigten Karte (3 Euro) zum Normalpreis ist gewaltig. Das sind mehr als 600% Unterschied, wenn ich mich nicht täusche.

    1. Haste, lieber Christian, nicht ganz aufmerksam gelesen (pfui, pfui!): Die Karten sind um 3.- € ermäßigt, also 12.- €, 14.- € oder 16.- €. Und die last minute-tickets kosten demzufolge die studierenden Twens auch nur die Hälfte, der günstigste Platz also 7,50 €. Mehr verlocken kann ein kleines Privattheater nicht.

      Derzeit läuft außerdem die Aktion: Eltern, die „fast Faust“ mit ihren Kindern zwischen 10 und 25 Jahren besuchen, zahlen für die Kids nur 1.- €.

      Die letzte Vorstellung des geschickt in Comedy verpackten Bühnenklassikers hat noch weitere Boni – vor allem bietet das Theater einen für die Eltern kostenfreien „Kindergarten“ (qualifiziertes Betreuen der Zwei- bis Zehnjährigen) an.

      Aus meiner Sicht sind diese durch andere Aktionen gestützte und ergänzte Maßnahmen (Ideen) weitreichender als die von ein bis vier Dutzend anderer und größerer Theater zusammengenommen.

      Viele und zwar herzliche Grüße (nach Wien? Sehnsucht!)
      Heinz Koch

    2. ja stimmt, das „je“ habe ich überlesen. ;-) Dann ist der Preissprung wirklich nicht sehr groß, da machen die 1 Euro-Sprünge wenig Sinn.

      Ich glaube auch, dass günstige Tickets alleine nicht ausreichen, da hast Du schon recht. Welche gut ankommen, hängt dann auch von den örtlichen Gegebenheiten ab. Kindergarten ist toll!

      Wann kommst Du denn wieder mal nach Wien? 25 Grad und Sonne, wär das nicht was? :-)

  3. Vom Prinzip her finde ich die Idee sehr spannend und könnte mir vorstellen, dass allein durch die Möglichkeit, so sein Ticket zu bezahlen, eine große Öffentlichkeitswirkung erziehlt wird.

    Aber ich denke, dass das Preisniveau für Kulturveranstaltungen nicht so hoch ist als dass der Preis mit 1€ pro Jahr attraktiv wäre. Eher, 0,50€ Pro Jahr. Das fände ich angemessen und attraktiv zugleich.

    Und ich könnte mir vorstellen den Ü30 Konzertbesuchern die Wahl zu lassen, ob sie den konventionellen Preis zahlen möchten oder den Preis ihres Alters*0,50€.

  4. @Gustav Reck: stimmt, die Öffentlichkeitswirksamkeit ist bei den ersten sicher wesentlich höher als bei der Nummer 157.

    Zu den Ticketpreisen: klar, wenn die Preise nicht so hoch sind, dann würde ich auch eher mit 50 Cent pro Jahr steigern. Das klingt vermutlich noch attraktiver. :-)

    Die Idee, den Ü30-Besuchern die Wahl zwischen beiden Varianten zu lassen, ist klasse, auf diese Weise können die Besucher ihre Kultureinrichtung im kleinen Rahmen unterstützen.

    Das bringt mich auf eine weitere Idee: man kann den Preis natürlich auch ab einem bestimmten Alter, z.B. 60 wieder pro Jahr um 50 Cent oder einen Euro reduzieren. Das Thema Geld kann auch im Alter eine Rolle spielen.

  5. @Christian Henner-Fehr
    die Rabatt-Idee finde ich auch gut, je nach zu erwartender Altersstruktur kann man sein Angebot damit anpassen.
    Natürlich darf es nicht zu kompliziert werden ;)

    Ich denke jetzt ernsthaft darüber nach im November bei einem Projekt von ensemble1800 so ein altersbezogenes Modell in die Tat umzusetzen.

  6. @Gustav Reck: stimmt, zu kompliziert darf es nicht werden, eine zuverlässige Altersangabe ist schon Herausforderung genug.

    Ich bin gespannt, ob sich so ein Modell realisieren lässt und stelle es dann gerne noch mal in einem Blogpost vor.

  7. Eins muss ich noch nachschieben: Ihr dürft nicht vergessen, dass an jeder verkauften Karte andere noch mitverdienen. Die KSK will Kohle, die Bayerische Versorgungskammer, der jeweilige Verlage. Besonders bezüglich der Tantiemenabgabe ist man nicht ganz frei. Da gibt es (variierende) Auflagen. Deswegen gibt es auch die sogenannte „Steuerkarte“ (für Berufskollegen), die meist nicht unter 5.- € abgegeben wird.

    1. PS: Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie diese scheinbar so verlockenden Geschichten sich bürokratisch auswirken (Prozentberechnungen, Nachweise) – ein Zwei-Personen-Betrieb ist da überfordert. Wir hatten gerade eine Betriebsprüfung – da man Theatermachen nirgendwo studieren kann und selbst der beste Steuerberater überfordert ist, tappt man in jede Menge Fallen. Ich könnte ganze Opern davon singen, nicht bloß ein Lied.

  8. Na gut, aber Dein jetziges System und alle die Sondergeschichten benötigen ja den gleichen bürokratischen Aufwand, Heinz. Das ist kein Grund, auch mal ein anderes Modell auszuprobieren. Sonst brauchen wir ja gar keine Veränderungen mehr…

  9. Ich finde die PYA-Idee nicht sonderlich gut. Allein schon deshalb, weil unter Marketing-Aspekten 50 Cent pro Lebensjahr deutlich schlechter zu kommunizieren sind. Ein 17-jähriger Schüler müsste dann ja… ääähhhh… 8,50 € zahlen. Vielleicht unterschätze ich die Jugend von heute, aber mir ist das ein „äääähhh“ zu viel. Außerdem zahlen in den meisten Theatern Schüler eh nicht mehr. Wenn ein Theater inflationsbedingt dann aufschlagen muss, wird es noch schwieriger. Verlangt man dann 60 Cent pro Lebensjahr??? Dann doch lieber „Pay What You Want/Can“ inkl. Preisempfehlung für die Orientierungssuchenden…

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