Die Deutsche Oper am Rhein: rettungslos verloren?


Extraschicht 2011 – Duisburg„; By Jens Pletsch (CC-Lizenz)

Während das Autorenteam des Kulturinfarkt nur im Konjunktiv darüber sprach, was denn wäre, wenn man der Hälfte der Kultureinrichtungen die finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand verweigern würde, sieht die Realität ganz anders aus. Der Stadt Duisburg fehlt das Geld, um die Opernehe mit Düsseldorf aufrecht zu erhalten. Zwar sind die 11 Mio. Euro, mit der Duisburg die Rheinoper unterstützt, als Schnäppchen zu bezeichnen, aber nachdem die Stadt in den nächsten zehn Jahren 80 Mio. Euro einsparen muss, wollen die Verantwortlichen auch Kunst und Kultur bei ihren Sparbemühungen nicht ausnehmen.

Grundsätzlich ist das nachvollziehbar, denn warum sollte ein Bereich gegenüber den anderen bevorzugt werden? Nur so ganz einfach ist es nicht, denn den meisten Kultureinrichtungen fehlt die finanzielle Manövriermasse. Die Personalkosten steigen regelmäßig, das Gesamtbudget muss aber gleich bleiben, da weder private Geldgeber noch die öffentliche Hand höhere Beträge bereitstellen wollen bzw. können. Das bedeutet, die Summen, mit denen „gearbeitet“ werden kann, schrumpfen und sind irgendwann ganz verschwunden. Ab diesem Zeitpunkt kann ein Kulturbetrieb zwar noch seine MitarbeiterInnen bezahlen, aber es ist kein Geld für Inszenierungen, Ausstellungen, etc. da. Das wäre dann der Moment, wo man eigentlich zusperren muss und immer häufiger geht es um genau diesen Punkt.

Um diesem Dilemma zu  entkommen, müsste man die Bedeutung von Kunst und Kultur hervorheben und herausarbeiten, warum diese bedien Bereiche von den Sparbemühungen auszunehmen sind. Wer als Fan von Kunst und Kultur gesehen hat, wie schnell öffentliches Geld in den Finanzsektor gepumpt werden kann, wird sich fragen, warum das nicht auch im Kunst- und Kulturbereich möglich ist, zumal es hier doch meist nur um ein paar Millionen geht?

Interessant ist die Begründung: Banken haben Geld bekommen, weil sie systemrelevant sind. Gleiches wird vom Kunst- und Kulturbereich behauptet, nur ist die Systemrelevanz wohl auf einer anderen Ebene angesiedelt. Wenn Kunst und Kultur gesellschaftsrelevant sind, dann muss das in der Gesellschaft auch akzeptiert werden. Das bedeutet nicht, dass diese Relevanz einmal beschlossen als unangreifbar gilt. Im Grunde genommen muss sie immer wieder neu ausverhandelt werden. Das heißt, es macht wenig Sinn, die für die Rheinoper benötigten Summen mit den Beträgen zu vergleichen, die in den Finanzsektor geflossen sind. Eigentlich geht es darum, die Relevanz von Kunst und Kultur herauszuarbeiten und einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen.

Davon sind wir aber leider weit entfernt, glaube ich. Wenn ich mir in der ZEIT die Kommentare auf den Artikel „Verwahrloste Finanzen“ anschaue, dann wird da schnell deutlich, dass die Subventionierung von Kunst und Kultur von vielen vehement abgelehnt wird. Das ist das Recht von uns allen, erschreckend sind allerdings die Begründungen. Wenn es dort heißt, Oper sei „Bonzenkultur, da geht nur rein, wer einen Benz in der Garage hat“, dann stellt sich mir die Frage, ob diejenigen, die an die Systemrelevanz von Kunst und Kultur glauben, in der Vergangenheit nicht den Fehler begangen haben, die richtige Argumentation dafür zu finden.

Wenn in der Facebookgruppe „Für den Erhalt der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg“ Kritikern entgegnet wird:

„Nimm dir einfach mal ein Buch über Musikgeschichte und lies es, dann wirst du darauf kommen, dass es nicht von ungefähr kommt, dass es in Deutschland so eine vielfältige Orchesterlandschaft gibt und dass wir weltweit dafür bewundert werden und als Nation große Anerkennung bekommen“,

dann spricht daraus eine Haltung, die ich als arrogant und überheblich bezeichnen würde. Auf der Ebene könnte ich dem Verfasser obiger Zeilen raten, doch mal ein Buch über die Geschichte der Menschheit in die Hand zu nehmen, um zu erkennen, dass alles vergänglich sei, auch ein Opernhaus.

Ich finde es gut, dass es eine Online-Petition zur Rettung der Deutschen Oper gibt. Aber das ist nicht genug. Wenn es uns nicht gelingt, die KritikerInnen von Kunst und Kultur ernst zu nehmen, uns wirklich mit ihnen auseinander zu setzen und Argumente zu finden, die für den Erhalt von Theatern, Museen und Opernhäusern sprechen, dann wird es sie vermutlich bald nicht mehr geben. Und es ist unsere Schuld, denn jemand als Deppen zu bezeichnen, weil er meine Ansicht nicht teilt, war noch nie eine Strategie, die zum Erfolg geführt hat.


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23 Antworten zu „Die Deutsche Oper am Rhein: rettungslos verloren?“

  1. Danke für diesen so wichtigen und ernsthaften Beitrag. Es geht in dieser Diskussion im Kern auch um die Ökonomisierung von menschlichen Lebensbereichen. Wir haben das bei der Energie erlebt, erleben es ganz aktuell bei der Gesundheit und natürlich auch zunehmend im Bildungs- und Kulturbereich. Der Gemeinwohlgedanke geht dabei mehr und mehr verloren. Das ist ein Aspekt, den ich in der ganzen Diskussion vermisse. Wo ist eine Ökonomisierung sinnvoll, wo eben nicht?

  2. Ja, ich finde, die ketzerische Kulturinfarkt-Frage darf man schon mal stellen: Was ist so schlimm daran, wenn die Duisburger 10 Minuten nach Essen fahren, und dort in die (bessere) Oper gehen? Oder nach Düsseldorf? Ich denke, mit dem Versuch, Kultureinrichtungen für systemrelevant zu erklären wird man nicht weit kommen. Denn die Systemrelevanz von Kultur ist nicht abhängig von Einrichtungen, schon gar nicht von so (liebenswert) anachronistischen wie Opernhäusern oder Theatern. Die Systemrelevanz liegt in den Köpfen und wird sich die entsprechenden Kanäle in die Welt schon suchen, auch wenn alle Einrichtungen dicht gemacht sind. Das Problem der Argumente ist in meinen Augen, dass die wirklich nachhaltig überzeugenden sich nur auf der Bühne bringen lassen. Wer aber nicht ins Theater geht, den können diese Argumente auch nicht erreichen. Insofern meine ich: sobald sich das Theater rechtfertigen muss und die Debatte führen muss, hat es schon verloren. Idealerweise wäre es so gut, sein Mehrwert so offenkundig, dass diese Debatte gar nicht erst aufkommt. Gut, das ist jetzt zu spät. Jetzt bleibt die Hoffnung in die Petition und im glücklichsten Fall ein paar Jahre Verschnaufpause bis das Geld wieder nicht mehr reicht.

  3. Die Existenzberechtigung der deutschen Theaterlandschaft aus Jahrhunderten der Kleinstaaterei abzuleiten (genau das ist nämlich der „geschichtliche Hintergrund“), ist natürlich Unsinn. Richtig ist hingegen die Beobachtung, dass diese hiesige kulturelle Vielfalt weltweit bewundert wird und daher auch mal als Image-Faktor für den Standort Deutschland gesehen werden könnte…

    Ich habe den Eindruck, dass die Autoren des „Kulturinfarkts“ in den letzten Jahren nicht allzu oft in der Oper oder im Theater waren. Offenbar geben in der öffentlichen Diskussion nicht die leidenschaftlichen Kulturgänger den Ton an, sondern diejenigen, die vom Schreibtisch aus die Relevanz von Kultur zu beurteilen versuchen oder in Online-Kommentaren die beschriebenen Stammtisch-Parolen absondern. Geht doch einfach mal hin. Regelmäßig. Oder äußert euch zu anderen Themen,

    Meine ganz persönliche Meinung ist:

    – die gesellschaftliche Relevanz subventionierter Kultureinrichtungen ist gegeben, wenn die Leute hingehen, etwas positives mitnehmen und deshalb wieder hingehen, ihre Kinder dafür begeistern. Immer, wenn ich mich im Zuschauersaal umsehe, finde ich dies bestätigt – sowohl in Berlin als auch in Halle oder Chemnitz. Allein was heutzutage im Education-Bereich geschieht, hat doch gesellschaftliche Relevanz! Und: welche gesellschaftliche Relevanz haben denn andere Bereiche, die direkt oder indirekt subventioniert werden?

    – Theater und Oper müssen nicht deshalb subventioniert werden, weil es sich um eine besonders „heere“ Form der Kunst handelt – der arrogante Begriff „Moralische Anstalt“ gehört aus meiner Sicht abgeschafft – sondern weil diese Kunstform anders nicht überleben kann.

    – mit der Schließung von Kultureinrichtungen lässt sich kein Haushalt sanieren – ebensowenig mit der Schließung von Schwimmbädern oder Kitas. Jeder weiß das. Fast alle ignorieren das. Die Kultur verschwindet, die Haushaltslöcher bleiben.

  4. @Kulturblogger
    Du schreibst, die Systemrelevanz von Kultur sei nicht abhängig von Einrichtungen. Stimmt. Aber es lässt sich wohl kaum leugnen, dass die Existenz der Kunstform Oper an entsprechende Institutionen und deren Finanzierung geknüpft ist. Wollen wir diese erhalten, kommen wir an staatlichen Subventionen nicht vorbei.

  5. @comisch: ja, das stimmt. Wir erleben genau das, was Jeremy Rifkin im Jahr 2000 in seinem Buch „Access“ beschrieben hat. Und auch dort ist vom öffentlichen EIgentum die Rede, von dem niemand ausgeschlossen werden kann. Grundlage sind Gesellschaftsverträge, also genau das, was heute nach und nach verschwindet.

    @kulturblogger @hagen kohn: Christian, wie Du richtig schreibst, haben Kultureinrichtungen schon verloren, wenn darüber diskutiert wird, ob sie geschlossen werden sollen oder nicht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass man mit dem Kulturbudget keinen Haushalt sanieren kann, wie Hagen meint. Das Problem ist doch aber, dass wir behaupten, Kunst und Kultur wären wichtig, aber es gelingt uns anscheinend nicht, das auch entsprechend zu begründen. Der Education-Bereich, den Hagen anspricht, ist da, so denke ich, ein ganz wichtiger Punkt. Aber er taucht nur selten auf und in der Praxis ist es der Bereich, der am schnellsten seine finanziellen Mittel verliert.

    Für mich liegt das Problem darin, dass der Mehrwert von Kunst und Kultur in einem Bereich liegt, der für viele nicht mehr relevant ist. Ausgehend von der Typentheorie Bertrand Russells und der Lerntheorie Gregory Batesons hat Robert Dilts die logischen Ebenen des NLP entwickelt. Der Wert von Kunst und Kultur besteht nur auf ganz bestimmten Ebenen, besonders ausgeprägt vermutlich auf der Ebene IV dieses Modells. Wer sich aber auf einer anderen Ebene bewegt, für den spielen Kunst und Kultur keine Rolle. Unsere Aufgabe ist es, und diese Aufgabe geht weit über den Bereich von Kunst und Kultur hinaus, sämtliche Ebenen im Blickfeld zu behalten.

    Solange uns das nicht gelingt, wird jeder immer nur auf seiner Ebene argumentieren und liefert damit aber Argumente, die für die anderen gar nicht zählen. So reden wir eigentlich ständig aneinander vorbei und das gar nicht unbedingt absichtlich.

  6. weil das hier so gut reinpasst zu der Frage, was denn der Mehrwert von Kunst eigentlich ist. Martin Krusche bringt das in einem seiner Vorträge eigentlich sehr schön auf den Punkt, es lohnt sich, die 7 Minuten zuzuhören. Hier ist der Link zum Audiofile (13MB).

  7. Ich stell mich mal ganz dumm und frage erst einmal, was denn „Kunst und und Kultur“ in diesem Kontext eigentlich bedeutet? Ist streetart Kunst? Bestimmt! Gehört z.B. Bushido in den Reigen der Kulturschaffenden? Ohne Zweifel! Warum werden Opern und Schauspielhäuser mit öffentlichen Mitteln subventioniert, Bushido und streetart aber nicht? Irgendetwas bereitet mir da Kopfzerbrechen. Ihnen/Euch auch?

  8. Kulturbloggers Frage „Was ist so schlimm daran, wenn die Duisburger 10 Minuten nach Essen fahren, und dort in die (bessere) Oper gehen?“ hört man oft, sie bleibt trotzdem falsch gestellt. Nichts ist natürlich schlimm daran. Das Problem ist aber, dass diese so schön dichte Theaterlandschaft genau in einer Region angesiedelt ist, in der sich eigentlich der reinen Freiwillige-Leistungen-Einsparen-Logik nach überhaupt keine Stadt mehr Theater, Oper etc. leisten kann. Das Innenministerium hat dazu eine „schön“ gruselige Karte produziert, die das deutlich zeigt: http://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Bilder/Themen_und_Aufgaben/Kommunales/2012-02-01_HSK_Karte_31_12_2011_2.pdf Dass es jetzt um eine der beiden (Krefeld-Mönchengladbach ist die andere) alten „Bühnenehen“ geht, macht auch klar, dass es jetzt selbst die Städte trifft, in denen immer schon jeder Kultur-Euro bzw. jede Mark mehrfach umgedreht wurde, ehe er/sie ausgegeben wurde.

    Schön gesagt ist auch, dass schon verloren hat, wer in Frage gestellt wird. Dann könnten wir – meine Erfahrung nach 20 Jahren Kulturarbeit in öffentlicher Auseinandersetzung – eigentlich fast alles dicht machen. (Ich denke nur gerade an den – ja: – Hass, der den Künstlern in der Urheberrechtdebatte – entgegenschlägt, die totale Abwertung alles künstlerischen Tuns ist atemberaubend) Das Problem sind nämlich nicht nur individuelle Versäumnisse der einzelnen Institutionen, sondern wir ernten das, was 30 Jahre Versäumnisse in der kulturellen Bildung an Schulen gesät haben.

    Zum Glück ist es ja so, dass eine hochnäsige Bildungsbürgerattitüde, die Christian treffend kritisiert hat, sich heute nicht mehr einfach darauf berufen kann, dass gesellschaftliche Karriere nur machen kann, der auch einen (hoch-)kulturellen Ausbildungsstand vorweisen kann. Unglücklicherweise ist aufgrund des langjährigen Verzichts auf Vermittlung kulturideeller Erfahrungen jedoch kein Wissen um die Freiheits-, Selbst- und Fremderfahrungs-, Glücksmomente durch Kunst/Kultur in diese Leerstelle eingerückt. Stattdessen herrscht der Glauben, man brauche Kultur eben nicht mehr Was bleibt, ist eine Nutzen- und Effektivitätsideologie, die die menschliche Existenz zum Konsumgut degradiert. Und ihre Vertreter sind die ersten, die sich ihr als Opfer darbringen (und uns unglücklicherweise gleich mit). (Soundtrack dazu: Deichkind: Bück Dich)

    Eine These, die alles noch auswegloser erscheinen lässt? Ich glaube, eher ein Ansatz. Ich mag es nicht so gern martialisch, aber m.E . befinden wir uns in einer Art Werte-Krieg. Und wie in einem „echten“ Krieg müssen wir den Ressourceneinsatz umplanen und auf das Wesentliche ausrichten: sprich so ziemlich alles, was wir aufbringen können, in die kulturelle Bildung werfen, um wenigstens mittelfristig wieder die mehrheitliche Zustimmung zu einem inhaltlich reichen und finanziell vernünftig ausgestatteten Kulturleben zu bekommen. Bis dahin (und vielleicht sogar in der Konsequenz dieser Umverteilung) wird noch manches hochkulturelles Kleinod verloren gehen, aber immerhin entwickelt sich daraus eine Perspektive.

    Jesses, ist das lang geworden. Sorry. Wenn man einmal anfängt…

    1. @Thomas: Ich würde sagen, wir ernten, was wir an Versäumnissen im Management von Kultureinrichtungen erleben. Dort hat jahrelang der dünkelhafte Glaube regiert, man müsse sich nicht ums Publikum kümmern, weil man ja alimentiert wird. In den 90er Jahren ist es den ersten Einrichtungen gedämmert, dass sie Probleme bekommen werden, wenn sie nicht langsam mal mit Marketing und Education anfangen. Heute zeigt sich, dass das für einige leider schon zu spät war.

      @Thomas und @Christian:
      Dass man Kultur nicht braucht, oder Kunst und Kultur für viele keine Rolle spielt, halte ich nicht für richtig bzw. nur auf traditionelle Formen der Kultur bezogen für richtig. Noch nie in der Menschheitsgeschichte hatten so viele Menschen so breiten Zugang zu Kulturgütern und konnten sich selbst auf so vielfältige Weise kulturell/künstlerisch betätigen. Es ist eben nur andere als die bildungsbürgerliche Kultur, die heute weitgehend museal ist. Etwas, aus einer anderen Zeit, das man so befremdet anschaut, wie die Dampfmaschine im technischen Museum.

      @Hagen
      Diese musealen Kultureinrichtungen, da gebe ich dir recht, kommen nicht ohne öffentliche Gelder aus. Die Streitfrage ist dann, wieviel Oper es braucht?!

      @Jörn
      Hagens Argument ist die Antwort auf deine Frage: Oper kriegt öffentliche Unterstützung, weil sie ohne nicht überlebensfähig ist. Bushido kommt auch so ganz gut klar. Was sollte mir da Kopfzerbrechen bereiten? Die Logik deiner Frage bereitet mir mehr Kopfzerbrechen, denn sie läuft darauf hinaus, dass entweder Oper und Bushido oder keiner von beiden Geld bekommen sollte. Was wäre damit gewonnen?

      1. @Christian Du führst mich zur Lösung: Keine Subvention für niemand. Weder eine für Opern noch eine für Bushido. Keine für Banken und für Bauern auch nicht. Es soll das leben, was leben kann. Warum Morbides unterstützen? Ist das nicht wider die Natur der Kultur?

  9. @alle

    Sorry, aber ich habe den Eindruck, dass hier mal wieder sehr aus dem stillen Kämmerlein diskutiert wird.
    Fragt nicht die Autoren des schon zu oft erwähnten Buches, sondern die Besucher des Duisburger Theaters, die Schulen, mit denen das Theater in zahlreichen Projekten zusammenarbeitet. Wenn ich also nochmal meine (vielleicht etwas schlichte) Betrachtungsweise darlegen darf:

    – die „Relevanz“ einer Kultureinrichtung ergibt sich aus der Akzeptanz der Besucher. Millionen Besucher und Abonnenten unterstreichen diese Relevanz permanent. Natürlich ist das nicht die Mehrheit und schon gar nicht „die Gesellschaft“, aber doch mehr als ein paar verrückte Kulturliebhaber. Wer den 2-3fachen Preis einer Kinokarte investiert, um sich ein Theaterstück oder eine Oper anzusehen, tut das nicht aus Langeweile, sondern er liebt diese Kunst! Das wird mir allzu oft ausgeblendet. Es spielt keine Rolle was Intellektuelle, Politiker oder Kulturblogger für Relevant halten, sondern ob ein Bedarf seitens der kulturinteressierten Bevölkerung besteht.

    – wenn wir diesem Bedarf gerecht werden wollen, geht es nicht ohne Subventionen! €200 pro Karte kann sich wohl kaum einer leisten.

    – wenn die Theater und Opernhäuser mehr oder weniger ausgelastet sind, gibt es nicht zu viele Theater oder Opernhäuser!

  10. @Jörn: Christian und Hagen haben die Antwort bereits gegeben: die Oper, das Theater, etc. sind nicht marktfähig und bekommen deshalb Geld vom Staat. Diese „Übereinkunft“ kann natürlich aufgekündigt werden, indem z.B. eine Partei ankündigt, die öffentliche Förderung von Kunst und Kultur abschaffen zu wollen und dann die Wahl gewinnt. Ich würde die Frage, wer Förderung bekommt und wer nicht, nicht überbewerten. Die Bahn bekommt auch öffentliches Geld, das Auto nicht. Wer das ändern will, muss die Diskussion beginnen und neue Mehrheiten finden.

    @Thomas: ja, wir sind wirklich an dem Punkt, wo jahrzehntelange Kulturarbeit in Frage gestellt wird und die Früchte dieser Arbeit sich in Nichts auflösen. Nur wirst Du das nicht dadurch verhindern können, indem Du der Gegenseite vorwirfst, sie würden KünstlerInnen hassen. Wir leben in einer Zeit, in der generell viele Formen von Arbeit eine Entwertung erfahren, zu glauben, das würde nur die Kunst betreffen, ist etwas weltfremd.

    Da kann ich mit dem zweiten Teil Deines Kommentars mehr anfangen. Du nennst es Wertekrieg, was zugegeben martialisch klingt, aber Du liegst damit, so denke ich, schon richtig. Dein Vorschlag, auf kulturelle Bildung zu setzen, ist in meinen Augen auch der richtige, allerdings vor dem Hintergrund, dass sich das Umfeld von Kunst und Kultur gerade fundamental verändert. Kunst, vor allem die öffentlich finanzierte Kunst zementiert gesellschaftliche Hierarchien, auch wenn in einem Kommentar zur Rheinoper jemand meinte, er sei als Zuschauer nicht elitär. das mag für die einzelne Person durchaus so sein, aber Oper und Theater gehören in ihren Ausprägungen als Staats-, Landes- oder Stadttheater sicher nicht zu den Institutionen, die zur Umwälzung gesellschaftlicher Strukturen beitragen.

    Aber wir erleben diese Umwälzungen gerade, in deren Folge wir uns vermutlich endgültig vom Geniegedanken verabschieden können. Peter Weibel hat vor zwei Jahren von den „Idioten“ gesprochen, mit denen das Museum konfrontiert wird (siehe dazu mein Blogpost „ Museum, Kunst und Web2.0: die ‚Idioten‘ kommen „). Das Publikum bekommt eine ganz neue Rolle, die nicht allen KünstlerInnen gefällt.

    @Christian: dass wir die Kunst brauchen, steht außer Zweifel, vor allem im Hinblick auf das, was Martin Krusche gesagt hat (siehe meinen letzten Kommentar). Das gilt aber nur für die gesellschaftliche Ebene, der Arbeiter, der gerade seinen Arbeitsplatz verloren hat und nicht weiß, wie der seine Miete zahlen soll, wird für Kunst und Kultur nur sehr wenig übrig haben. Hier gilt es zu differenzieren, ansonsten läuft die Behauptung, wir würden Kunst brauchen, ins Leere.

  11. @christian: Was heißt „nicht marktfähig“? Das bedeutet doch wohl, dass die Adressaten nicht das für ein Produkt zahlen wollen, was es einem Produzenten erlauben würde, dieses wenigstens kostendeckend zu produzieren.
    Für den Produzenten bedeutet das gemeinhin eine Pleite=das Ende seines Geschäfts. Bei Opern, Symphonikern, defizitiären Museen etc. sollen diese Gegebenheiten der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt werden.
    Ich versteh nicht warum und bitte um eine Aufklärung, die auch ich Kulturtrottel verstehen kann. Warum gibt es Steuermittel für die Zauberflöte aber kaum welche für die „Verreckten Hühner“, Bushido oder andere, die am Puls der Zeit sind? Für Kulturschaffende, die ein Publikum haben.
    Pardon, ich finde die herrschende Subventionspolitik als reichlich überholt . Einfach nur, weil sie das Publikum ignoriert und nicht gewichtet. Was Wenigen gefällt bekommt viel Geld. Was vielen gefällt bekommt wenig Geld.

    Ist das korrekt? Nee, ist es nicht. Ganz und gar nicht!

  12. […] Dass der Weg der Petition der richtige ist, daran habe ich allerdings so meine Zweifel. “Eigentlich geht es darum, die Relevanz von Kunst und Kultur herauszuarbeiten und einen gesellschaftl…“, schreibt aktuell Christian Henner-Fehr. Genau so sehe ich das auch. Um es einmal ganz […]

  13. @Christian: Ich weiß nicht, wo Du bei mir gelesen hast, ich würde die Entwertung von Arbeit ausschließlich bei Künstlern wahrnehmen, das hab ich nirgendwo behauptet. Insofern finde ich die Keule, ich dächte weltfremd, nicht ohnehin deutlich zu groß gewählt, sondern insgesamt unpassend. Dass diese Entwertung kein Einzelphänomen ist, macht die Sache für die Kunst freilich nicht besser.

    Auch werfe ich nicht „der Gegenseite“ vor, „die Künstler“ zu hassen. Ich habe nur im Rahmen der Urheberrechtsdebatte Mails und Kommentare lesen müssen, deren Aggressivität gegenüber der Ansicht, dass das, was ein Künstler schafft, sein Eigentum ist, über dessen „Nutzung“ zu bestimmen er das Recht hat, auf erschreckende Weise maßlos war. Diese Mails erklärten Künstler zu Schmarotzern, die keine individuelle Leistung erbrächten, sondern das, was in der (Kultur-)Geschichte der Menschheit bereits geschaffen wurde, schlicht neu kompilierten und es als eigene Schöpfung verkauften. Die Aussendung von Mailbomben gegenüber Andersdenkenden, der Versand von wirklichen Hass- und Drohmails sind Fakt, keine polemische Behauptung. Ich will diesen Thread nicht in eine Urheberrechtsdebatte drehen, dies nur zur Erläuterung, dass meine Feststellung eine Analyse meiner Erfahrungen und der von KollegInnen ist. Meine Antwort darauf bleibt die Notwendigkeit kultureller Bildung, die Vermittlung der Erfahrungschancen durch Rezeption und Produktion von Kunst und der Achtung gegenüber den Leistungen anderer.

    Schließlich hat m. E. die Feststellung, dass das Schreiben eines Buches oder eine Songs, das Inszenieren eines Theaterstücks, die Produktion eines Videos, Gemäldes, Fotos ein eigenständiger kreativer Schaffensakt ist, nichts mit irgendeinem verquasten „Geniegedanken“ zu tun. Es gehört Talent dazu und eben viel Wissen und Handwerk. Das hat nichts mit Elitarismus zu tun. Das würde man ja auch nicht jemandem vorwerfen, der seine Gasheizung nicht von jedem reparieren lassen will, der einen Schraubenzieher besitzt.

    @kulturblogger: Deinen ersten Absatz mit Hinweis auf die Versäumnisse der Institutionen sehe ich nicht als Widerspruch, sondern als zweiten Aspekt in der Vernachlässigung der kulturellen Bildung. Insofern d’accord. Um darüber zu sprechen, wie museal das Bildungsbürgerkulturgut ist, müsste man erst definieren, was das denn ist. Ich glaube, dass vieles immer noch Relevanz hat. In der Tat ist der Kulturbegriff aber nie so ausdifferenziert gewesen wie jetzt und das ist gut so. Ich weiß aber aus privater wie beruflicher Erfahrung, dass Ki. & Ju. so sehr damit beschäftigt sind, die Massen an rezeptiver Kulturerfahrung zu organisieren, dass es immer schwieriger für sie wird, kritische Distanz und Reflexion zu gewinnen, von aktiver Aneignung ganz zu schweigen (und das sind m. E. Grundqualitäten von Kultur und menschlicher Existenz). Kulturelle Bildung heißt da zum Beispiel, ein Bewusstsein für die Wirkmechanismen medialer Produkte zu schaffen. Es ist faszinierend zu verfolgen, was da an positiver Entwicklung herauskommt.

  14. @Thomas: ich beziehe mich auf diesen Satz: „Ich denke nur gerade an den – ja: – Hass, der den Künstlern in der Urheberrechtdebatte – entgegenschlägt, die totale Abwertung alles künstlerischen Tuns ist atemberaubend.“

    Da ist nur von Künstlern die Rede und sonst von niemandem. Aber ich gebe zu, ich reagiere mittlerweile gereizt, wenn Künstler das Urheberrecht verteidigen und davon sprechen, wie böse und ungerecht die Welt ist. Spätestens, seitdem ich mich als Gegner des jetzigen Urheberrechts in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt sehe, habe ich so meine Probleme, wenn jemand von Hass spricht. Tut mir leid, dass es Dich hier getroffen hat.

    @Jörn: ich würde Theater oder Museen nicht unbedingt mit Bushido vergleichen. Theater oder Museen haben eine Aufgabe, für die sie Geld bekommen, die Museen z.B., dass sie Kunst bewahren und darüber hinaus forschen. Das macht Bushido nicht, der singt einfach nur und ist eher vergleichbar mit einem Autor, dessen Stück an einem Theater gespielt wird. Für das hat er aber auch Geld bekommen, ähnlich wie Bushido.

    Aber Du hast natürlich recht, was an Kunst und Kultur finanziert wird, legt die Politik fest, deren VertreterInnen von uns gewählt werden. Wenn Du der Meinung bist, dass Museen, Theater. etc. keine öffentlichen Gelder mehr erhalten sollen, dann musst Du nur die entsprechenden Parteien wählen oder die öffentliche Meinung so beeinflussen, dass Deine Ansicht mehrheitsfähig wird. Ob ich als Einzelner das dann gut oder schlecht finde, spielt nur eine untergeordnete Rolle.

    Das enthebt die geförderten Kultureinrichtungen aber nicht ihrer Pflicht, auch auf das Publikum einzugehen. Behaupte zumindest ich, denn es gibt genügend andere, die das nicht so sehen.

    1. —-KEINE ANGST! DER BEISST NUR. DER WILL NICHT SPIELEN — ;-)

      Dein ZITAT: „Theater oder Museen haben eine Aufgabe, für die sie Geld bekommen, die Museen z.B., dass sie Kunst bewahren und darüber hinaus forschen.“

      a) die weitaus meisten Museen befassen sich nicht mit Kunst, sondern mit dem kulturellen Erbe unserer Gesellschaft. Nicht zuletzt, damit wir morgen noch wissen, was gestern war. Um uns daran zu orientieren, daraus zu lernen, Anregungen zu bekommen oder was auch immer. Von der Funktion her ähnelt es einem Tagebuch. Die Förderung von Identitäten ist sicher nicht schlechtetste …. > Sie schaffen Heimat.

      b) Kunstmuseen haben daneben meist weitere Funktionen. Etwa die der Repräsentation, nicht selten auch die der Gewinnvermehrung (für Leihgeber) und die der sozialen Selbstvergewisserung. „Ich geh ins Kunstmuseum. Ich bin also ein Kulturmensch.“ Wird bei anderen Museumstypen so wohl kaum gedacht.

      c) mit Theatern kenne ich mich nicht so gut aus. Wofür bekommen sie Subventionen? Was ist ihre Funktion? Wo forschen sie?
      Oder anders gefragt: Was wäre, wenn es sie nicht gäbe? Was würde dann passieren? Ich bin mir sehr sicher, dass es auch ohne Subventionen Theater gäbe. Aber ganz andere.

      Weiteres Zitat: „Das macht Bushido nicht, der singt einfach nur und ist eher vergleichbar mit einem Autor, dessen Stück an einem Theater gespielt wird. Für das hat er aber auch Geld bekommen, ähnlich wie Bushido.“

      Öhm, was tun Opernsänger und Theaterschauspieler anderes, als einfach nur zu singen und zu schauspielern? Und könnten sie das nicht auch, wenn es keine subventionierten Spielorte gäbe? Na klar könnten die das. Und wie!

  15. @Jörn: mir geht es nicht darum, öffentliche Förderungen zu verteidigen. Wir haben uns als Gesellschaft darauf geeinigt, dass Kunst und Kultur unterstützt werden. Gefördert wird meist, was politisch, gesellschaftlich und auch künstlerisch opportun ist. Die Kriterien dafür können sich ändern, was dazu führt, dass plötzlich KünstlerInnen Geld bekommen, die vorher als nicht förderwürdig galten. Nehmen wir als Beispiel Hermann Nitsch, der erst polizeilich verfolgt wurde und heute mit höchsten staatlichen Auszeichnungen dekoriert wird.

    Die Frage ist: wer entscheidet eigentlich, was förderwürdig ist und was sind die Kriterien? Ich glaube auch, dass es Kunst auch ohne Förderung geben würde. Wie die dann ist, wissen wir nicht, denn es gibt keine Testphase. Aber Du könntest ja mal eine Aktion zur Abschaffung öffentlicher Förderungen initiieren. Reden kann jeder. ;-)

    1. @Christian: Was heißt denn “ Wir haben uns als Gesellschaft darauf geeinigt, dass Kunst und Kultur unterstützt werden. Gefördert wird meist, was ist.“?

      Ja, Kunst und Kultur sollen meinethalben unterstützt werden, obwohl es sie auch ohne Förderung geben würde. Mir geht es aber mehr darum, welche Ausdrucksformen der Kultur gefördert werden und in welchem Maß. Bekommt nicht die „Rentnerkultur“ überproportional mehr Unterstützung als die Kultur, die ein eher jugendliches Publikum anspricht?

      Was ist „politisch, gesellschaftlich und auch künstlerisch opportun“? Opportun ist, was gefällt. Doch wem? Was würde passieren, wenn man etwa in Bonn oder Wien darüber abstimmen ließe, wohin die Millionen der Kulturförderung fliessen sollen? In Opern oder Rockkonzerte? In kleine oder große Theater? Sollen die Mittel eingesetzt werden, bereits arrivierte Künstler zu unterstützen oder jungen Künstlern eine Perspektive zu eröffnen? Heute bedienen sich „die da oben“ der finanziellen Mittel von „denen da unten“, um ihre Kulturhoheit aufrecht zu erhalten und sie als Mittel der sozialen Abgrenzung zu missbrauchen. Aber das muss ja nicht so bleiben. Oder?

      Nie käme ich auf den Gedanken, eine Initiative zur Abschaffung öffentlicher Kulturförderung einzuleiten. Warum nur? Ich habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass es Kultur immer gibt. Auch ohne öffentliche Förderung. Und dass diese „echte“ Kultur anders aussähe, als die geförderte. Siehst Du das anders?

      PS: „Ein Opportunist ist ein „Jenachdemer“.“ (Wilhelm Busch) Ein Mensch ohne eigene Meinung. (Jörn Borchert)

  16. @Jörn: Du versuchst jetzt gerade einen Widerspruch zu konstruieren, wo keiner ist. Angenommen, Du bist zu den letzten Wahlen gegangen und hast Deine Stimme für eine Partei aus dem gesamten Spektrum abgegeben, dann hast Du damit das jetzige Fördersystem und auch die Art und Weise, wie das Geld vergeben wird, unterstützt. Du kannst das jetzt hier alles hinterfragen, Dein gutes Recht. Aber wenn Du richtigerweise feststellst, dass mit diesen Geldern die „Kulturhoheit“ der „da oben“ zementiert wird, dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, warum Du nicht die Abschaffung dieses Systems forderst, wo doch die „echte Kultur“ das gar nicht braucht?

    Schön, wenn Du darauf hinweist, dass jemand ohne eigene Meinung ein Opportunist ist. Aber was ist das dann, wenn Du hier in den Kommentaren die Revolution ausrufst, ansonsten aber nichts gegen die Abschaffung des bestehenden Systems unternehmen willst? So ganz verstehe ich Dich da jetzt ehrlich gesagt nicht…

    1. @Christian: Ok, dass mit den Wahlen ist so eine Sache. ich habe denen alle meine Stimmen gegeben, von denen ich denke, dass sie leidlich in meine Richtung denken. Welche Partei das in NRW war, kannst Du Dir denken. Ich hoffe, das jetzige Fördersystem damit möglichst wenig unterstützt zu haben.

      Bleib mal ganz ruhig. Auch ich denke, dass wir alle Kulturformen brauchen. Sogar die, die ich nicht mag. Vielleicht mögen andere die ja. Ich bin ein überzeugter Demokrat. Gerade deshalb möchte ich, dass die Kulturfördermittel so verteilt werden, dass sie allen zugute kommen. Nicht nur den Klugen, sondern auch Doofen wie mir.

      Eine Kulturrevolution würde mir persönlich natürlich größte Freude machen. Widerspricht aber meiner demokratischen Überzeugung. Nee, die Revolution ist das ganz falsche Mittel. Der den Stein aushöhlende Tropfen gefällt mir da besser. Deshalb schreibe ich hier übrigens. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn die Plätze in der Oper nur noch mit 50 statt 150 Euro suventioniert würden und die dadurch freiwerdenden Mittel mal dort eingesetzt würden, wo ich mich wohlfühle. Eben nicht in der verschwenderischen Großkopfkultur….

  17. @Jörn: ich denke, sinkende Beiträge pro Sitzplatz erlebst du schon jetzt, allerdings hat das eher mit der Finanznot zu tun und entspringt nicht unbedingt strategischen Überlegungen. Wenn Du keine Revolution willst, sondern auf den steten Tropfen setzt, dann fehlt mir da jetzt ein wenig die Argumentation.

    Natürlich dienen Kultureinrichtungen auch Repräsentationszwecken und natürlich nutzen wir den Besuch in einem Museum auch dafür, um uns damit zu schmücken. Die Frage ist doch jetzt, wo setzt Du an? Angenommen, Du streichst die Förderung eines Sitzplatzes von 150 auf 50 Euro zusammen, dann kannst Du davon ausgehen, dass, wenn überhaupt, nur noch das Personal gezahlt werden kann. Allerdings steht für die Produktionen kein Geld mehr zur Verfügung. Jetzt wäre es interessant, sich zu überlegen, wie man dieses Problem lösen kann.

    Auf der anderen Seite dienen Kunst und Kultur immer auch Repräsentationszwecken. Wie willst Du es schaffen, dass diese repräsentative – und geförderte – Kunst nicht mehr dazu dient, bestehende (Macht)-Strukturen zu erhalten? Da reicht die Forderung einer Kürzung nicht, denn Du verlangst das von denen, die sich damit an der Macht halten. Insofern ist der Vorschlag blauäugig.

    Am Ende lassen wir uns sonst nur über den teuren Apparat aus, den ein Museum, Theater, etc. benötigt. Das kommt zwar meist gut an, vor allem in der breiten Öffentlichkeit bedienst Du da ein vorhandenes Empörungspotenzial. Die Frage ist aber, was dann kommt? Da müsste jetzt vermutlich schon was kommen, das das bestehende System über den Haufen wirft, alles andere ist zwar nett (oder auch polemisch) gemeint, aber es reicht halt nicht.

    1. JB

      Ja, Kultureinrichtungen wie Museen und Theater dienen auch und nicht zuletzt Repräsentionszwecken. Das ist der Kern des Problems. Warum schmückt es mich, wenn ich ein Theater, eine Oper oder ein Museum besucht habe? Weil ich dann temporär zu „denen da oben“ gehörte und mich damit schmücken konnte? Nee, so sehe ich Museen und andere Kultureinrichtungen nicht. Für mich sind sie Institutionen, die mir potentiell helfen können, die Welt mit anderen Augen betrachen zu können. Das Schmücken überlasse ich den kleinen Mädchen und kleinen Geistern.

      Repräsentation. Das dauernd angeführte Argument. Es macht mich müde. Können nicht auch auch bevölkerungs-/publikumsnahe Angebote etwas repräsentieren? Etwa das Bestreben, denen etwas zu geben, die den ganzen Zinnober letztendlich finanzieren? Warum müssen die kleinen Leute dafür blechen, dass unsere Städte repräsentative Einrichtungen krampfhaft am Leben erhalten, die nur noch die wollen, die nicht akzeptieren können, dass das Gestern vorbei ist und heute andere Vorlieben herrschen? In Bonn gibt es starke Kräfte, die ein Haus für ihr Beethoven-Festival wollen.

      Wirf mal ein Blick auf die Schulen in Bonn. Die meisten sind völig verloddert und in einem erbärmlichen Zustand. Hat das nicht auch was mit Kultur zu tun? Kann man wirklich einen Musentempel fordern, wenn sich das alltägliche Leben der jungen Bonner in Umgebungen (=Schulen) abspielt, das einem übel wird

      Angesichts dieser Tatsachen über den Wert von Repräsentation zu quatschen, erscheint mir reichlich verfehlt. Dir, so wie ich Dich kenne, bestimmt auch.

      Nur die, die davon profitieren, dass ihre Kultur subventioniert wird, reissen den Hals weit auf. Die anderen schweigen stille. Das stützt Kultur – aber nicht die, die ich meine. Die Kultur im Leben.

      Weiternachdenkendgrüßend

      Jörn

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