Praxishandbuch Kulturvermittlung technisches-Museum Wien

Kulturvermittlungs-Teams in Museen anstellen, ein Handbuch zeigt, wie es geht

Vor einem knappen Jahr berichtete eine Kunstvermittlerin in einem Zeitungsartikel über die in ihren Augen fürchterlichen Arbeitsbedingungen im Bereich Kunst- und Kulturvermittlung. Dass die Bezahlung im Kunst- und Kulturbereich schlecht ist, wissen wir alle, viele wissen aus eigener Anschauung, was es heißt, prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt zu sein. Entschuldigt wird das oft mit dem Argument, dass die Arbeit zwar schlecht bezahlt sei, dafür aber Spaß mache. Einerseits ist das eine lausige Begründung, denn schließlich gibt es eine Vielzahl von Jobs, die ebenfalls Spaß machen und darüber hinaus besser bezahlt sind. Andererseits stimmt es traurig, dass zwar viele Kultureinrichtungen vor enormen finanziellen Herausforderungen stehen, dabei aber keine Skrupel haben, diesen Druck nach unten  weiterzugeben. Dort sind oft die Kunst- und KulturvermittlerInnen anzutreffen, die sich als freie MitarbeiterInnen an mehreren Häusern verdingen, um das tägliche Leben finanzieren zu können.

Es ist etwas eigenartig, wenn man sich diesem Thema annähert. Renate Höllwart spricht in ihrem Artikel „Im Auftrag von … Kunstvermittlung – ein Beruf?“ von einer zunehmenden Professionalisierung und einer erkennbaren Aufwertung dieses Arbeitsfeldes. Die ist auch nötig, denn schließlich sind die Vermittlungsteams meist das Bindeglied zwischen den Kultureinrichtungen und seinen BesucherInnen. Wobei Bindeglied vielleicht nicht der passende Ausdruck ist, eigentlich sind sie die Visitenkarte des jeweiligen Hauses. Aber viele Kultureinrichtungen lassen sich nur zögernd darauf ein, obwohl sie sich einem erheblichen Innovationsdruck ausgesetzt sehen und ständig dabei sind, mit neuen Formaten neue Zielgruppen anzusprechen. Dafür gibt es natürlich mittlerweile auch die passenden Studiengänge, aber so ganz scheint das Thema noch nicht angekommen zu sein. Vielleicht ist es nur ein dummer Zufall, aber der Wikipedia-Eintrag zu diesem Thema ist mehr als dürftig, dabei gäbe es zu diesem Thema schon etwas mehr zu sagen, wie diese Publikation zeigt.

Im Technischen Museum in Wien hat man  die Bedeutung der Kulturvermittlung vor einigen Jahren erkannt und den Bereich stark ausgebaut. Das Besondere daran: Seit 2010 sind dort alle KulturvermittlerInnen fest angestellt. Worin die Vorteile einer festen Anstellung liegen, wie man dabei vorgeht und worauf man bei den daraus entstehenden Veränderungsprozessen achten muss, das erfährt man im Praxishandbuch Kulturfairmitteln (Affiliate Link), das von Wencke Maderbacher verfasst worden ist. Das Handbuch, das auch als eBook erhältlich ist, versteht sich einerseits als Anleitung für andere Häuser, zeigt aber auch, wie sich in einem solchen Haus Strukturen aufbauen lassen.

Der Personalentwicklungsplan: Neuland für viele Kultureinrichtungen

Apropos Strukturen: Personalentwicklung, das ist ein Thema, welches in Kultureinrichtungen bis jetzt sträflich vernachlässigt wird. Nicht nur Außenstehende scheinen zu glauben, dass man als MitarbeiterIn in einer Kultureinrichtung gerne für wenig Geld viel arbeitet, weil es einem ja Spaß macht. Auch in den Häusern selbst wird oft die Bedeutung von zufriedenen und motivierten MitarbeiterInnen unterschätzt. Maderbacher zeigt im dritten Teil dieses Buches – ja, ich fange von hinten an -, wie so ein Personalentwicklungsplan für das Vermittlungs-Team aussehen kann, denn letzten Endes geht es ja nicht nur darum, billige und willige Arbeitskräfte an der Hand zu haben, sondern diese langfristig an das Haus zu binden und – in diesem Fall – zu Kulturvermittlungs-ExpertInnen auszubilden.

Wer am technischen Museum als KulturvermittlerIn angestellt wird, durchläuft dem Personalentwicklungsplan folgend vier Phasen. Es beginnt mit einer internen Ausbildung, in der die KulturvermittlerIn die Ausstellungsbereiche und Programme, die Hauptzielgruppen des Hauses und die Vermittlungsmethoden kennenlernt. Natürlich ist es auch wichtig, mit den internen Abläufen des Hauses vertraut zu sein und AnsprechpartnerInnen in den anderen Abteilungen zu haben. Eine ganz wichtige Rolle spielt in dieser ersten, aber auch den folgenden Phasen das Thema Weiterbildung. Im Unterschied zu vielen anderen Kultureinrichtungen muss man sich Weiterbildungen nicht erst „verdienen“, sondern sie sind ein wichtiger Baustein, um die Qualität im Vermittlungsteam zu halten beziehungsweise auszubauen.

„Vermittlungs-Teams haben oft einen heterogenen Background. (…) Das bringt zum einen genau die richtige Spannung und Mischung für kreative Vermittlungsideen. Zum anderen können im Alltag vice versa einerseits Fachwissen, andererseits methodische Fertigkeiten im Team fehlen. Um hier gezielt gegenzusteuern, werden gezielte Schwerpunkt-Schulungen angesetzt…“, (Seite 86)

beschreibt die Autorin die Herangehensweise des Hauses. Diese Ausbildung dauert ein Jahr, dementsprechend ist auch die Anstellung auf ein Jahr befristet, um abzuklären, ob man zueinander passt. In dieser Zeit arbeiten die KulturvermittlerInnen 15 Stunden pro Woche, aufgeteilt sind sie in 80 Prozent Vermittlungen und 20 Prozent Bürotätigkeit.

In Phase 2 erhöht sich die Zahl der Arbeitsstunden auf 20 pro Woche, dazu kommen eine Lohnerhöhung und ein unbefristetes Anstellungsverhältnis. Auch in Sachen Weiterbildung geht es auf die nächste Stufe, unter anderem geht es um Methodenvielfalt, Moderationsfähigkeiten oder museumspädagogische Theorien. Ähnlich ist der Verlauf in den Phasen 3 und 4, die Inhalte werden immer spezieller, die Anzahl der Wochenarbeitsstunden steigt und alle KulturvermittlerInnen werden dabei unterstützt, sich weiteres Wissen anzueignen und mehr und mehr Verantwortung bei einzelnen Vermittlungsprojekten zu übernehmen.

Die Pläne im Handbuch sind sehr detailliert, zeigen aber auch, wie komplex diese Materie ist. Umso hilfreicher sind sie vermutlich, denn es ist viel leichter, einen eigenen Personalentwicklungsplan mit Hilfe einer Vorlage zu erstellen als bei Null beginnen zu müssen.

Strukturen schaffen als Voraussetzung für den Personalentwicklungsplan

Um so einen Plan entwickeln zu können, bedarf es aber einiger Vorbereitungen. Die kommen im zweiten Teil des Buches zur Sprache, in dem es um die Frage geht, wie sich die entsprechenden Strukturen für das Kulturvermittlungs-Team schaffen lassen. Ausgangspunkt im technischen Museum war der Wille, alle KulturvermittlerInnen anzustellen, was aus der Sicht der Autorin die größte Umstellung für das Haus war, denn

„diese neuen Rahmenbedingungen verändern die tägliche Zusammenarbeit der Abteilung und haben Auswirkungen auf die gesamte Kulturinstitution“. (Seite 18)

Was sich da konkret ändert, wird auf den folgenden Seiten sehr genau erklärt. Zum Beispiel gelten ganz andere (fixe) Arbeitszeitregelungen, die berücksichtigt werden müssen und das Erstellen des Dienstplans zur Herausforderung machen. Maderbacher erklärt Schritt für Schritt, wie man ausgehend von der Ist-Analyse zu einem Dienstplan kommt, der auch realistische Chancen hat, eingehalten zu werden und nicht schon zwei Tage später Makulatur ist. Häuser, die damit zu kämpfen haben, sollten mal einen Blick auf dieses Modell werfen. Ich denke, hier kann sich mancher etwas abschauen.

Viel gelernt habe ich beim Thema Steckbrief, der für jede KulturvermittlerIn angelegt wird (Beispiel Seite 29). Ohne das Wissen, wer im Team über welche Fähigkeiten verfügt, lässt sich die Arbeit in einem größeren Team (und Haus) wohl kaum organisieren. Ausgehend von den Basisdaten (seit wann im Haus beschäftigt, wöchentliche Arbeitszeit) und Informationen zur Ausbildung ist darin festgehalten, für welche Themenbereiche die KulturvermittlerIn Führungen anbietet, für welche Zielgruppen und in welchen Sprachen. Festgehalten werden außerdem in diesem Steckbrief die Beteiligung an bisherigen Projekten, Netzwerke, zu denen Kontakt besteht und besondere Interessen.

Verbindet man die Daten der einzelnen KulturvermittlerInnen, bekommt man einen sehr guten Überblick über den Status Quo der Abteilung und kann unter Umständen gleich Defizite erkennen. Wie ist das Geschlechterverhältnis, wie lange sind die MitarbeiterInnen schon im Haus, welche Inhalte werden abgedeckt, in welchen Sprachen können Führungen angeboten werden, all das sind Aspekte, die auf der strategischen oder der Managementebene eine wichtige Rolle spielen. So banal so ein Steckbrief wirken mag, er stellt Daten zur Verfügung, die nötig sind, um effizient arbeiten  und die Abteilung steuern zu können.

Fazit: Es wirkt sehr unscheinbar, dieses Praxishandbuch, aber es bietet unschätzbare Dienste auf mehreren Ebenen. Erstens unterstützt es Museen dabei, geeignete Strukturen zu entwickeln. Das hier vorgestellte Modell lässt sich auch auf andere Arbeitsbereiche übertragen. Zweitens zeigt es, wie die Häuser wertvolles Know-How entwickeln (und halten) können und drittens trägt es dazu bei, die Arbeitsbedingungen im Kunst- und Kulturbereich zu verbessern, indem es dafür sorgt, dass MitarbeiterInnen prekären Arbeitsverhältnissen entkommen. Auf den ersten Teil des Buches muss ich jetzt gar nicht mehr eingehen, denn ich glaube, es ist klar, dass alle von der Anstellung eines Vermittlungs-Teams profitieren, Museum, VermittlerInnen und auch BesucherInnen. Um diese Frage geht es nämlich zu Beginn des Buches.


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10 Antworten zu „Kulturvermittlungs-Teams in Museen anstellen, ein Handbuch zeigt, wie es geht“

  1. Lieber Christian,

    hört sich interessant an. Aber ich frage mich, wie das bei über 100 freien Mitarbeitern (der Museumsdienst Köln hat so viele) umsetzbar wäre? Das gilt vielleicht dann eher für kleinere Museen, die sich auch keine fest angestellten Vermittler leisten können. Denn soweit ich das überblicke, gibt es in den meisten großen Häusern mindestens eine festangestellte Vermittlerin.

    Grundsätzlich ist es aber schon wünschenswert, einen gewissen Grad der Professionalisierung auch zum Wohle der Freien zu etablieren. Ich selber habe schon mit großen Teams gearbeitet. Und es durchaus immer als eine große Herausforderung empfunden, gleichzeitig den Wünschen der Kunden nach größtmöglicher Flexibilität in der Termin- und Themenwahl sowie dem Bedürfnis der Freien nach möglichst ökonomischem Einsatzplan gerecht zu werden.

    Aus der Sicht einer freien Kunstvermittlerin muss ich sagen, dass es schon auch von Vorteil ist, wenn man eben nicht fest angestellt ist. Und sich z.B. mit dem ganzen Verwaltungs- und Buchungskram nicht beschäftigen muss. Und zumindest hier in Köln ist es so, dass man wirklich viel Gelegenheit zur Fortbildung bekommt (biete ja selber auch genug an :-) Ob und wann man das dann nutzt, ist jedem selber überlassen. Ich finde es im Übrigen auch gut, wenn sich jeder selber seine individuelle Herangehensweise an eine Ausstellung erarbeitet.

    Für mich ist es eh nicht die Frage, ob man alle freien Vermittler anstellt. Sondern mir würde es gefallen, gemeinsam und auf Augenhöhe (die ist nämlich durch die Festanstellung auch nicht unbedingt gegeben), neue Vermittlungsformen zu diskutieren. Projekte zu entwickelen, in denen die Vermittler vielleicht auch andere und neue Rollen einnehmen können.

    Womit ich aber absolut übereinstimme, ist die Sache mit der Professionalisierung und der Bedeutung der Vermittlungsarbeit, die in vielen Museen sicher noch einen höheren Stellenwert haben könnte. Und natürlich dürfte auch die Bezahlung der Honorare gerne besser sein als in den meisten Fällen. (Ich habe nicht mitbekommen, ob diese Geldfrage bei der Festanstellung auch zur Zufriedenheit aller geregelt wurde?)

    Herzliche Grüße von Anke

  2. @Anke: Danke für Deinen langen Kommentar und die Anmerkungen. Jetzt weiß ich, welche Punkte ich noch in den Blogbeitrag reinnehmen hätte sollen. ;-) Das technische Museum hat, wenn ich mich gerade nicht verzählt habe, 34 fest angestellte VermittlerInnen, deren Wochenarbeitszeit zwischen 10 (4 VermittlerInnen) und 40 Stunden (12 VermittlerInnen) liegt, ich denke, da kann man dann schon von einer größeren Struktur sprechen.

    Für den „Verwaltungs- und Buchungskram“ sind die VermittlerInnen dort auch nicht zuständig, aber sie haben den Vorteil, dass sie für die Weiterbildung nicht zahlen müssen und neue Konzepte in ihrer bezahlten Arbeitszeit entwickeln können. Finanziell lohnt sich eine Festanstellung schon, zumindest in Österreich, denn hier gibt es noch das 13. und 14. Monatsgehalt, bezahlten Urlaub, Weiterbezahlung im Krankheitsfall und das auf Basis eines Tarifvertrages.

    Ich nehme an, dass niemand gezwungen wird, sich irgendwo anstellen zu lassen. Bis jetzt war der Kritikpunkt aber meist, dass diese Anstellung nicht angeboten wird. Und im Zweifelsfall die Freien weniger bekommen als die angestellten VermittlerInnen. Insofern denke ich, ist das schon ein wichtiger Schritt. Auch aus Sicht des Museums, denn wie will sich ein Haus in diesem Bereich weiter entwickeln, wenn es nicht weiß, wer morgen noch als VermittlerIn zur Verfügung steht? Planungssicherheit sieht anders aus, vor allem betrachte ich es auch als Manko, wenn das Museum immer auf das Know-How von externen VermittlerInnen angewiesen ist. Das heißt dann überspitzt formuliert, dass das Haus selbst gar meinen Kontakt zu seinen Besuchern hat, ein in meinen Augen bedenklicher Zustand.

    1. 34 fest angestellte Vermittlerinnen ist natürlich schon ordentlich Holz. Und allein 12 Vollzeitkräfte! Da setzt das Technik-Museum dann natürlich einen Großteil der Ressourcen für die Vermittlung ein. Das finde ich gut!

  3. Lieber Christian Henner-Fehr,

    vielen Dank erst einmal für den wirklich wichtigen Blog-Beitrag zur Professionalisierung der Kulturvermittlung. Er spricht wirklich wichtige Punkte unserer Arbeit an und weist auf neue Perspektiven hin.
    Uneingeschränkt stimme ich zu, wenn es darum geht, die Vermittlungsarbeit in Museen als professionelle Tätigkeit einzustufen. Jedoch, solange Museen (und ich spreche nicht nur von kleineren Museen im ländlichen Raum) auf „angelernte“ VermittlerInnen zurückgreifen, ist es für professionelle KulturvermittlerInnen (mit abgeschlossenem Fach-Studium und fundierten Kenntnissen und Erfahrungen in der Vermittlungsarbeit) sehr schwer, nicht mit diesen in einen Topf geworfen sondern ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechend respektiert und auch bezahlt zu werden.
    Ob fest angestellt oder frei – ich stimme hier allerdings Anke von Heyl zu, wenn sie auch auf die Vorteile der freiberuflichen Tätigkeit hinweist – wichtig ist, daß Museen den Stellenwert einer professionellen Vermittlungsarbeit erkennen und bereit sind, dafür auch eine angemessenes Honorar bzw. Vergütung zu bezahlen.
    Das Argument, Museen könnten sich höhere Honorare nicht leisten, lasse ich hier nur in ganz wenigen Fällen gelten. Ich bin an verschiedenen Museen als freiberufliche Kulturvermittlerin tätig und stehe mit weiteren freiberuflich arbeitenden Kollegen im Austausch über Arbeitsbedingungen und Honorare. Dabei stelle ich fest, daß manche Museen ihre KulturvermittlerInnen angemessen honorieren können, ohne dabei die Führungen indirekt subventionieren zu müssen, während andere Museen die Führungsentgelte für die Gruppen sehr niedrig halten und ihren freien Mitarbeitern entsprechend niedrige Honorare anbieten. Die Begründung dafür lautet oftmals, höhere Führungsentgelte seien bei den Besuchern nicht durchsetzbar. Dabei liegt das Führungsentgelt je Besucher (zum Beispiel einer 25 köpfigen Gruppe) oft weit unter dem Preis für eine Tasse Kaffee im Museums-Café. Sieht so Wertschätzung einer professionellen Vermittlungsarbeit aus, die wie ja immer wieder betont wird, die Visitenkarte eines Museums ist?
    Wichtig ist auch, immer wieder darauf hinzuweisen, daß professionelle Vermittlungsarbeit nicht nur vor der Gruppe sondern zu einem mindestens genauso großen Teil am Schreibtisch stattfindet. Diese wird den freien Mitarbeitern i.d.R. allerdings nicht zugestanden und auch nicht honoriert. Hier könnte eine Festanstellung durchaus von Vorteil sein, wenn im Arbeitsvertrag für die Arbeit „hinter der Führung“ entsprechend Zeit vereinbarte wird. Lehrer werden ja auch nicht nur für die Stunden bezahlt, die sie in der Klasse verbringen. Daß das Honorar auch die Arbeitsstunden am Schreibtisch, die Kosten für Büroausstattung, Telekommunikation, etc., die Fahrt zum Museum, Fortbildungen, und ganz banal, für Urlaubs- und Krankheitstage, Zeiten der Nichtbeschäftigung (Schulferien!) und die jedem angestellten Mitarbeiter zugestandenen Absicherung von Krankheit und Alter abdecken muß, wird bei der Kalkulation der Honorare (leider auch von manchen meiner freiberuflich tätigen KollegInnen) häufig nicht berücksichtigt.
    Meines Erachtens ist professionelle Kulturvermittlung keine Frage von Festanstellung oder freier Mitarbeit sondern eine Frage der Wertschätzung. Ein Museum, das sich mit dem Gedanken trägt, die Vermittlungsarbeit fest im Haus zu verankern, um eine höhere Professionalität zu erreichen, sollte sich im Klaren darüber sein, daß dafür auch entsprechend finanzielle Mittel bereit stehen müssen. Denn es macht wohl wenig Sinn, „seine Visitenkarten auf dem billigsten Papier drucken zu lassen“. Mit diesen Mitteln, könnte es jedoch auch professionell ausgebildete und arbeitende freie KulturvermittlerInnen durch die Bezahlung angemessener Honorare langfristig an sich binden.

    Mit herzlichen kollegialen Grüßen

    Iris Kauffmann

  4. Liebe Iris Kauffmann, danke für Ihren Kommentar. Kurze Frage, wann bin ich denn eine „angelernte“ KulturvermittlerIn? Falls sich das auf das technische Museum und deren erste Phase bezieht, in der die neu angestellten KulturvermittlerInnen eine etwa einjährige „Ausbildungsphase“ durchlaufen: Diese Phase durchlaufen, so ich das nicht falsch verstanden habe alle, egal welche Ausbildung sie vorher genossen haben.

    Ist der Hinweis ein ganz allgemein gehaltenes Plädoyer dafür, dass „professionelle“ KulturvermittlerInnen grundsätzlich eine bessere Ausbildung haben und deshalb besser bezahlt werden sollten, stimme ich dem nicht so ganz bei. So wie in fast allen Bereichen entstehen auch im Kunst- und Kulturbereich ganz neue Berufsbilder mit Tätigkeiten, die früher nicht nachgefragt, ja nicht mal angedacht wurden. Wir erleben das exemplarisch gerade beim Thema Social Media. Viele Kultureinrichtungen sind stolz darauf, dass sie nun auch jemanden haben, der für Social Media zuständig ist, unter Umständen nennt sich diese MitarbeiterIn dann auch Social Media-ManagerIn. Nur stimmt der Begriff leider schon lange nicht mehr, wir sind schon sehr viel weiter. Schaut man sich die entsprechenden Kulturmanagement-Ausbildungen an, sieht man, dass das Thema Social Media gerade in den Lehrplänen ankommt. Nur ist die Praxis leider schon etwas weiter und ich behaupte, das ist nicht nur im Bereich Kulturmanagement der Fall. Langer Rede kurzer Sinn: Wir brauchen die QuereinsteigerInnen, die bei bestimmten Themen die Nase vorne haben und frischen Wind, neue Ideen und Zugänge in einen Bereich hineinbringen. Ich lasse mich ja gerne vom Gegenteil überzeugen, aber das gilt meiner Meinung nach auch für die Kulturvermittlung.

    Gut, Sie weisen auch auf die Vorteile einer freiberuflichen Tätigkeit hin. Ich will das gar nicht in Abrede stellen, schließlich bin ich auch selbständig. Aber ich bin in den letzten Jahren immer und immer wieder auf die prekären Verhältnisse im Bereich Kulturvermittlung hingewiesen worden, einhergehend mit der Klage, dass man kaum Chancen auf eine Anstellung habe. Entweder stimmt das so alles gar nicht und die KulturvermittlerInnen sind alle glücklich mit ihrer Unabhängigkeit. Oder ich habe jetzt hier zwei Kommentare von Kulturvermittlerinnen, die die Ausnahme sind.

    Für die Arbeit „hinter der Führung“ ist im Fall des technischen Museums genügend Zeit vorgesehen. Während in der ersten Phase das Verhältnis Vermittlungsstunden/Bürostunden 80/20 beträgt, liegt es in der vierten Phase bei 50/50. In diesem Fall ist also die Hälfte der Arbeitszeit für Konzept, Vorbereitung, etc. vorgesehen.

    Ihre Argumentation, dass es nur auf die Wertschätzung ankomme und es eigentlich egal sei, ob jemand angestellt sei oder als freie MitarbeiterIn zur Verfügung stehe, kann ich so nicht teilen. Richtig ist, dass Wertschätzung notwendig ist, der oben verlinkte Zeitungsartikel zeigt, dass Wertschätzung nicht selbstverständlich ist. Aber der Behauptung, dass ein Museum genau so gut auch freie MitarbeiterInnen anstellen könne, widerspreche ich. Baut das Haus eine eigene Abteilung für Kulturvermittlung mit festangestellten MitarbeiterInnen auf, habe ich zum Beispiel den Vorteil, dass ich ein Team aufbauen kann und der Konkurrenzdruck reduziert wird. Wie oft habe ich gehört, dass es jedes Mal ein Kampf ist, wer welche Führungen machen darf, das gibt es in diesem Fall nicht, weil bei einer fixen Anstellung der Kampf um das Geld weg fällt. Hinzu kommt, dass Museen bei angestellten MitarbeiterInnen die Dienste besser einteilen können, das heißt,es kommt vermutlich seltener zu unliebsamen Verschiebungen und Änderungen im Dienstplan. Und noch ein letzter Punkt: Hätte ich als Museum nur freie MitarbeiterInnen, würde ich nicht auf die Idee kommen, so etwas wie einen Personalentwicklungsplan zu erarbeiten, denn mir wäre das Risiko der Fluktuation viel zu groß. Aber vielleicht lesen Sie sich das Handbuch mal durch, dann können Sie ja selbst einschätzen, ob dieses Modell sinnvoll ist oder nicht.

  5. Wencke Maderbacher

    Lieber Christian,
    danke für die fundierte Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Publikation Kulturfairmitteln und deinen Kommentaren, mit denen Du mir beim Antworten zuvor gekommen bist. Es ist sehr interessant, dass aus einem anderen Blickwinkel zu lesen. Dieses umfassende Thema mit allen Aspekten in eine Publikation zu packen, geschweige denn in einen Artikel oder gar in einen Kommentar ist schwierig. Es gibt viel zu ergänzen und zu beleuchten..

    Liebe Anke,
    Liebe Iris Kauffmann,
    Danke für die Diskussionspunkte. Ganz passt es nie – in keinem Anstellungsmodell. Es gibt bestimmt nicht den einen richtigen Weg, sondern verschiedene Denk- & Lösungsansätze. Strukturierte Rahmenbedingungen machen es aber für alle leichter und auch fairer. Auch wir justieren immer wieder nach, um gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen.
    Beim Blick über den Tellerrand der eigenen Kultureinrichtung hinaus, werfen sich Fragen auf: Wie kann der Beruf Kulturvermittlung am geeignetsten ausgeübt werden? Was ist rechtlich abgedeckt? Wie wollen wir zusammenarbeiten? Welches Zeichen setzt eine Institution mit der Art seiner Verträge in der Gesellschaft? Die Vorbildwirkung öffentlicher Kulturbetriebe für faire Arbeitsbedingungen ist hier besonders hervorzustreichen. Eine Kultureinrichtung hat nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern als Arbeitgeber auch eine Verantwortung gegenüber ihren DienstnehmerInnen.
    Wenn ein Museum regelmäßig Kulturvermittlungs-Programm anbietet, dann sollen (~müssen~) auch die rechtlichen, strukturellen Rahmenbedingungen dafür von der Institution geschaffen werden für die Menschen, die diese Tätigkeit ausführen. Es geht nicht darum, ob sich ein Museum ein angestelltes Vermittlungsteam leisten will oder ob die VermittlerInnen gerne frei arbeiten wollen, sondern was der passende rechtliche Rahmen für diese regelmäßige Tätigkeit ist. Ein Vermittlungsprogramm ist immer an Zeit, Ort und Thema gebunden. Dabei ist die Organisation und Konzeption des regelmäßigen Betriebes und Programmes gemeint; nicht spezielle Vermittlungsprojekte, die von externen KünstlerInnen, PädagogInnen etc. für einen abgesteckten Zeitraum begleitet werden.

    Wie Christian beschrieben hat, sollten Kultureinrichtungen hinterfragen, ob sie eine der essentiellen Schnittstellen zwischen Institution und Publikum mit freien DienstnehmerInnen organisieren wollen, oder lieber in die Institution eingebundene MitarbeiterInnen hier einsetzen. Die Weiterentwicklung des Programmes, der Feedback-Rückfluss ist leichter zu leben, wenn die MitarbeiterInnen eingebunden sind. Für die KulturvermittlerInnen bietet sich eine langfristige Mitgestaltungsmöglichkeit am Programm des Hauses.

    Gibt es ein Modell, bei dem für freie KulturvermittlerInnen eine wahrhaftige Kosten-Abdeckung des tatsächlichen Arbeitsaufwandes mit Honorarnoten gelingt? Gibt es ein Haus, das wirklich all das regelmäßige Drumherum der Vermittlungsarbeit mit Honoraren oder Werkverträgen abdeckt, bzw. abdecken kann?

    Bei einer Anstellung kann und muss auch die infrastrukturelle Einbindung geboten werden, die Iris Kauffmann erwähnt hat: Computerzugang, Emailadresse, Garderobe, Unterlagen, Materialien usw.. Eine Institution darf einer freien VermittlerIn diese Arbeitsmittel gar nicht zur Verfügung stellen, da all dies auf ein Anstellungsverhältnis hinweisen würde. Ganz ohne Arbeitsmittel wird es schwer von Wertschätzung gegenüber den freien KulturvermittlerInnen zu sprechen. Wie soll hier die Zusammenarbeit zwischen Institution, VermittlerIn und Publikum reibungslos funktionieren? Oder zwischen den VermittlerInnen untereinander?

    Eine feste Anstellung bietet neben dieser Infrastruktur, dem Austausch und der Mitgestaltung, eine deutlich höhere soziale Sicherheit für die MitarbeiterInnen: gleichmäßiges Gehalt, durchgehende Versicherung, Entgeltfortzahlung im Krankenstand, bezahlten Urlaub, 13.-14.Gehalt, Anspruch auf Pflegefreistellung, Elternkarenz usw. Der Institution wiederum bietet ein angestelltes Team einen hohen Grad an Planungssicherheit und Struktur. In der Jahresplanung kann das Programm, die Programmentwicklung, die Buchungslage, Arbeitsverteilung und Urlaube langfristig organisiert werden.

    „Wissenstransfer“ ist das Schlagwort für Kulturvermittlung schlechthin. Weiterbildungen, Förderungen und Schulungen, können direkt nach den Anforderungen des Hauses durchgeführt werden. Diese müssen in der bezahlten Arbeitszeit passieren, damit die Institution mit einem Level an Vermittlungsstandards, der von allen Teammitgliedern gleichermaßen abgedeckt wird, rechnen kann. Neben grundlegenden Vermittlungsfertigkeiten, die von Zeit zu Zeit gerne durch Schulungen verfeinert werden dürfen, gibt es hausspezifische Bedürfnisse für Inhalte, Zielgruppen und Programme, die abgedeckt werden müssen. Die Arbeit in der Kultur bietet stets neue, kreative Tätigkeitsfelder, in die man sich vertiefen kann. Dafür muss Zeit und Raum sein – nur so entwickelt sich die vielschichtige Vermittlungsarbeit weiter.

    In Bezug auf das Entlohnungssystem wird bei der Anstellung grundsätzlich jede Arbeitszeit gleichwertig bemessen: Vermittlungen und Bürozeit werden gleich entlohnt. Das ist bei freien Verträgen selten der Fall; dort wird oft sogar nach einzelnen Vermittlungsprogrammen unterschiedlich entlohnt, was ein großes Ungleichgewicht mit sich bringen kann. Das Gehalt der KulturvermittlerInnen orientiert sich an anderen wissenschaftlichen MitarbeiterInnen des Hauses. @ Iris Kauffmann: Sie haben betont, dass ein wichtiger Teil der Vermittlungsarbeit nicht vor dem Publikum stattfindet, sondern am Schreibtisch. Ich würde weiter ergänzen: In den Ausstellungsräumen, in den Teambesprechungen, bei Seminaren etc. Und wenn wir an die Zukunft der Vermittlungsarbeit denken, die vielleicht immer öfter über social media Kanäle erfolgt oder andere Wege der Wissensvermittlung findet, ist es besonders essentiell, dass nicht nur die direkte Interaktion mit dem Publikum bezahlt wird, sondern auch das Brainstorming zur neuen Ausstellung, die Bespielung der Tabletts für die Vermittlung, die Exkursion in ein anderes Haus usw.

    Nun komme ich zu den schönen Nebeneffekten der Anstellung:
    Das Team ist ein richtiges Team! Natürlich möchte ich hier keinem freien Team, das „Teamsein“ absprechen. Kollegialität und Zusammenhalt spielen eine sehr große Rolle. Überdies ergibt sich für die VermittlerInnen eine kollegiale Zusammenarbeit auf einer Augenhöhe im ganzen Haus wie von selbst. KollegInnen, die im Büro nebenan sitzen, nimmt man anders wahr, als freie DienstnehmerInnen, die hauptsächlich für die Vermittlungsdurchführung im Museum sind. Konzepte werden vom Team selbst geschrieben und nicht nur von der Leitung. Perspektiven und Personalentwicklung für die KulturvermittlerInnen – das ist nur mit einem angestellten Team umsetzbar. Kompetenzen zu fördern, Talente zu entdecken, voneinander zu lernen und miteinander gestalten.

    Jedes System wächst, kann und soll weiterentwickelt werden. Immer wieder stellt man sich neuer Herausforderungen. Geht es den MitarbeiterInnen gut, geht es der Institution gut – und das kommt auch beim Publikum an. Und somit sind wir dann wieder beim gesellschaftlichen Auftrag gelandet.

    Beste Grüße,
    Wencke Maderbacher

  6. Lieber Christian Henner-Fehr,
    liebe Wencke Maderbacher,

    ich gebe Ihnen, Wencke Maderbacher, absolut recht, was die Vorteile einer Festanstellung als KulturvermittlerIn in einem Museum angeht, und in vielen, vor allem größeren Museen könnte es durchaus möglich sein, mehrere KulturvermittlerInnen fest anzustellen und so ein festes Vermittlungsteam aufzubauen, das besser sozial abgesichert ist und für die Betreuung der Vermittlungsarbeit aus meiner Sicht ja fast paradiesische Ramenbedingungen hätte.
    Ich wage nur zu bezweifeln, daß der Mehrwert, den ein festes Vermittlungsteam einem Museum bringt, in vielen Museen nicht erkannt wird, und damit auch keine Motivation zu Personalentwicklung und vor allem zur Beschaffung der dafür benötigten finanziellen Mittel besteht.
    Solange es mit den „Freien“ auch „ganz gut“ klappt und man diesen immer mehr Aufgaben übertragen kann, die nicht in ihren unmittelbaren Aufgabenbereich gehören, um dadurch Kosten einzusparen, sehe ich, zumindest in der Museums-Landschaft, in die ich Einblicke habe, wenig Chancen für feste Vermittlungs-Teams, deren Aufgabenbereiche klar festgelegt sind. Und sollten diese „Sonderaufgaben“ übertragen bekommen, so bringt dies dem Museum keinen unmittelbaren finanziellen Vorteil.
    Auch könnten Museen fest angestellte Mitarbeiter nicht dazu verpflichten an unbezahlten Fortbildungen teilzunehmen, die Voraussetzung für die Beauftragung im Rahmen einer (meist Sonder-)Ausstellung sind. Als Begründung wird Qualitätssicherung angeführt. Im selben Zuge werden aber nicht durch ein Fachstudium qualifizierte (freie) Mitarbeiter angelernt, die dann, in Hospitations-Führungen (zu denen die erfahrenen Mitarbeiter ebenfalls verpflichtet werden,) weiter geschult.
    Und damit komme ich zu Ihrer Frage Christian Henner-Fehr, was ich unter „angelernten“ VermittlerInnen verstehen würde. „Angelernte“ Vermittlerinnen sind für mich KollegInnen, die gar keine oder keine mit dem Ausstellungsthema in Zusammenhang stehende fachliche Ausbildung aufweisen können, und ihre „Qualifikation“ als KulturvermittlerIn im besten Falle durch ein ca. 32 Zeitstunden umfassendes Schulungsprogramm erworben haben. Dieses umfaßt i. d. R. eine Einführung in das Thema der Ausstellung, die Vorstellung des Ausstellungskonzeptes, die Vertiefung des Themas durch die von den Teilnehmern erarbeitete Einzelreferate und eine Einführung in die Führungspraxis mit Präsentation einer Kurzführung. Der Rest ist learning-by-doing und natürlich bei den KollegInnen hospitieren. KollegInnen, die das von Ihnen beschriebene vierjährige Qualifizierungsprogramm erfolgreich absolviert haben, rechne ich selbstverständlich nicht dazu und ich habe auch nichts gegen QuereinsteigerInnen! Ganz im Gegenteil, einige meiner KollegInnen sind auf meinem Fachgebiet QuereinsteigerInnen und gerade den Austausch mit ihnen empfinde ich als eine ungemeine Bereicherung weil sie oft einen anderen Blick auf die Dinge haben. Allen gemein ist jedoch, daß sie eine wissenschaftliche Ausbildung erfahren haben und sich neues Wissen nicht nur anlernen, sondern auch quellenkritisch erarbeiten.
    Beliebt ist dieses Ausbildungsmodell übrigens bei großen Sonderausstellungen, die die Kapazitäten des „Stammpersonals“ übersteigen. Aber auch kleine Museen, die nur schwer Zugang zu fachlich ausgebildeten freien Mitarbeitern haben, lernen Leute an, die einfach einen Nebenjob suchen. Ich kenne Museen, die diesen „angelernten“ Vermittlerinnen für eine 60- bis 90-minütige Führung 25-35 € bezahlen. Das ist, „nebenbei verdient“ („Die steuer- und sozialrechtlichen Verpflichtungen übernehme ich selbst.“), nicht schlecht. Berücksichtigt man aber die real aufgewendete Zeit und die Kosten, die man als Freiberufler nun einmal hat, bei der Berechnung des Stundensatzes, dann ist es nicht mehr als ein 1-€-Job.
    Rechnet man im Gegenzug die Kosten für eine Führung aus, die von einem fest angestellten Mitarbeiter (Monatsgehalt ca. 2.500 € – ich möchte nicht zu hoch einsteigen) aus, dann muß man folgende Rechnung (http://www.personalkostenrechner.de/personalkostenrechner) aufstellen: Bei einem Monatsgehalt von 2.500 € erhält der/die Beschäftigte ein Jahresgehalt von ca. 32.800 €. Dem Arbeitgeber entstehen dafür Kosten in Höhe von ca. 47.300 €. Bei ca. 1.600 produktiven Arbeitsstunden/Jahr, lägen die Kosten/Arbeitsstunde bei ca. 29,50 €. Eine Führung von 60 min Dauer, die mit 120 min Arbeitszeit zu Buche schlägt, würde den AG also 59 € kosten. Bei 100% Auslastung, versteht sich. Eine „Flaute“ bei den Buchungen ließe die Kosten je Führung entsprechend steigen.
    Die Honorare in meinem Bereich (Archäologie / Landesgeschichte) bewegen sich momentan hingegen bis maximal 55 € für eine 60-minütige Führung und maximal 80 € für eine 120-minütige Führung (was einem Stundensatz bei 4 h Aufwand von max. 20 € entspricht). Von Honoraren, denen ein Stundensatz von 59 € je geführte Stunde zugrunde gelegt wird, können die meisten meiner KollegInnen (Bereiche Kunst, Kunstgeschichte, Landeskunde, Volkskunde) wohl nur träumen. Daß solche Honorarsätze jedoch möglich sind, weiß ich von einem Museum, das 58 €/geführter Stunde, also 116 € für eine 120 min. Führung, bezahlt. Mit Führungen werden in diesem Museum allerdings nur freie Mitarbeiter beauftragt, die ein für dieses Museum spezifisches Fachstudium nachweisen können oder, als große Ausnahme, bereits seit Jahrzehnten im Haus tätig sind. Selbst ein abgeschlossenes Studium einer verwandten Fachrichtung wird nicht anerkannt.
    Abgesehen davon, daß freie Mitarbeiter nur dann bezahlt werden müssen, wenn sie auch wirklich eingesetzt werden, und so sehr flexibel auf Schwankungen bei der Nachfrage reagiert werden kann, sind sie außerdem wesentlich kostengünstiger als fest angestellt Mitarbeiter, genießen keinen Kündigungsschutz, tragen das Risiko von Ausfall durch Krankheit oder Unfall selbst und weisen selten direkt auf ihre prekäre Situation hin.
    Ihr Ansatz, Wencke Maderbacher, daß Museen als Arbeitgeber auch eine soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernehmen müssen, ist lobenswert, aber leider nicht die Realität. Das Beispiel des Technischen Museums Wien, das Sie anführen ist sicher eine rühmenswerte Ausnahme. In Zeiten jedoch, in denen auch Museen (zumindest in Deutschland) den Nachweis der Wirtschaftlichkeit erbringen müssen, sind den Entscheidungsträgern oft die Hände gebunden, oder zumindest in enge Fesseln gelegt. Aber vielleicht könnte die Festanstellung der KulturvermittlerInnen tatsächlich ein „Schlupfloch“ aus der Kosten-Diskusion sein, weil Personalkosten u.U. anders im Finanzbericht dargestellt werden können als Honorarkosten. Vielleicht ändert sich ja zumindest in Baden-Württemberg auch etwas mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes, in welchem nun erstmals der Bildungsauftrag der Museen gesetzlich verankert wurde.
    Für die Professionalisierung der Vermittlungsarbeit an sich ist es meines Erachtens allerdings nicht von Bedeutung ob sie von freien oder fest angestellten Mitarbeitern geleistet wird. Die viel gepriesene Teambildung ist auch zwischen freien Mitarbeitern und Museum möglich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Ob aber genug qualifizierte KulturvermittlerInnen für die Vermittlungsarbeit zur Verfügung stehen, ist eine Frage der Anerkennung als gleichwertige Kollegen, die eine gleichwertige Entlohnung erhalten, und ob man von dieser auch seinen Unterhalt bestreiten kann. Das setzt jedoch voraus, daß die Museen klare Qualitätskriterien von ihren freien Mitarbeitern fordern und diese auch angemessen honorieren. Außer o. g. Museum kenne ich jedoch keines, das seine Qualitätsanforderungen an seine freien Mitarbeiter klar kommuniziert und diese entsprechend honoriert. Wie kann ich als Besucher eines Museum schon vor meinem Besuch erkennen, ob die dort eingesetzten KulturvermittlerInnen ausreichend qualifiziert sind?
    Eine echte Professionalisierung ist m. E. nur über kontrollierte und zertifizierte Qualifizierung möglich. Ein vorbildliches Beispiel stellt hierfür die Zertifizierung der freiberuflichen Osteoanthropologen unter dem Dachverband der Gesellschaft für Anthropologie dar (http://www.gfanet.de/?q=node/71 ). Eine Zertifizierung für KulturvermittlerInnen nach diesem Modell könnte ich mir gut vorstellen, da sie der Vielfalt an fachlichen Kompetenzen der KollegInnen gerecht würde indem deren Fachkenntnisse und Berufserfahrung offen abgebildet und in einem Punktesystem bewertet werden. Dann wäre es letztendlich egal, auf welchem Weg sich eine/e Kulturvermittler/in qualifiziert hat, solange die Qualifikarion den klar definierten Zertifizierungskriterien entspricht. Und dann bräuchte auch nicht mehr darüber diskutiert zu werden, ob es angemessen sei, einem/r qualifizierten Kulturvermittler/in, ob nun Quereinsteiger oder nicht, auf Wissenschaftler-Niveau zu entlohnen, als angestellte/r oder freie/r Mitarbeiter/in wäre dann ebenfalls nebensächlich.
    Um es noch einmal zusammenzufassen: Ich bin nicht gegen das Modell der Festanstellung von KulturvermittlerInnen, aber ich habe Bedenken, daß Museen bereit und in der Lage sind, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Die Vorteile, eines fest angestellten Vermittlungsteams, wie Planungssicherheit, fachliche und inhaltliche Kontinuität, Einfluß auf Inhalte, Fortbildungsschwerpunkte, … bringen aber auch soziale Verantwortung des Arbeitgebers verbunden mit finanziellem Aufwand sowie eine langfristige Bindung an die MitarbeiterInnen mit sich, auch in Zeiten, in denen die Nachfrage nach Kulturvermittlung rückläufig ist. Eine Zusammenarbeit mit freiberuflich tätigen Kulturvermittlern kann m.E. auch ohne vertragliche Bindung vertrauensvoll, gegenseitig befruchtend und langfristig zuverlässig sein, sofern eine gegenseitige Wertschätzung, die sich nicht nur, aber eben auch, durch die Höhe der Honorare ausdrückt. Was die Professionalisierung der Kulturvermittlung anbelangt, sehe ich die Verantwortung eher bei den Museen. Wenn diese bereit sind ihre qualitativen Anforderungen, die sie an ihre KulturvermittlerInnen stellen, klar zu definieren und zu kommunizieren, würde dies zu mehr Transparenz und einer höheren Wertschätzung der Vermittlungsarbeit führen. Eine Zertifizierung nach dem Modell der Osteoanthropologen wäre meines Erachtens hierfür hilfreich, wünschenswert und auch umsetzbar.
    Mit herzlichen kollegialen Grüßen
    Iris Kauffmann

  7. Liebe Frau Kauffmann, danke für Ihren Kommentar. So ganz verstehe ich allerdings nicht, worauf Sie hinaus wollen. Sie sprechen von den „paradiesischen Rahmenbedingungen“, die bei Festanstellungen in einem großen Haus möglich wären. Aber den Rest des Kommentares versuchen Sie zu erklären, warum das nicht funktionieren wird. Es funktioniert doch im Technischen Museum. Natürlich hat dieses Museum damit eine Vorreiterrolle eingenommen, aber irgendjemand muss doch den Anfang machen?

    Eigentlich klingen Sie jetzt wie eine Museumsverantwortliche, die mir erklärt, dass das zwar eine tolle Idee ist, die sich aber aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen lässt. Ich denke, mit aus dem Grund ist dieses Handbuch erschienen, um Museen dazu zu motivieren, dieses Modell nachzumachen oder zu adaptieren. Ich habe darüber geschrieben, weil ich sehe, wie viele Menschen im Kunst- und Kulturbereich unter prekären Beschäftigungsverhältnisse leiden. Hier zeigt ein Museum, wie man es anders machen kann, das ist meine Motivation, darüber zu schreiben.

    Aber vielleicht kommen Sie einfach mal nach Wien und diskutieren das Thema vor Ort mit Wencke Maderbacher? Am 10. Dezember findet in Wien ein stARTcamp statt und das wäre doch ein wunderbares Thema für eine Session. Dann können andere gleich mitdiskutieren.

    1. Wencke Maderbacher

      Stimmt Christian, das ist eine sehr gute Idee für eine stARTcamp-Session. Da freu ich mich schon drauf!
      Vielleicht kann man die Anstellungs-Diskussion rund um KulturvermittlerInnen von der anderen Seite her betrachten: Warum wird gerade diese Kultur-Berufsgruppe besonders selten angestellt? Eigentlich müssten dieselben Argumente ja dann auch für KuratorInnen, Marketing-MitarbeiterInnen, Verwaltungs-MitarbeiterInnen usw. gelten. Auch die Kosten für deren Anstellungsverhältnisse werden von der Kultureinrichtung getragen. Kultureinrichtungen müssen aufgrund der knappen Budgets generell sehr genau kalkulieren, wie viele MitarbeiterInnen wie viel Arbeit erledigen können und sollen. Aber das sich Kulturvermittlung nur mit freien Dienstverhältnissen für ein Museum „rechnet“, ist definitiv nicht richtig.

  8. Lieber Christian-Henner-Fehr, liebe Wencke Madrbacher,
    es liegt mir definitiv fern, hier die Position der Kultureinrichtungen zu vertreten. Ich habe lediglich versucht, etwas Wasser in den Wein zu gießen, da meine Erfahrung mich gelehrt hat, mich bei diesen Fragen mit Euphorie sehr zurückzuhalten. Ich bin durchaus der Meinung, daß das Modell des Technischen Museums vorbildhaft ist und auch in anderen Museen umsetzbar wäre, wenn es denn gewollt wäre. Aber bis dahin ist, fürchte ich, noch ein langer Weg zu gehen. Ein erster Schritt wäre hier schon einmal, wenn die freien Mitarbeiter als gleichwertige KollegInnen wertgeschätzt würden und nicht nur als jederzeit verfügbare „Tagelöhner“, wie mich kürzlich eine Besucherin, nicht gerade schmeichelnd aber doch sehr treffend, bezeichnet hatte. Solange dieses Umdenken noch nicht eingesetzt hat und Kulturvermittlung eher von der Kosten- als von der Nutzenseite aus gesehen wird, habe ich leider wenig Hoffnung.
    Ihren Vorschlag, dieses Thema auf dem StARTCamp Wien näher zu diskutieren, finde ich ausgezeichnet und ich bedanke mich herzlich für Ihre Einladung, Christian Henner-Fehr. Ich habe mir den Termin bereits im Kalender notiert und werde, in der Hoffnung, daß keine wichtigen Termine meine Pläne durchkreuzen, versuchen ihn auch wahrzunehmen.
    Herzliche Grüße
    Iris Kauffmann

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