Musik aus dem Internet: Stream statt Download

freier Durchgang
© Rainer Sturm; Pixelio

Während die Musikindustrie noch ihren verzweifelten Kampf gegen das illegale Filesharing führt, droht ihr schon wieder neues Ungemach. Stefan Pletzer hat via Twitter auf eine Kolumne in der New York Times hingewiesen, in der Charles M. Blow mutmaßt, dass deren Niedergang schneller voranschreiten könne, als es sich die Branche vorstellt.

Gut, dass die Verkaufszahlen dramatisch zurückgehen ist bekannt. Interessant ist aber, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich illegal Musik aus dem Internet laden, ebenfalls stark zurückgeht. Laut einer Umfrage liegt stattdessen der Anteil der Jugendlichen (im Alter von 14 bis 18 Jahren), die jeden Tag gestreamte Musik hören, bereits bei 31 Prozent.

Die Schlussfolgerung von Charles M. Blow:

“This is part of a much broader shift in media consumption by young people. They’re moving from an acquisition model to an access model. “

Damit erinnert er mich an Jeremy Rifkin, der vor bereits neun Jahren sein Buch Access veröffentlicht hat, in dem er den Wandel vom industriellen in einen kulturellen Kapitalismus prognostiziert:

“Hergebrachte Institutionen, die auf Eigentum, Austausch, Markt und materieller Akkumulation basieren, werden allmählich ausgehöhlt. So bricht sich ein Zeitalter Bahn, in dem Kultur die wichtigste kommerzielle Ressource, Zeit und Aufmerksamkeit der wertvollste Besitz und das Leben eines jeden Menschen zum ultimativen Markt werden.” (S.19)

In seinem Entwurf einer Zukunft, in der Netzwerke von entscheidender Bedeutung sind, müsse man, so Rifkin, auch davon ausgehen, dass sich unsere Beziehung zu Eigentum verändere. Dabei beruft er sich auf den Politikwissenschaftler Crawford MacPherson, der als Professor an der Universität Toronto lehrte, bevor er 1987 starb.

MacPherson stellt fest, dass unser gegenwärtiger Begriff des Eigentums aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammt und sich durch das Recht auszeichnet, andere davon auszuschließen. Doch historisch gesehen kann Eigentum auch als das Recht definiert werden, “vom Gebrauch oder dem Genuss von bestimmten Dingen nicht ausgeschlossen werden zu können”, wie es Rifkin formuliert, der diese zweite Art von Eigentum als öffentliches oder Gemeindeeigentum bezeichnet. Während das private Eigentum dem Besitzer das Recht gibt, andere von der Nutzung auszuschließen, garantiert das öffentliche Eigentum allen das Recht, nicht von der Nutzung ausgeschlossen zu werden.

Dieser zweite Eigentumsbegriff ist in der Neuzeit, so MacPherson, in Vergessenheit geraten. Da aber das individuelle Recht unserem heutigen System nicht mehr gerecht werde, sollte man, so MacPhersons Forderung, den Begriff des Eigentums wieder um das Recht, nicht vom Zugang ausgeschlossen zu werden, erweitern.

Denkt man das weiter, dann kann man der Feststellung von Charles M. Blow, dass die Anstrengungen der Labels, Menschen zum Kauf einer CD zu verführen, zu spät kommen, nur zustimmen. In immer mehr Bereichen wird es nicht mehr um den Besitz gehen, sondern um die Zugänge zu den Dingen, die uns wichtig sind.

An den Schalthebeln der Macht werden andere sitzen, was die Sache für die User aber nicht leichter macht. Schon heute bekommen wir fast tagtäglich demonstriert, wie verführerisch die Aussicht ist, das Internet zu kontrollieren. Zwar wird ein Frank A. Mayer den Untergang einer ganzen Branche nicht verhindern können, wenn er über das Internet als rechtsfreien Raum schwadroniert. Aber er beschleunigt eine Entwicklung, die uns entweder wirklich neue Perspektiven eröffnet, weil die gemeinsame Teilhabe an etwas im Vordergrund steht. Oder wir begeben uns in die Hände derer, die dann entscheiden, wer rein darf und wer nicht. Wer dazu gehört und wer nicht. Diese Entwicklung schreitet immer weiter fort, denn Rifkin stellt fest:

“Der Graben zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden ist tief, der zwischen den Vernetzten und den Nichtvernetzten ist allerdings noch tiefer.”

Umgemünzt auf das Musikverhalten der oben erwähnten Jugendlichen stellt sich dann die Frage: geht es wirklich darum, ob jemand Musik kauft oder nicht? Oder geht es nicht eher um die Frage, was wir tun müssen, dass jeder Zugang zu gestreamter Musik hat? Das würde bedeuten, dass wir uns Gedanken über einen”neuen” Begriff von Eigentum machen müssen, denn wo steht geschrieben, dass der derzeitige Status Quo auf immer erhalten bleiben muss?


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Kommentare

10 Antworten zu „Musik aus dem Internet: Stream statt Download“

  1. Den im Text beschriebenen Trend kann ich gut nachvollziehen. Auch bei mir läuft meistens der Desktop-Client von last.fm. Meine MP3-Files spiele ich fast nur noch bei offline-Nutzung auf dem iPod.

    1. Tommy

      Ja stimmt, aber was passiert mit dem Geld, was Last.fm mit diesem Angebot einnimmt? Der Künstler sieht davon wohl eher nix…

    2. @Tommy: doch, laut Geschäftsbedingungen schon. So die Tracks gespielt werden natürlich…

  2. […] “Gut, dass die Verkaufszahlen dramatisch zurückgehen ist bekannt. Interessant ist aber, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich illegal Musik aus dem Internet laden, ebenfalls stark zurückgeht. Laut einer Umfrage liegt stattdessen der Anteil der Jugendlichen (im Alter von 14 bis 18 Jahren), die jeden Tag gestreamte Musik hören, bereits bei 31 Prozent.”      read more […]

  3. “dass wir uns Gedanken über einen”neuen” Begriff von Eigentum machen müssen”

    Fangen wir damit an: Als Künstlerin möchte ich künftig kostenlos den Wagen meines Bankers fahren dürfen und wohne gern bei meinen Fans in der Runde je eine Woche umsonst. Und die Musikfreunde bilden Sammelstellen, um für ihre Bands Kleidung und Nahrung einzukaufen. Na? ;-)

  4. @Petra: ok, dann machen wir uns halt keine Gedanken darüber. Wird das Ergebnis dann besser? ;-)

    1. Ich habe lediglich zu einem breiteren Gedankenkonzept anregen wollen. Langsam finde ich es nämlich seltsam, dass der Begriff “Eigentum” (im Internet allgemein) hauptsächlich in Bezug auf diejenigen diskutiert wird, die ohnehin meist in prekären Situationen leben (Urheber). Warum also nicht eine noch größere Umverteilung? Warum keine politische Provokation nach anderen Seiten (z.B. den Konsumenten von Kunst)? Veränderungen von Begriffen wie Eigentum kann man nicht auf Berufsgruppen beschränken.
      ARTE hat das in einer Doku übrigens bereits versucht http://snipurl.com/qdrrk

      Auch wenn ich mich unbeliebt mache, ich glaube nicht, dass wir unsere Errungenschaften nur danach diskutieren müssen, was sich in einer Konsumgesellschaft “von selbst entwickelt” / “gefordert oder gewünscht wird”, sondern dass es höchste Zeit ist, dass Künstler eingreifen in jene Zukunft!

    2. @Petra: ich finde, dass Jeremy Rifkin einen sehr breiten Ansatz hat. Er weist außerdem darauf hin, welchen Stellenwert Kunst und Kultur besitzen. Aus dem Buch kann man sich, denke ich, jede Menge Anregungen holen.

      Nur: die Diskussionen darüber muss ich verpasst haben. Oder hat es sie gar nicht gegeben?

  5. Wäre doch schön, wenn Kunstschaffende sich künstlerisch diesem notwendigen Prozess (Eigentum) annehmen würden. Es gäbe übrigens – gerade in der Jetzt-Zeit – noch so Einiges künstlerisch zu thematisieren, vorauszuahnen – z.B. “unser” Geldsystem. Ob das jedoch “systemrelevante Kunst” je bewerkstelligen kann?

  6. Lustig. In den letzten Tagen dachte ich auch immer wieder an das Buch von Rifkin (Access) und habe mir vorgenommen, es noch einmal zu lesen.

    Die grundlegende Theorie darin wird nämlich peu a peu zur Gewissheit.

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