“Kultur und Bildung sind keine herrschaftsfreien Räume”

Dieser Satz stammt aus einem Interview mit dem Elitenforscher Michael Hartmann, das ich auf der Website “Shortcut Europe 2010” gefunden habe. Der vom Fonds Soziokultur e.V. in Kooperation mit der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Kulturstiftung des Bundes durchgeführte Kongress beschäftigt sich mit den Themen soziale Ausgrenzung und kulturelle Teilhabe.

Eine Antwort aus diesem lesenswerten Interview möchte ich herausgreifen. Hartmann antwortet auf die Feststellung, dass immer wieder das Verbindende und Integrierende von Kultur betont werde:

“Zugleich ist Kultur in der Politik auch zu einer sehr beliebigen Floskel geworden, mit der man fast alles abdecken kann. Dabei wird zu leicht das Trennende von Kultur vergessen. Alle, die sich beispielsweise für die Hochkultur stark machen, legen auch Wert auf dieses Distinktionsmerkmal.”

Das erinnert mich an den Vortrag von Christiane Schnell auf der Arbeitstagung des Fachverbands Kulturmanagement, in der sie die Bedeutung von Pierre Bourdieus Feldtheorie auf das Kulturmanagement diskutierte (siehe dazu meinen Beitrag “Kulturmanagement: auf der Suche nach der richtigen Theorie“) und festhielt, dass KulturmanagerInnen mit ihrer Tätigkeit gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse reproduzieren und damit verfestigen.

Gegen die Verfestigung solcher Herrschaftsverhältnisse wendet sich “Shortcut Europe” und stellt die Frage, ob

“Kulturpolitik, (.) Kulturarbeit, kulturelle Bildung und Kulturpädagogik Strategien gegen soziale Ausgrenzung entwickeln (können)?”

Spannend ist aber nicht nur der Kongress, der vom 3. bis 5. Juni in Dortmund stattfindet, sondern auch die Website, die neben dem oben angeführten Interview noch einige weitere interessante Beiträge enthält.


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Kommentare

8 Antworten zu „“Kultur und Bildung sind keine herrschaftsfreien Räume”“

  1. Vielen Dank, Christian, für eine erneute Perle. Ich habe mir erlaubt, auf meinen (vielen) Kanälen auf das Interview hinzuweisen. Werde in Kürze auch Dein blog mal wieder “rumreichen”.
    Gruß aus dem verschneiten Neu-Ulm

  2. Es ist aber doch nichts Neues, dass das soziale Milieu, in dem man sich bewegt, bestimmte kulturelle Vorlieben hat, die auch als Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Milieus dienen. Das gilt doch für Subkulturen mindestens so stark, wenn nicht stärker, als für die Hochkultur, die wenigstens den – in meinen Augen durchaus fragwürdigen – Anspruch hat, für alle da zu sein. Subkulturen zementieren damit die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse ebenso wie die Hochkultur. Diese hat nur das Problem, dass sie mit klüngelnden Eliten assoziiert wird. In meinen Augen ist aber weniger kulturelle Ausgrenzung das Problem als Ausgrenzung von Bildung, im übrigen auch Selbstausgrenzung von Bildung.

  3. @kulturblogger: wenn das so klar wäre, dann dürfte ja eigentlich niemand von der integrativen Wirkung von Kunst und Kultur sprechen.

  4. Luise_Haeberle

    Wenn der Bedeutungsvorrat für bestimmte “Dinge” nicht im Kopf ist – kommt man nicht mit. Wer verhindert das Anlegen von Bedeutungsvorräten? Wird das systematisch betrieben? Fehlt die Lust auf Bildungs-Hamsterei, kein Bock aufs Bedeutung-Fringsen? Wie exkulpiert man sich – dass man unter sich bleiben möchte, von “oben” betrachtet und von unten? Als Elite oder Trotzkopf? Ausgrenzen?! Ausgegrenztwerden!? Sich ausgegrenzt fühlen?! Sind die einen und die anderen sich doch einig: Bildung ist unnötig wie ein Kropf!? Welches Satzzeichen setz ich, Frage oder Ausrufe? Was wollte ich sagen: Bildung tut not. Aber definier mal das Wort.

  5. @Luise Haeberle: Stimmt, Bildung gestern hat mit der Bildung heute wenig zu tun und wird mit der zukünftigen noch weniger zu tun haben. Wie sie aussehen wird, wissen wir nicht.

    Das Resultat von Bildung ist unter anderem Wissen. Unterschiedliches Wissen bedeutet die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppen. Ob gewollt oder ungewollt: kann man da etwas dagegen machen?

    1. Luise_Haeberle

      Wer schließt wen aus? Wer verschließt sich von vornherein? Sogar mancher “Bildungs”-Bürger brüstete sich angesichts einer drohenden geistigen Anstrengung scheinbar selbstironisch: “Ich bin ein Kulturbanause!” Er war (und ist) mit Sicherheit tatsächlich einer, kann aber so tun, als sei das nicht schlimm, weil er mit anderem vermeintlich kompensieren kann. So mancher, der sich nicht zum Bildungsbürgertum zählt, verachtet die ganze “Kulturscheiße” und bescheißt sich selbst. Wieviel Bilder hatte van Gogh verkauft? Wieviel wird heute bei Auktionen für eines seiner Werke gezahlt? Sind die Käufer von heute gebildeter als die angeekelten Betrachter von damals? Kultur verbindet und scheidet.

  6. @Christian Mich gruselt’s nur, wenn Kunst so ideologisiert wird. Ich kenne kein Beispiel, wo ihr das gut bekommen wäre.

  7. @Kulturblogger: stimmt, aber es gibt auch kein Beispiel, wo sie so gesehen nicht ideologisiert worden ist…

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