Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich gefragt, ob ich nicht zu einem Buch einen Artikel beisteuern kann, der sich mit der Zukunft des Kulturjournalismus beschäftigt. Kulturjournalismus 2.0 also. ;-) In meinen Augen ist das ein interessantes und auch wichtiges Thema, denn angesichts der Tatsache, dass für das Feuilleton in den Printmedien immer weniger Platz zur Verfügung steht, erscheint es angebracht, sich über dessen Zukunft Gedanken zu machen. Schließlich verfolgt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der meisten Kultureinrichtungen das Ziel, in eben diesem Feuilleton möglichst präsent zu sein. Was mit dem langsamen Verschwinden der Kulturberichterstattung immer schwieriger wird. Mit den folgenden Zeilen versuche ich das Thema zu strukturieren, um so die Grundlage für den Artikel zu schaffen.
Präsent sein heißt, das eigene künstlerische Ereignis wird von einer KritikerIn besprochen und das möglichst positiv, damit die LeserInnen sich auf Grund der Rezension für einen Besuch dieses Ereignisses entscheiden. Zwar gibt es den Automatismus positive Kritik = hohe Besucherzahlen nicht, aber zumindest für das Image ist es hilfreich, wenn man in den Zeitungen gut wegkommt. Das wird allerdings immer schwieriger, denn die Hochzeit des Feuilletons ist vorbei, der Platz wird knapper und nur die großen Events finden noch Erwähnung. Während die Kritik früher als eigene Kunstform galt (Heinrich Heine, Alfred Kerr, etc.) und damit für die Qualität einer Zeitung mitentscheidend war, wird die Kulturredaktion heute häufig als Anhängsel betrachtet. Schwindendes Interesse auf der einen Seite und hohe Redaktionskosten auf der anderen Seite sind die Ursache für diese Entwicklung.
So gilt auch bei uns, was Douglas McLennan vor rund einem Jahr im Hinblick auf Amerika konstatierte:
“Traditional arts journalism did a great job – when it was practiced well – of covering certain kinds of art. Still does.
Unfortunately, a great deal of arts journalism is poorly done. Over the past 20 years the pressure to concentrate on the consumer review function has trivialized much coverage. And the inability of most publications to develop longer story arcs that speak to a broader context has marginalized it. In an increasingly crowded cultural space, the traditional emphasis on the review as the primary form is suicide.”
Zwar ist das Internet nicht der Auslöser dieser Entwicklung, aber es hat diesen Prozess beschleunigt, die Bedeutung der Printmedien ist seitdem signifikant gesunken. Der wirtschaftliche Druck, dem die Verlage ausgesetzt sind und die Unfähigkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, hat der Berichterstattung über Kunst und Kultur nicht gutgetan, zumindest im Bereich der Printmedien.
Aber: noch nie konnten wir so viel über Kunst und Kultur lesen. Statt die Zeitung aufzuschlagen und zu wissen, auf welche Seiten über Kunst und Kultur berichtet wird, müssen wir uns heute auf die Suche nach den BerichterstatterInnen machen. Diese sind nicht mehr unbedingt an eine Zeitung gebunden, sondern immer häufiger als EinzelkämpferInnen unterwegs. Womit auch klar ist, dass sich das Berufsfeld der JournalistIn gewandelt hat. Wolfgang Blau, ZEIT-Online Chefredakteur, hat vermutlich Recht, wenn er in einem Interview behauptet, dass ein Journalist nicht nur Berichterstatter, sondern auch Moderator und Kurator sein müsse:
“Eine unserer Aufgaben wird sein, das Fachwissen unserer Leser zu bündeln, zu verifizieren, zu moderieren.”
Und weil hier (richtigerweise) von Moderation die Rede ist, würde ich den Journalisten auch noch zum Community-Manager machen. Das ist ziemlich viel Arbeit, werden Sie vielleicht an dieser Stelle einwenden und das nicht zu Unrecht. Unterstützung ist hier sicher kein Schaden, allerdings stellt sich die Frage, von wem die kommen wird? Hier bringen sich dann meist die Verlage ins Spiel, die immer wieder auf ihren Einsatz für den Erhalt des sogenannten Qualitätsjournalismus hinweisen.
Es ist unbestritten, dass sie diese Rolle früher innehatten. Heute allerdings scheinen sie sie verloren zu haben. Die alten Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, neue sind derzeit (noch) nicht in Sicht. Das heißt, wir stehen derzeit vor zwei Herausforderungen. Erstens hat sich das journalistische Berufsbild verändert und zweitens gibt es kein funktionierendes Geschäftsmodell mehr, mit dem die Verlage die journalistische Arbeit finanzieren können.
JournalistInnen arbeiten heute nicht mehr so häufig in vorgegebenen Strukturen, sondern sind oftmals auf sich alleine gestellt. Hier mal ein Artikel, dort eine Moderation und zwischendurch wird auf dem eigenen Blog gepostet und auf die Fotoplattform weitere Fotos hochgeladen. Gefällt uns die Arbeit, folgen wir nicht mehr den Informationen einer Zeitung, sondern der Person der JournalistIn, deren Aufgabe darin besteht, uns interessante Informationsangebote zu machen. So wie eine KuratorIn für uns eine Ausstellung zusammenstellt, stellt die JournalistIn für uns die Informationen zusammen. Nicht ohne Grund bezeichnet Jeff Jarvis in seinem Blogpost “Death of the curator. Long live the curator.” den Kurator als Vorbild für den Journalisten.
Bleibt die Frage nach dem Geschäftsmodell. Da gibt es den Ansatz, den spot.us verfolgt (siehe dazu den Beitrag “Artikel durch Crowdfunding finanzieren“) oder aber die Modelle von Flattr und Kachingle. Auch wenn diese Ideen erfolgreich umgesetzt werden können. Rezensionen lassen sich auch auf dieser Basis nicht finanzieren. Aber wenn man sich im Internet umsieht, wird man eine Vielzahl an Blogs, Websites und Magazinen entdecken können, die über Kunst und Kultur berichten. Ob “the art view“, “kulturlabskaus” oder das “Kunst-Blog“, sie alle informieren vor allem über Kunst und Kultur. Rezensionen findet man selten, weil die meisten dieser Seiten nur nebenbei betrieben werden und daher Geld und Zeit fehlen, um die Seiten auszubauen.
Kultureinrichtungen sollten solche Seiten Ernst nehmen und sie unterstützen, denn qualitativ hochwertige Berichterstattung ist in ihrem Interesse. Über Douglas McLennan bin ich auf die Seite des letztjährigen “National Summit on Arts Journalism” gestoßen. Gesucht wurden in diesem Rahmen Projekte, die dem Kulturjournalismus neue Perspektiven eröffnen können. Es lohnt sich, einen Blick auf die prämierten Projekte zu werfen. Sie alle sind stark regional ausgerichtet und zeigen, dass auch im globalen Internet lokale Bezüge eine wichtige Rolle spielen. Ob sich solche Ansätze durchsetzen werden können, vermag niemand zu sagen. Klar ist nur: die alten Modelle haben ausgedient, ohne dass dafür schon Ersatz gefunden werden konnte. Eine solche Situation mag vielen Angst machen, da sie nicht wissen, wie es weiter geht. Die Ungewissheit kann aber auch der Nährboden sein für völlig neue Konzepte, die ansonsten keine Beachtung finden würden.
Wie sehen Sie die Zukunft des Kulturjournalismus? Hat er überhaupt eine Zukunft und wenn ja, in welcher Form? Oder haben die KritikerInnen in den Feuilletons über eine elitäre Kunst geschrieben, die eh nur für eine Minderheit interessant ist? Womit das Ende des Feuilleton auch seine guten Seiten hätte.
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