© Petra Bork ; Pixelio
Nimmt man die Zahl der Anfragen, die mich in den letzten Wochen per Mail oder auch telefonisch zum Thema Crowdfunding erreicht haben, müsste ich eigentlich schleunigst umsatteln und mich ab sofort Crowdfundingberater nennen. Der Hype rund um dieses Thema scheint sich gerade voll zu entwickeln, das heißt aber auch: das Tal der Enttäuschungen steht uns noch bevor. Und wenn ich zusammenfasse, was ich in der letzten Zeit alles zu hören und zu lesen bekommen habe, würde ich sagen: bald ist es soweit. FinanzdienstleisterInnen nennen sich plötzlich CrowdfundigexpertInnen und Agenturen versuchen, Veranstaltungen auf diesem Weg zu finanzieren, wobei die Organisationskosten irgendwo bei 70 oder 80 Prozent liegen.
Uschi Reiter äußert – nicht ganz unberechtigt – in der Dezember-Ausgabe der “Versorgerin” “Zweifel an der Schwarmintelligenz 2.0” und spricht von einer Blase. Allerdings bringt es in meinen Augen wenig, auf “zertifizierte KulturmanagerInnen oder kreative Individuen” zu schimpfen und andere durch zwanghaft kritische Formulierungen zu bewerten. Wer dann am Ende das bedingungslose Grundeinkommen statt “endlosem und inhaltsleerem Selbstmarketing” fordert, produziert genau das, was er den anderen vorwirft: heiße Luft. Ich bin auch ein Freund des bedingungslosen Grundeinkommens, aber die Frage Crowdfunding oder Grundeinkommen geht in meinen Augen ein klein wenig an der Realität vorbei.
Eine verpasste Chance, denn Reiter hat recht, wenn sie von dem großen Aufwand spricht, der für eine solche Crowdfunding-Kampagne notwendig ist. Und sie hat recht, wenn sie darauf hinweist, dass sich größere Projekte (noch) nicht auf diesem Weg ausfinanzieren lassen. Die Frage, welches die Erfolgskriterien einer solchen Kampagne sind, wurde mittlerweile in einigen Diplomarbeiten behandelt, eine Checkliste mit Erfolgsgarantie wird leider noch nicht angeboten. Klar ist in meinen Augen: wer nicht im Social Web verankert ist, hat meist schlechte Karten. Aber: wer dort sehr präsent ist, bekommt den Erfolg nicht garantiert.
Wer sich beim Thema Crowdfunding auf den Kunst- und Kulturbereich konzentriert, hat es – vereinfacht gesagt – mit zwei Strömungen zu tun. Auf der einen Seite sind da die kleinen, nicht gewinnorientierten Vorhaben, die meist mit viel ehrenamtlicher Mitarbeit realisiert werden können. Kostenwahrheit wird es dort nie geben, auch da stimme ich mit Reiter überein. Aber ein Projekt hat so die Chance, dringend benötigte Ausgaben finanzieren zu können. Um solche Projekte, bei denen es nicht um fünfstellige Beträge geht, mache ich mir eigentlich wenig Sorgen. Manche werden es schaffen, ihr Umfeld zu mobilisieren, manche werden scheitern, die derzeitige Erfolgsquote von etwas unter 50% zeigt das recht anschaulich.
Crowdinvesting: das Risiko wird unterschätzt
Sehr viel mehr Sorgen bereiten mir Investitionsprojekte, bei denen es um sechsstellige oder noch höhere Beträge geht und entsprechend große Versprechungen gemacht werden. “Code Hero” ist zwar kein Projekt aus dem Kunst- und Kulturbereich, sondern ein Spiel, dessen Entwicklung mit $170.000 unterstützt wurde. Bereits im Februar wurde die Kampagne erfolgreich abgeschlossen, passiert ist bis heute aber nichts, wie dieser Artikel berichtet. Was ist denn, wenn solche Großprojekte – aus welchen Gründen auch immer – nicht realisiert werden können? Vermutlich ist das Geld schon ausgegeben, wenn die ersten die Rückgabe ihrer Unterstützungsleistungen verlangen. Und plötzlich merkt man als UnterstützerIn, dass man ein Risiko eingegangen ist.
Nach irgendwelchen Regeln muss man nicht rufen, es gibt für solche Fälle bereits die entsprechenden Gesetze. Aber man wird die Plattformbetreiber stärker in die Pflicht nehmen, so wie das heute schon bei Banken der Fall ist, wenn sie uns ein Investment verkaufen. Je mehr wir uns von der finanziellen Unterstützung eines Projektes in Richtung Investment bewegen, desto größer wird das Risiko für die UnterstützerInnen oder besser gesagt, InvestorInnen. Ich finde es großartig, dass ich mich heute mit sehr geringen Beträgen an Startups beteiligen kann und die Chance habe, damit Geld zu verdienen. Aber ich muss mir auch darüber im Klaren sein, dass 9 von 10 Startups nicht überleben werden. Das heißt, ich muss mir die Geschäftsmodelle genauer anschauen, nicht ohne Grund wird bei größeren Investments eine Due Diligence durchgeführt, in deren Rahmen das Unternehmen und das Geschäftsmodell genau durchleuchtet werden.
Stichwort Geschäftsmodell: Livekritik, “ein überregionales Rezensions- und Bewertungsportal für Kulturveranstaltungen,” wie es dort heißt, versucht derzeit, über Investoren auf der Plattform Companisto 100.000 Euro einzusammeln. Um es klar und deutlich zu sagen: ich finde die Plattform großartig und glaube, dass sie dem Kunst- und Kulturbereich gut tut. Ich glaube auch, dass sich Livekritik finanziell tragen kann. Aber laut Finanzplan erwirtschaftet die Seite in drei Jahren 1,5 Mio Euro Gewinn, der aus Provisionen für verkaufte Tickets, dem Verkauf von Online-Werbung sowie dem Verkauf von Premiumpaketen für Veranstalter herrührt. Ein Jahr später sind es dann bereits mehr als 3,5 Mio. Euro.
Als Plattform, die für den Kunst- und Kulturbereich wichtig ist, könnte ich mir vorstellen, sie zu unterstützen. Als Investitionsprojekt scheinen mir diese Zahlen unrealistisch. Und das gilt nicht nur für dieses eine Projekt, sondern für die meisten.
Man möge mich nicht falsch verstehen: Dieser Hype ist eine ganz logische Entwicklung, die ich auch nicht stoppen möchte. Aber man muss ja nicht blind mit der Herde mitrennen. Ich glaube an die Zukunft des Crowdfunding, aber irgendwann demnächst kommt es halt, das Tal der Enttäuschungen. ;-)
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