Ein Jahr lang palavern. Die Idee zu diesem Projekt stammt von Sabine Gysi. Mittlerweile ist Tania Kummer dazugestoßen. Zu zweit versuchen sie ein Vorhaben zu realisieren, das vor allem wegen seines Finanzierungsmodells meine Aufmerksamkeit erregt hat. Worum geht es?
“Salonpalaver stellt ab Januar 2009 an jeweils einem Dienstagabend pro Monat Spoken-Word-Poeten eine Auftrittsplattform zur Verfügung”,
kann man auf der Website lesen. Spoken-Word „umfasst alles von HipHop-ähnlichen Performances über Slam Poetry bis zu Schauspielern oder Autoren, die einen Text vortragen“, beschreibt Sabine Gysi diese Kunstform im Weblog, das das Projekt begleiten wird. Bevor die Veranstaltungsreihe starten kann, gilt es allerdings noch ein Problem zu lösen.
Um ein Jahr palavern zu können, braucht man Geld. Zwar stellt die Villa Sträuli ihre Räumlichkeiten zur Verfügung, aber das reicht natürlich nicht. Statt um öffentliche Fördergelder anzusuchen, haben sich Sabine Gysi und Tania Kummer etwas anderes einfallen lassen: 600 Mäzene sollen das Projekt mit jeweils 50 Schweizer Franken unterstützen. Am 14. August erfolgte er Startschuss, bis Ende Oktober sollen die Unterstützer gefunden sein, um das Vorhaben bis Ende 2009 finanzieren zu können.
Was die Sache besonders interessant macht: Die Mini-Mäzene sollen mit Hilfe von Netzwerken, Blogs, etc. vor allem über das Internet gefunden werden. Aber: ist die Idee überhaupt realistisch und was passiert, wenn die 600 Mäzene nicht gefunden werden? Diese und noch weitere Fragen habe ich Sabine Gysi gestellt, die nicht nur Artikel über Spoken Word und Slam Poetry für das Kulturmagazin »ensuite«schreibt, sondern beim Jazzclub Moods im Schiffbau in Zürich für Kommunikation und Marketing zuständig ist und zusätzlich noch für das Online-Newsnetzwerk Facts 2.0 arbeitet.
Kulturmanagement Blog: Sabine, wie seid Ihr auf die Idee mit den Mini-Mäzenen gekommen und wie wollt Ihr 600 Mini-Mäzene erreichen? Wie motiviert Ihr die Leute, sich am Projekt zu beteiligen?
Sabine Gysi: Die Idee kam mir, als ich mir überlegte, welche öffentlichen Stellen, Organisationen und Firmen ich als Finanzierungspartner angehen würde. Für „Salonpalaver“ sah ich zwei Möglichkeiten: Entweder ein einziger grosser Sponsor, der das ganze erste Jahr abdeckt. Oder aber viele kleinste Beiträge.
Da ich mich in den letzten Jahren für Online-Aktionen wie „1 Million pixel“, „One thousand paintings“ und weitere interessiert hatte, drängte sich mir die Idee der „600 Mini-Mäzene“ auf. Ich erinnerte mich daran, dass die Spoken-Word-Community (vor allem die Slam-Poetry-Szene) Internet-affin ist. Ich fragte einige Leute, die Salonpalaver nahe stehen, was sie von der Idee der Mini-Mäzene hielten. Alle fanden die Idee gut; hatten aber ihre Zweifel wegen der hohen Zahl 600. Vielleicht haben sie Recht. Aber etwas wie die Mini-Mäzene ist zwangsläufig ein Experiment – es kann gelingen oder scheitern.
Wie motivieren wir die Leute? Wir möchten, dass sie sich für einen der folgenden Charakterzüge von Salonpalaver erwärmen: 1) Hier wollen zwei Leute mit Begeisterung für das gesprochene Wort und mit Kulturmanagement-Rüstzeug eine kleine, aber feine Veranstaltungsreihe schaffen. 2) Jeder, der sich auch für das gesprochene Wort begeistert, kann zum Gelingen beitragen – mit einer kleinen Summe, die nicht schmerzt. Plötzlich kann jeder ein Mäzen sein! 3) Das Internet ermöglicht all dies überhaupt. Nur über das Internet ist es möglich, ohne gewaltigen finanziellen Aufwand viele Leute zusammenzubringen, die eine Idee unterstützen. Ja, wir möchten den Mini-Mäzenen das Gefühl geben, dass sie gemeinsam für eine Idee einstehen, einer kleinen Bewegung angehören.
Kulturmanagement Blog: Hundert Mäzene sind bald geschafft, was tut Ihr, um die restlichen 500 auch noch ins Boot zu holen?
Sabine Gysi: Weiterhin beharrlich versuchen, die richtigen Multiplikatoren zu finden. Ich habe den Eindruck, wir bohren nach Öl und sind noch nicht auf die Quelle gestossen. Auf Social Networks und in der Schweizer Blogszene müssten wir noch aktiver werden; die (Offline-)Medien haben wir noch kaum ausgereizt. Allerdings würde Letzteres unsere Idee verwässern, nur über Online-Kanäle an unser Ziel zu kommen.
Es ist uns offensichtlich noch nicht gelungen, einen Hype in Gang zu setzen. Vielleicht sind unsere Inhalte einfach zu wenig aufregend. Oder vielleicht müssten wir ein witziges YouTube-Video in Umlauf bringen – würde das mehr Aufmerksamkeit erzeugen? Das Problem ist allerdings: Aufmerksamkeit ist nicht gleich Geld, wie wir in den letzten Wochen festgestellt haben. Viele Leute, die uns Anerkennung entgegenbringen, können offenbar die 50 Schweizer Franken trotzdem nicht erübrigen.
Kulturmanagement Blog: Spoken Word, Internet, Schweiz, Mäzene: passt das alles überhaupt zusammen oder anders gefragt: ist die Gruppe derer, die Ihr damit ansprecht nicht zu klein?
Sabine Gysi: Spoken Word und Schweiz, da gibt es eine gute Schnittmenge: Spoken Word wird in der Schweiz immer beliebter. Was das Internet anbelangt, muss man schon differenzieren; die Schnittmenge findet sich vor allem da da, wo sich Spoken Word in Poetry Slams äussert. Die Slam-Poetry-Gemeinde der Schweiz ist im Internet sehr aktiv.
Die Mini-Mäzene, das ist die grosse Unbekannte. Mini-Mäzen ist ja nicht gleich Mäzen. Mini-Mäzen könnte jeder werden, der nicht gerade unter der Armutsgrenze lebt. Die Frage ist: Warum tun’s viele nicht? Ich wüsste das wirklich gern. Reut sie das Geld? Gefällt ihnen das Projekt nicht? Sind sich die Leute zu sehr gewohnt, für Kultur nur unmittelbar beim Konsum Geld auszugeben? Oder widerstrebt es ihnen schlicht und einfach, sich die 15 Minuten Zeit zu nehmen, um sich zu informieren?
Kulturmanagement Blog: Warum verzichtet Ihr auf öffentliche Fördergelder? Wäre es nicht einfacher gewesen, zumindest einen Teil auf diese Weise zu finanzieren?
Sabine Gysi: Vielleicht wäre eine Mischform ergiebiger. Aber als ich mir das „Modell Mini-Mäzene“ ausdachte, wurde mir eines Tages klar: Eine Mischform hätte die bestechende Klarheit der Formel 600-Mini-Mäzene à 50 CHF = 1 Jahr Salonpalaver verwässert. Das Modell Mini-Mäzene wäre zu komplex, zu wenig eingängig geworden.
Kulturmanagement Blog: Ihr gehört zu den wenigen, die mit neuen Finanzierungsformen experimentieren. Glaubst Du, dass sich solche Modelle durchsetzen werden und ist es kulturpolitisch überhaupt erstrebenswert? Besteht nicht die Gefahr, dass sich die öffentliche Hand mehr und mehr aus der Finanzierung von Kunst und Kultur zurückzieht?
Sabine Gysi: Unser Ziel ist es, Salonpalaver ab dem zweiten Jahr durch ein herkömmliches Modell, unter anderem also durch die öffentliche Hand, zu finanzieren. Eigeninitiative sollte belohnt werden; die öffentlichen Kulturförderstellen sollten es honorieren, wenn jemand etwas vorerst selbst auf die Beine stellt. Würde sich die öffentliche Hand zurückziehen, weil sie merkt „Ah, da gibt es immer mehr Leute, die ihr Geld so oder so finden“, dann müsste ich am Sinn ihres Auftrags – oder an ihrer Auffassung davon – zweifeln.
Ich glaube nicht, dass sich genau dieses Modell immer mehr durchsetzen wird. Denn: Schon jetzt werden die Leute täglich mit Anfragen aus den verschiedensten Bereichen überhäuft. Kämen da auch noch regelmässig Anfragen dazu, Mini-Mäzen zu werden, wäre sehr schnell der Ignorier-Modus da.
Kulturmanagement Blog: Noch zwei ganz praktische Frage am Ende: wenn ich jetzt 50 Franken einzahle und das Projekt kommt nicht zustande, bekomme ich dann mein Geld zurück? Und komme ich als Mäzen nur dann in Frage, wenn ich in der Schweiz lebe?
Sabine Gysi: Selbstverständlich bekommst Du in diesem Fall Dein Geld zurück. Das Geld auf dem Salonpalaver-Konto wird nicht angerührt, bis wir mindestens 80 oder 90% beisammen haben und mit der Umsetzung beginnen. Sollten wir scheitern, dann setze ich mich einen Tag lang hin und überweise alles zurück an die Mini-Mäzene.
Wir sprechen hauptsächlich Schweizer an, da wir davon ausgehen, dass Mini-Mäzen werden will, wer später auch die Veranstaltungen besuchen wird. Wenn jemand aus Deutschland oder Österreich Mini-Mäzen werden will, umso schöner. Mini-Mäzene aus der ganzen Welt sind natürlich willkommen. Das Internet kennt keine Landesgrenzen.
Kulturmanagement Blog: Vielen Dank für Deine Antworten, Sabine.
Ich bin gespannt, wie es mit Salonpalaver weitergeht. Ich finde es toll, dass sich Sabine und Tania an dieses Finanzierungsmodell “gewagt” haben, denn es ist, denke ich, schon eine ziemliche Herausforderung, die 600 Mini-Mäzene zu gewinnen.
Sabines Antworten werfen für mich gleich jede Menge neue Fragen auf, z.B. ob es eine Grenze gibt, sich an solchen Projekten zu beteiligen und wo die liegt. Aber das wird dann ein eigener Beitrag.
Wenn Sie Interesse am Projekt haben oder Mini-Mäzen werden wollen – wie gesagt, etwas mehr als 500 fehlen noch – , klicken Sie einfach auf die von Serap Bulut gestaltete Grafik.
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