Es gibt ja Begriffe, die wir häufig verwenden, ohne so genau zu wissen, was damit eigentlich gemeint ist. Da haben wir zum Beispiel das Begriffspaar Effektivität (das Richtige tun) und Effizienz (etwas richtig tun).
Wie verhält es sich mit den beiden Adjektiven kompliziert und komplex? Andrew Smart hat auf seinem Blog zur systemischen IT einen Beitrag veröffentlicht, in dem er den Unterschied zwischen einer komplizierten und einer komplexen Aufgabe erklärt. Dabei bezieht er sich auf das Buch “Denkwerkzeuge der Höchstleister: Wie dynamikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen” von Gerhard Wohland und Matthias Wiemeyer.
Deren Aussage sei, so Smart:
“Mit Wissen kann man komplizierte Aufgaben lösen, aber nur mit Können kann man komplexe Aufgaben lösen.”
Als Beispiel hält der Fussball her:
“Die Logistik einer Fußballmannschaft ist kompliziert, aber mit genügend Wissen über die Zusammenhänge lösbar. Die Durchführung des Spiel selbst ist komplex (weil hochdynamisch) und mit theoretischem Wissen über das Fußballspiel eben nicht lösbar. Dafür muß man es können.”
Das heißt, komplexe Situationen entstehen aus einer hohen Dynamik heraus und sind durch das entsprechende Können beherrschbar. Komplizierte Aufgaben hingegen bedürfen des entsprechenden Wissens, um gelöst zu werden.
Jetzt stehe ich nur vor der Frage, was wir denn unter Wissen und Können genau verstehen? Liest man das Blogpost von Andrew Smart, dann könnte man meinen, Wissen sei etwas Theoretisches und Können etwas Praktisches. Das Verständnis von Können passt, denke ich. Auf Wikipedia ist von “praktischen Fertigkeiten” die Rede.
Dort wird aber auch Können als Teilbereich des Wissens angesehen, insofern ist die Erklärung im Blogpost für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich habe bis jetzt Können und Wissen noch nie als Gegensätze aufgefasst, insofern hänge ich da jetzt etwas.
Klar ist mir hingegen der Unterschied zwischen kompliziert und komplex. Bei ersterem geht es um die Verknüpfung logischer Konditionen (siehe auch Wikipedia), während Komplexität ein System beschreibt, das nicht mehr nach einfachen “wenn-dann”-Prinzipien funktioniert, sondern vielschichtig und dynamisch ist.
Alexandra Graßler hat sich auf ihrem Blog auch mit diesem Thema beschäftigt und ist dabei auf eine ganz interessante Erklärung gestoßen. Während Komplexität die potenziell in einem System enthaltenen Ordnungszustände kennzeichne, weise das Komplizierte eher auf Verwirrung, Unordnung und Erschwernis hin.
“Wenn etwas immer komplizierter wird, ohne gleichzeitig neue Ordnungszustände zu erreichen, hat das noch nichts mit Komplexität zu tun”,
zitiert sie Annette Schlemm, die eine recht informative Website zum Thema Komplexität erstellt hat. Diese Ordnung eines komplexen Systems vergleicht Alexandra Graßler mit einem Mobile:
“Ein Mobile ist im aufgehängten Zustand eine 3D-Angelegenheit. Hier sind die einzelnen Teile miteinander vernetzt und wenn ich eins davon bewege, entferne oder ein weiteres dazufüge, kommt die bestehende Ordnung erstmal durcheinander und das gesamte Gebilde muss sich neu ausrichten. Liegen die einzelnen Teile dagegen unverbunden auf einem Tisch, kann ich mit jedem der Einzelteile etwas machen, ohne dass es die anderen tangiert. Der 3D-Effekt (die Vernetzung) fehlt und damit sind die Teile einzeln quasi nur noch eindimensional wie ein Foto.”
Ich würde dieses Bild jetzt gerne noch ergänzen. Denn der Ausgangspunkt ist die Eindimensionalität. Um daraus ein Mobile zu machen, muss ich die einzelnen Teile in die richtige Reihenfolge bringen, sie auffädeln. Das kann eine komplizierte Aufgabe sein und stellt den Schritt von der Ein- zur Zweidimensionalität dar. Und erst wenn ich die nun aneinandergereihten Teile aufhänge, kommt das System in seiner Komplexität zur Geltung, es ist plötzlich mehr als die Summe seiner Teile.
Anders gesagt: Komplexität bezieht sich immer auf das System, Kompliziertheit auf die einzelnen Teile des Sytems bzw. deren logische Verknüpfung. Um herauszufinden, wie die einzelnen Teile des Systems verbunden sind, reduzieren wir die Komplexität des Systems, weil wir dann leichter erkennen, welche Teile miteinander verbunden sind. Da passt die Definition von Kompliziertheit, die ich in einer Xing-Gruppe entdeckt habe, wunderbar dazu:
“Kompliziertheit ist ein Maß für die Unwissenheit eines Beobachters.“
Das ist übrigens eine der Hauptaufgaben des Projektmanagements. Wir nehmen dem Projekt (dem System) seine Komplexität, um die Ordnung hinter der Vielzahl an einzelnen Aufgaben zu erkennen. Dafür erstellen wir die ganzen Pläne. Sonst wird es für Sie ganz schön kompliziert, ein komplexes Projekt zu realisieren. ;-)
Update vom 28.02.2017: Patrick Schönfeld hat sich auf seinem Blog Chaosverbesserer auch mit dieser Thematik beschäftigt: “Komplex und kompliziert: Wo liegt da der Unterschied?“
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