© Christoph Müller-Girod
In den letzten zwei Tagen habe ich viel über die Zukunft der PR lernen können. Da war zum einen die viel kritisierte Pressekonferenz von Vodafone und andererseits fand gestern die stART.09 Pressekonferenz statt. Um es vorweg zu nehmen: natürlich bin ich in Sachen stART.09 etwas befangen, man möge mir das nachsehen. Aber versuchen wir es doch mal mit einer Art Bestandsaufnahme im Hinblick auf Pressekonferenzen.
Nachdem ich als freier Autor für ein IT-Magazin schreibe, kenne ich dieses Thema von beiden Seiten. Ich weiß, wie oft JournalistInnen zu Pressekonferenzen eingeladen werden, bei denen sie sich schon im Vorfeld fragen, worum es denn eigentlich gehen soll? Ist es nicht so, dass Pressekonferenzen zu einer Art Ritual verkommen sind? Man wird eingeladen, die Location soll halbwegs interessant sein und eigentlich ist das wichtigste die Pressemappe, die den Pressetext und nach Möglichkeit ein paar Fotos enthält. Anschließend: ein paar Statements und ein paar Häppchen, fertig.
Dieses Spiel wird bereits seit ziemlich langer Zeit gespielt und zwar von allen Beteiligten. Björn Sievers schreibt völlig richtig in seinem Blogpost “Vodafone sucht die Generation Upload“:
“Und ich muss gestehen, ich habe mich geschämt. Ein bisschen Fremdschämen für Vodafone war dabei, aber vor allem habe ich mich selbst für mich und meinen Berufsstand geschämt. Denn Journalisten (und damit auch ich, zumal ich in einem früheren Leben viel über Vodafone geschrieben habe) lassen zu, dass es solche Pressekonferenzen gibt. Bisher war das nicht so furchtbar schlimm, hat ja keiner gemerkt. Aber jetzt hat Vodafone so eine Veranstaltung ins Internet übertragen, und da können bekanntlich alle zugucken.”
Das heißt, Vodafone hat mit seinem Mut, die Pressekonferenz live ins Internet zu übertragen, eigentlich allen einen Gefallen getan. Wir konnten erleben, wie unsäglich der Modus von Pressekonferenzen eigentlich ist. Nun könnte man sagen, in Zeiten des Web2.0 brauchen wir JournalistInnen eh nicht mehr, also schaffen wir doch Pressekonferenzen ganz ab.
Das sehe ich nicht so, denn wir brauchen sie auch weiterhin und es wird sie auch weiterhin geben. Nur sollten wir vielleicht auf solche Formen der Präsentation verzichten. Da geht es nicht um Informationsvermittlung, sondern eher um Imponiergehabe. Auf beiden Seiten übrigens. ;-)
Wichtig sind daher folgende Punkte:
- Pressekonferenzen nur noch dann, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt.
- Die Inhalte so aufbereitet, dass sie die jeweiligen Zielgruppen auch verstehen (in einer IT-Zeitschrift darf das, was für Laien Fachchinesisch ist, durchaus vorkommen).
- Dialog statt Balzgehabe
“Erschwerend” kommt nun noch das Social Web dazu. Plötzlich findet eine Pressekonferenz nicht mehr nur in einem geschlossenen Raum vor einer begrenzten Zahl von BesucherInnen statt, sondern sie wird live ins Internet übertragen und die UserInnen haben die Möglichkeit, sich aktiv daran zu beteiligen. Sie können kommentieren, Fragen stellen und wenn es ihnen fad wird, wegklicken.
Ist das dann die Pressekonferenz 2.0 oder wie es Björn Sievers genannt hat, eine “Public Konferenz”? Meiner Meinung nach lässt sich das Format der Pressekonferenz nicht so einfach auf das Social Web übertragen. Inhaltlich habe ich gestern bei der stART.09 Pressekonferenz folgende Wahrnehmung machen können. Für die meisten JournalistInnen war das Web2.0 völlig bzw. ziemlich neu, während die UserInnen vor dem Bildschirm Web2.0-ExpertInnen waren. Fragen kamen so in Bezug auf die Konferenz kaum auf, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Das heißt, die gestrige Konferenz war nur ein erster Schritt, aber letzten Endes war es dann doch vor allem eine klassische Pressekonferenz mit Liveübertragung ins Internet. Wobei das so nicht ganz stimmt, denn durch den Chat und die Twitterwall hat sich eine eigene Dynamik entwickelt, die die Pressekonferenz immer wieder mal gestreift hat, wenn ich das als Online-Besucher richtig mitbekommen habe.
Unser Vorteil gegenüber Vodafone war, dass die Teilnehmer der Pressekonferenz zumindest ansatzweise auf das reagieren konnten, was auf der Twitterwall zu lesen war, die sie auch die ganze Zeit via Leinwand im Blickfeld hatten. Als der Ton zu Beginn sehr leise war, gab es eine Reihe von Tweets, die zu lauterem Sprechen bzw. einer besseren Einstellung aufforderten. Auch auf die Kritik, dass man die fragenden JournalistInnen weder sehen noch hören konnte, wurde reagiert. Das hat mir gut gefallen, zeigt aber auch, dass es nicht reicht, einen solchen Feedbackkanal einfach mitlaufen zu lassen. Ich denke, es ist wichtig, dass dieser Kanal auch entsprechend betreut wird und die Verantwortlichen sich dann auch direkt kurzschalten können, wenn Bedarf besteht.
Die (negative) Dynamik der Kommentare während der Vodafone Pressekonferenz hätte man zwar nicht verhindern können, aber zumindest hätte man versuchen können, das ganze in eine konstruktive Richtung zu bewegen. So war das reines Vodafone-Bashing, das sich ab einem gewissen Zeitpunkt von den Inhalten der Pressekonferenz abgekoppelt hatte. Also auch hier gab es die Trennung zwischen off- und online, nur war in diesem Fall die Kluft noch größer als bei der stART.09 Pressekonferenz.
Ob es inhaltlich Sinn macht, solche Veranstaltungen online und offline durchzuführen, vermag ich noch nicht wirklich einzuschätzen. Im Rahmen der Vodafone Pressekonferenz wurde immer wieder betont, wie wichtig die Kunden seien. Nur saßen die vor ihrem PC und waren eher stille Zuhörer bzw. -schauer. Vereinfacht gesagt gelang es Vodafone, seine Message bei den klassischen Medien zu platzieren. Ob uns das durch die Pressekonferenz gelungen ist, müssen wir noch schauen. Zwar haben wir unsere Online-Zielgruppe damit erreicht, aber bei denjenigen, die sich offline informieren, hat das dann unter Umständen nicht funktioniert.
Die Frage, ob es nun besser ist, die JournalistInnen und damit die Medien zu erreichen oder eher einen Teil der Zielgruppe (nämlich der, der sich so eine Veranstaltung anschaut und auch kommentiert), mag ich so nicht beantworten. Wenn ich die JournalistInnen nicht erreiche ist es schlecht und wenn ich meine Zielgruppe vor den Kopf stoße ist es auch schlecht.
Wie das Problem lösen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Meiner Meinung nach divergieren die Erwartungen der verschiedenen Zielgruppen (JournalistInnen versus KundInnen) zu stark, um beide im Rahmen einer Veranstaltung unter einen Hut zu bekommen. Daher stellt sich für mich die Frage: gibt es ein Format, das den Interessen so unterschiedlicher Zielgruppen gerecht wird?
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