Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Computerkauf, der vielleicht so – oder zumindest so ähnlich – abgelaufen ist? Der alte hatte lange Zeit treue Dienste geleistet und dazu beigetragen, dass Sie Ihre Texte nicht mehr mit Tipp-Ex (wer das nicht mehr kennt, hier ist die Erklärung ;-) ) korrigieren mussten. Aber nun war er leider hinüber. Festplattencrash. Glücklichweise hat sich das nahende Ende angekündigt und daher war es Ihnen gelungen, Ihre Daten in Sicherheit zu bringen.
Nun stand also der Gang in den PC-Shop an. Unschlüssig standen Sie vor den vielen Computern, die zudem noch alle ziemlich gleich aussahen. Auf die Frage, ob man Ihnen helfen könne, antworteten Sie mit Ja. Einen neuen Computer würden Sie brauchen, fügten Sie noch hinzu. Die nächsten Sätze des Verkäufers sahen, um ein Bild zu verwenden, ungefähr so aus:
© Tomizak; Pixelio
Alles klar? Sicher war das ein toller PC, der Ihnen da vorgestellt wurde, aber wahrscheinlich verstanden Sie, wie die meisten von uns in dieser Situation, nur Bahnhof. Sie schauten den Verkäufer verständnislos an, denn mit all den Details, die diesen Computer auszeichneten, konnten Sie nicht viel anfangen.
“Der PC ist so gut, dass Sie mit ihm jedes Spiel spielen können”, versuchte der Verkäufer die Situation zu retten. “Aber ich spiele gar nicht am PC”, entgegneten Sie leise, was dem Verkäufer ein schon fast vorwurfsvolles “Ja dann” entrang. “Wozu brauchen Sie den PC denn überhaupt?” fragte er Sie, womit er der Sache schon näher kam.
Sie erklärten ihm, dass Sie den PC eigentlich nur für Schreibarbeiten verwenden und hier und da eine Präsentation erstellen würden. Außerdem wäre es fein, wenn der Computer genügend Platz für Ihre Fotos hätte. Daraufhin empfahl Ihnen der Verkäufer einen PC, der nicht nur Ihren Bedürfnissen entsprach, sondern zudem noch sehr günstig war.
Was Merkmal, Vorteil und Nutzen unterscheidet
Ganz klar, in dieser Geschichte geht es ums Verkaufen. Sie zeigt, welcher Voraussetzungen es bedarf, damit eine VerkäuferIn uns etwas verkaufen kann. Ohne einen konkreten Bedarf werden wir nur selten etwas kaufen. Und gekauft wird, was uns nutzt. Ich finde, wenn es um das Thema Verkaufen geht, Christian Sickels Buch Verkaufsfaktor Kundennutzen
Während, so Sickel, ein Merkmal wertfrei die Eigenschaften des Produkts oder der Dienstleistung beschreibt, zeigt ein Vorteil,
“inwieweit das Produktmerkmal – vom Kunden eingesetzt – eine Hilfe sein kann” (S.18).
Aber erst wenn ein konkreter Bedarf besteht, wird aus dem Vorteil ein Nutzen für die KundIn.
“Ein Nutzen verdeutlicht dem Kunden, inwiefern ein Produktmerkmal oder ein Vorteil seinen konkreten Bedarf deckt” (S.21),
formuliert es Sickel, für den das Schema eines nutzenorientierten Verkaufsgesprächs so aussieht:
- “Verkäufer fragt
- Kunde bringt vermuteten Bedarf vor
- Verkäufer stellt weiterführende Fragen
- Kunde antwortet mit konkretem Bedarf
- Verkäufer stellt jetzt das Produkt vor und beschreibt es durch Nutzen.” (S.26)
Schauen wir noch einmal auf unsere Einstiegsgeschichte zurück, so fällt uns sofort auf, dass hier die Einstiegsfrage des Verkäufers fehlt. Stattdessen startet er mit der Beschreibung der Merkmale des Computers. Als er merkt, dass er damit nicht weiter kommt, weist er auf einen Vorteil dieses Geräts hin. Und erst danach mündet das Verkaufsgespräch in das Schema von Sickel, wobei ich gestehen muss, dass ich Ihnen in der Geschichte der Einfachheit halber die Unterscheidung zwischen vermutetem und konkretem Bedarf vorenthalten habe.
Acht Gründe, warum Kunden kaufen
Nun ist die Situation (leider) nicht immer so eindeutig wie in diesem Beispiel. Überspitzt formuliert haben Sie es als VerkäuferIn häufig mit KundInnen zu tun, die erst im Laufe eines (Verkaufs)-Gesprächs ihren Bedarf entdecken. Wobei ich jetzt mal davon ausgehe, dass Sie Ihre KundInnen nicht manipulieren oder sonstwie beeinflussen, um einen Abschluss zu erzielen.
In so einer Situation gilt es herauszufinden, aus welchen Motiven jemand etwas kaufen könnte. In ihrem Beitrag “Acht Gründe, warum Kunden kaufen” nennt Doris Doppler folgende Punkte:
- Sicherheit
- Ansehen
- Neugier
- Gewinn
- Gesundheit
- Selbstverwirklichung
- Bequemlichkeit
- Geselligkeit
So weit in groben Zügen die Theorie. Nachdem das hier das Kulturmanagement Blog ist, gehe ich mal davon aus, dass Sie nicht unbedingt Computer verkaufen. Oder Autos. Nein, gehen wir mal davon aus, dass Sie Kunst verkaufen. Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und vieles mehr.
Kundennutzen im Kunst- und Kulturbereich: gibt es den?
Wie werden uns diese künstlerischen Events verkauft? Inwieweit gehen Kultureinrichtungen auf unseren Bedarf ein? Werfen Sie doch mal Ihre Blicke auf ein paar Websites von Kulturbetrieben, auf denen die nächsten Veranstaltungen angekündigt werden. Das Hamburger Thalia-Theater beispielsweise kündigt den “Thalia Vista Social Club” so an:
“Sie brauchen nicht vierzig Jahre zu warten, um Ihre Lieblingslieder von heute voll Nostalgie noch einmal zu hören. Sie müssen nicht darauf hoffen, dass die Enkel von Wim Wenders irgendwo in schäbigen Clubs einen Haufen alter Männer entdecken, die immer noch Ihre Musik spielen.”
Hier wird Ihnen ein Vorteil versprochen, wenn Sie in das Theater kommen (“Sie brauchen nicht vierzig Jahre zu warten (…)”) und sich die Vorstellung ansehen bzw. anhören. Daran anschließend erfahren Sie etwas über den Abend, d.h. hier geht es um die Beschreibung, die Merkmale. Und was ist mit dem Bedarf? Sie merken schon, so ganz funktioniert das nicht. Kann man Kunst denn überhaupt verkaufen? Darf man von einem Kundennutzen sprechen?
Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen diese Frage mit einem Nein beantworten. Ich beantworte sie mit einem Ja. Allerdings gibt es zwei Ebenen, auf denen die Kunst es mit uns Kunden zu tun bekommt. Einmal auf der gesellschaftlichen, die Zack Hayhurst sehr anschaulich in seinem Blogpost “Re-evaluating value” beschreibt . Und einmal auf der von uns als Individuen, die wir die Ausstellungen oder Konzerte besuchen sollen und durch den Erwerb einer Eintrittskarte die jeweilige Einrichtung mitfinanzieren.
Da gibt es auf der übergeordneten Ebene unzählige Studien, die belegen, welche positive Auswirkungen Musik vor allem auf Kinder haben kann. Da wird auf europäischer Ebene die positive Rolle von Kunst und Kultur diskutiert (siehe dazu das Blogpost von Michael Wimmer). Der Nutzen für uns als Gesellschaft läge also auf der Hand, aber auf der Ebene der Individuen wird der Bedarf nicht erkannt. Und ohne Bedarf kein Nutzen. Ein Allheilmittel, um Kunst und ihren Nutzen zu verkaufen, habe ich leider nicht. Aber die Diskussion muss geführt werden, sonst ist es irgendwann einmal zu spät.
Wie sieht es auf der individuellen Ebene aus? Wann entsteht bei uns ein Bedarf, der uns im Besuch eines Theaterstücks einen Nutzen erkennen lässt? Hier spielen, so denke ich, die von Doris Doppler angeführten Motive eine wichtige Rolle. Zwar steht der Wunsch nach Geselligkeit dem künstlerischen Anspruch vieler Kulturbetriebe entgegen, aber er ist eine Tatsache. Genauso wird sich mancher ein Bild kaufen, nicht weil er es so schön findet, sondern weil er sich finanziellen Gewinn erwartet. Und wie oft haben Sie schon Kunst genossen, einfach weil Sie neugierig waren? Weil Sie einen Star sehen wollten, von dem Sie schon so viel gesehen und gehört hatten. Ist das verboten? Sollen Sie als Kulturbetrieb solche Wünsche ignorieren? Ich denke nicht.
Das heißt, Kultureinrichtungen dürfen sich nicht ausschließlich auf ihre eigene Begeisterung verlassen, wenn es darum geht, BesucherInnen “anzulocken”, sondern sie müssen herausfinden, welche Bedürfnisse es wirklich sind, die ein Konzert oder eine Ausstellung für das Publikum interessant machen. Einer der interessantesten Ansätze in dieser Hinsicht ist das Web 2.0, bei dem der Dialog im Vordergrund steht und Ihnen die Möglichkeit bietet, Ihr Publikum direkt anzusprechen. Aber das ist wieder ein anderes Thema. ;-)
PS: Dieser Blogbeitrag erscheint im Rahmen der Blogparade von Kerstin Hoffmann.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen