Ein neues Blog zum Thema Kulturvermittlung

Kulturvermittlung und Social Web, das scheint eigentlich gut zusammen zu passen, wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten uns die digitalen Technologien heute bescheren, mit Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen zu kommunizieren. Aber die Vorbehalte sind groß, immer wieder liest man von der Bedrohung, die den Kultureinrichtungen durch die Verlagerung der Kommunikation ins Netz droht.

Erst gestern habe ich einen Blogbeitrag gelesen, in dem die Frage gestellt wurde,

“wie (es) wäre, wenn alle Kunstwerke virtuell zu besichtigen wären?”

Die Antwort erfolgt postwendend:

“Wäre dies nicht schrecklich? Wo bleibt da die Atmosphäre, zuhause vor dem PC? Virtuelle Welten haben wir doch schon genug! Da ist ein Ausstellungsbesuch kein Event mehr. Die Kunst verschwindet aus dem räumlichen Umfeld und wird Teil der Informationsflut. Und schließlich ist die Betrachtung eines Abbilds niemals das gleiche wie der direkte Blick auf das Original.”

Eine ähnliche Sorge klingt auch bei Birgit Mandel, Professorin am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, durch. Zusammen mit Christoph Deeg hat sie gerade das Blogprojekt zukunftkulturvermittlung gestartet und schreibt in ihrem Beitrag Funktionen von Kulturvermittlung im Web 2.0:

“Jahrzehntelang arbeiteten Kulturvermittler an der Mission, mehr Menschen mit Live-Kunstaufführungen, mit der Aura des Originals in Berührung zu bringen, mehr Menschen zu eigener sinnlicher Auseinandersetzung mit Kunst und künstlerischer Gestaltung zu animieren. Welche Ziele und welche Bedeutung kann die Kulturvermittlung im Zeitalter des Internets noch haben, wenn ein Großteil der Lebenszeit sich in virtuellen Räumen abspielt, die kaum mehr zu überschauen, geschweige denn zu steuern sind? Verlagert sie ihre Aktivitäten nun auch in diese Räume, spielt sie dort mit? Oder versucht sie, Menschen von den virtuellen Welten aus von der Attraktivität realer Kunst-Welten zu überzeugen?”

Diese Sorge ist, denke ich unbegründet, schließlich fürchten sich Kulturbetriebe ja auch nicht vor Filmen, die über Kunst berichten oder gar vor Büchern. Aber ich vermute, als damals Buch, Radio oder TV aufkamen, sahen auch viele das Ende von Kunst und Kultur unmittelbar bevorstehen. Eine Studie aus den USA, über die ich vor einiger Zeit bereits einen  Beitrag verfasst habe („Audience 2.0″: ersetzt der mediale Kunstgenuss das reale Kunsterlebnis?), zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. In “Audience 2.0: How Technology Influences Arts Participation” kommen die AutorInnen eigentlich genau zu dem umgekehrten Schluss. Joe Frandoni formuliert es in einem Beitrag (“Audience 2.0 – Condensed, Part I“) über die Studie so:

“Participation in the arts through electronic and digital media actually spurs participation in live arts performances and exhibitions.”

Jetzt wäre es im nächsten Schritt interessant herauszufinden, warum das so ist. Mit diesem Wissen wäre, und hier widerhole ich mich, für die Kultureinrichtungen viel gewonnen, denn sie hätten damit eine Art Schlüssel, wie sie die medialen bzw. digitalen Inhalte aufbereiten müssen, um die Menschen besser ansprechen bzw. für einen Besuch motivieren können.

Vielleicht lassen sich ja im Rahmen des Blogprojekts zukunftkulturvermittlung Antworten darauf finden? Für Kunst und Kultur wäre das vermutlich ein großer Gewinn.


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8 Antworten zu „Ein neues Blog zum Thema Kulturvermittlung“

  1. meiner meinung nach sind menschen dann leichter für die kunst zu gewinnen, wenn sie darin einen persönlichen, emotionalen anknüpfungspunkt finden. diesen finden sie dann leichter, wenn die “rund-um-die-kunst”-informationen abwechslungsreicher gestaltet werden. beispiel: jemand surft “zufällig” auf eine museums/galerie-seite und findet dort – im optimalen fall, aktuell – den trockenen, langweiligen pressetext der laufenden ausstellung (auch wenn er fachlich noch so ausgezeichnet ist/wäre). nehmen wir an, da war EIN satz oder wort, das den user neugierig gemacht hat und er will nun mehr wissen und sucht nach schnellen links zu “aufregenden” informationen: meist ist nicht einmal die künstlerwebsite angegeben, oder ein kostenloses (!) youtube-video oder sonstige “segnungen” der modernen kommunikation. nichts, was den user beim thema hält.
    natürlich muss derartiger content betreut werden, braucht also fachpersonal. und hier entsteht dann wieder ein riesiges problem: organisationen sind meist deshalb langsam, behäbig und unattraktiv (auch nicht brandaktuell), weil sie die gesetze des web2.0 nicht verstehen – sie möchten alles “perfekt” machen. das dauert, kostet enorm viel geld und kommt beim user gar nicht gut an. alles zu aufgesetzt. nicht umsonst sind amateurvideos die meistgeklickten.
    warum nicht die user selbst dazu animieren, content für die organisation zu kreieren? die können das allemal besser, lieben wettbewerb und aktionismus – und könnten so nicht nur multiplikatoren sondern auch treue fans werden. – und das kostet sicher nichts, weil sponsoren da leichter zu finden sind.
    ich würde einer solchen organisation raten, sich eine gruppe jugendlicher zu holen die “null bock auf kunst” hat, aber kompetente nutzer des web2.0 sind und sie mit kommunikationsideen aktiv werden lassen – und dann nach einigen wochen würde ich liebend gerne diese gruppe über ihre meinung zur kunst fragen…die sähe dann sicher anders aus.

    aber das alles ist ja nichts neues: es ist/war immer eine frage der partizipation, ob sich jemand für ideen oder inhalte begeistern lässt/liess.
    die zeiten sind “schneller”, die kulturbetriebe noch zu langsam!

  2. @artstage: auf den Punkt gebracht, danke! Ich denke auch, dass sich Kulturbetriebe einfach mehr trauen müssen. Im schlimmsten Fall werden die Videos dann halt nichts…

    Auf der anderen Seite kann ich die Angst der Kulturbetriebe verstehen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man keinen Fehler machen darf. Eigentlich dumm, denn nur durch Fehler lernen wir.

    1. es ist natürlich kein “trost” für die kulturbetriebe, aber sie sind nicht die einzigen, die dieses problem haben:
      http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/artikel/a-738905-2.html

    2. Danke für den Link. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass Veränderung immer auch bedeutet, dass jemandem etwas weggenommen wird. Und wer bis jetzt als Führungsperson unangefochten “regieren” konnte, hat mit so einem Wandel im gegenseitigen Umgang ein Problem, eben weil ihm etwas weggenommen wird.

      Insofern ist diese Angst ja auch begründet. Die Herausforderung besteht in meinen Augen darin, zu erkennen, dass man trotz des persönlichen Machtverlusts trotzdem gewinnen kann. Aber das kann ich als Selbständiger natürlich leicht sagen….

  3. Nun ich denke bei diesem Thema an die großen Opernaufführungen, sei es die MET, an die MET im Kino http://www.tmg.de/tmg/index.php?StoryID=191 ein gelungener Versuch, Denn wer kann schon immer die MET besuchen, aber das KLangerlebnis in einem neuen Kino ist Klasse ;-)

  4. @frank8233: stimmt, die MET verfolgt da eine ganz interessante Strategie und versucht, eng mit Schulen und Unis zusammenzuarbeiten.

  5. Super Beitrag…wie immer.

    Die Angst einiger Menschen vor fast allem Digitalem ist wirklich nur noch schwer zu verstehen. Internet mache dumm und einsam….unglaublich sowas…und Du hast Recht: Privatfernsehen, Comics und selbst Handys hat man das auch nachgesagt. Aus eigener Erfahrung kann ich insgesamt sehr positiv über die Möglichkeiten des Web2.0 berichten. Ich würde behaupten, dass die Kulturbetriebe und deren Nutzer nie näher aneinander dran waren, als sie es heute sind, wenn multiple (!) Kanäle der Ansprache genutzt werden, und vor allem die neueren. Die Möglichkeiten für die Kulturvermittlung sind wahrscheinlich riesig und bisher fast völlig ungenutzt. Ich bin gespannt auf das neue Blog.

  6. @Tom: die Frage ist, ob Kultureinrichtungen diese Nähe wollen. ;-) Ansonsten danke für die Blumen, sehen wir uns in Ludwigsburg?

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