“8592 – St Petersburg – Hermitage“; By thisisbossi (CC-Lizenz)
Solche Warteschlangen vor den meist großen Museen trifft man leider immer häufiger an, wobei sich das “leider” vor allem auf die bezieht, die auf diese Weise wertvolle Zeit verlieren. Für die Museen ist es eher eine Bestätigung der eigenen Arbeit und der Hinweis darauf, dass die Ausstellung den Geschmack des Publikums getroffen hat. So schön das große Interesse auch sein mag, ganz so toll ist eine lange Schlange vor den Kassenhäuschen aber auch für das Museum nicht, denn vermutlich schreckt die Aussicht auf eine längere Wartezeit viele potenzielle BesucherInnen ab.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Konzepten, die solche Situationen zu vermeiden helfen sollen. So bieten etwa viele Museen die Möglichkeit an, die Tickets online zu kaufen und damit nicht alle zur selben Zeit vor den Ausstellungsobjekten stehen, gelten die Tickets nur für einen bestimmten Zeitraum. Was eine ganz plausible Lösung zu sein scheint, um den Ansturm der Massen etwas zu entzerren, kann auch schnell ins Gegenteil umschlagen und dann eher abschreckend wirken.
So wird den BesucherInnen der National Gallery bei der am 9. November beginnenden Leonardo da Vinci Ausstellung nur noch ein arg kleines Zeitfenster zugestanden.
“Es ist ausgesprochen wichtig, unsere Website gründlich zu lesen und sich vor dem Besuch zu informieren,”
zitiert ihn Julia Voss in ihrem Artikel. Ein Ratschlag, den man von Museumsseite eher selten hört, schließlich ist dort die Angst groß, dass der Besuch der Website für immer mehr Menschen als Ersatz für den Museumsbesuch angesehen wird und die Besucherzahlen deshalb sinken.
In die gleiche Kerbe schlägt die Autorin, wenn sie schreibt, dass es
“eindeutig besser (sei), ein Gemälde nie im Original gesehen zu haben – als 4 Minuten, 17 Sekunden davor in einer Blockbusterschau zu stehen.”
Während also auf der einen Seite die Museen mit allen Tricks arbeiten, um das Publikum möglichst rasch durchzuschleusen, haben die meisten Museen das gegenteilige Problem: zu wenig BesucherInnen.
Unter der Überschrift “Sind Museen nur noch reine Unterhalter?” hält Claudia Hangen in “The European Circle” fest, dass die kleinen Museen, die keine großen Attraktionen bieten, da nicht mehr mithalten können und um ihr Überleben kämpfen müssen. “Ihr Manko”, so die Autorin,
“sie bieten Schätze aus Sammlungen, die zeitlos sind, keiner Mode unterstehen und durch keinen PR-Manager für die Masse attraktiv angepriesen werden.”
Während sich also die einen mit allen Mitteln der Massen zu erwehren versuchen, fehlen den anderen die so dringend benötigten BesucherInnen. Die Großen werden immer größer und den Kleinen geht es an den Kragen, eine Entwicklung, die wir nicht nur im Museumsbereich erleben.
Markbereinigung nennt man das dann, wenn etwa im Handel die kleinen Geschäfte nach und nach verschwinden und sich am Ende ein paar große Ketten durchsetzen. Spricht man jemanden auf diese Entwicklung an, hört man von ihm meist ein paar Worte des Bedauerns, bevor er in den nächsten Supermarkt verschwindet. So ähnlich ist das im Museumsbereich wohl auch. Wir finden es zwar traurig, wenn immer mehr kleine Museen dicht machen müssen. Aber wer besucht schon ein Bezirksmuseum, wenn er doch beim nächsten Großstadtbesuch eine Blockbusterausstellung zu sehen bekommt. Zwar vielleicht nur 4 Minuten und 17 Sekunden für jedes Ausstellungsstück. Aber um zu Hause erzählen zu können, dass man natürlich dort die vielgerühmte Ausstellung gesehen habe, reicht das allemal.
Wer ist Schuld an dieser Entwicklung? Eigentlich alle. Die Kulturpolitik, weil sie es nicht schafft, Konzepte zu entwickeln (und umzusetzen), die den großen und kleinen Häusern das Überleben ermöglichen. Die auf den ersten Blick unspektakuläre Arbeit der kleinen Museen ist die Grundlage für die Publikumserfolge der großen Häuser. Die Blockbuster mag man kritisieren, aber sie sind auf der anderen Seite auch eine Art Werbeträger. Es kommt auf die Mischung an, auf das richtige Verhältnis und genau das scheint gerade verloren zu gehen, wenn die Kleinen mangels Geld zusperren müssen, während die Großen sich gegenseitig toppen müssen, um genügend Aufmerksamkeit zu erregen.
Schuld an dieser Entwicklung sind aber auch die Museen selbst, die es verabsäumt haben, sich so zu vernetzen, dass alle von der Zusammenarbeit profitieren. Warum kooperiert immer nur Groß mit Groß und Klein mit Klein? Gibt es da irgendeine mir nicht bekannte Gesetzmäßigkeit? Warum gelingt es Museen erst dann, die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen, wenn die Schließung unmittelbar bevorsteht?
Und warum nehmen wir das “Museum um die Ecke” erst dann wahr, wenn es zugesperrt werden soll, während wir ansonsten bei jeder sich bietenden Gelegenheit von unserem Besuch der Tate, des Guggenheim-Museums, etc. berichten? Es macht also keinen Sinn, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Noch geht es uns und unserer Museumslandschaft so gut, dass sie erhalten werden kann. Dazu können die Kulturpolitik, die Museen und wir als BesucherInnen beitragen. Übrigens: heute ist internationaler Museumstag. ;-)
Update: Um das Missverständnis auszuräumen: im FAZ-Artikel ist davon die Rede, dass nach 30 Minuten die nächsten 180 BesucherInnen in die Ausstellung eingelassen werden. D.h. nicht, dass man als BesucherIn nach 30 Minuten rausgeworfen wird. Jeder kann selbstverständlich so lange bleiben, bis das Museum schließt.
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