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Wer sein Projekt mit Hilfe von Crowdfunding zu finanzieren beabsichtigt, tut das sehr häufig, weil es für das Vorhaben keine oder zu wenig öffentliche Mittel gibt. Das Geld gibt es nicht, weil zu wenig da ist, was bedeutet: Crowdfunding ist für die Politik eine feine Sache, denn wer vom kleiner werdenden Förderkuchen nicht mehr satt wird, ernährt sich über die aus dem Boden schießenden Crowdfunding-Plattformen.
Aber ist das wirklich so? Die Frage beschäftigt mich, weil ich einerseits gerade für die Kulturpolitische Gesellschaft einen Artikel über das Thema Crowdfunding schreibe und andererseits eingeladen wurde, auf einer vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ausgerichteten Konferenz Crowdfunding als neues Finanzierungsinstrument vorzustellen.
Wenn wir darüber diskutieren, wie Kunst und Kultur zu finanzieren sind, dann zeigt sich recht schnell, dass das die Aufgabe des Staates zu sein hat. Dieser garantiert, dass erstens qualitativ hochwertige Kunst entsteht, die sich nicht unbedingt am Mainstream orientiert und verhindert zweitens, dass es keine Einflussnahme seitens privater Unterstützer gibt. Das impliziert: Kunst und Kultur werden ohne ideologische Beweggründe gefördert, schließlich eignen sie sich auch hervorragend als gesellschaftliches Schmiermittel. Kunst verbindet Menschen, die sich ansonsten durch Herkunft, Bildungsgrad und andere Kriterien sehr wohl voneinander unterscheiden.
“Kultur für alle” postulierte Hilmar Hoffmann in den 1970er Jahren, eine Forderung, die zwar ab und zu noch erhoben wird, aber wer die kulturpolitischen Versuche, “allen” den Zugang zur Kunst ermöglichen, Revue passieren lässt, wird feststellen: mit besonders großer Ernsthaftigkeit arbeitet die Kulturpolitik heute nicht mehr daran. Warum das so ist, darüber können wir vermutlich endlos streiten. Vielleicht liegt es einfach daran, dass Kulturpolitik noch nie ideologiefrei war und Kunst und Kultur eigentlich immer als Instrumente gesehen wurden, die die gesellschaftliche Trennung verstärken.
Christiane Schnell, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt hat das in ihrem Vortrag auf der im Januar 2010 in Wien stattfindenden Arbeitstagung des Fachverbandes Kulturmanagement recht anschaulich erläutert (siehe dazu mein Blogpost Kulturmanagement: auf der Suche nach der richtigen Theorie) und sich dabei auf Pierre Bourdieus Gesellschaftstheorie berufen.
“Kulturelle Präferenzen sind nicht autonom, sondern das Ergebnis der sozialen Sozialisation,”
hat Schnell damals in Wien gesagt und festgestellt, dass durch die Förderung und Unterstützung von Kunst gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse reproduziert werden. Das bedeutet: Kulturpolitik kann zwar durchaus den Anspruch haben, Kunst und Kultur allen zugänglich zu machen. Häufig geht es aber darum, den Status Quo aufrecht zu erhalten, wie der Blick in die Kulturbudgets zeigt. Während neue, junge und innovative Projekte oft gar keine oder nur eine geringe Unterstützung erhalten, absorbieren die etablierten Kultureinrichtungen einen Großteil des zur Verfügung stehenden Geldes.
Gefördert wird also vor allem die Hochkultur, während die Kunst, die sich gegen das Establishment wendet, meist auf Unterstützung durch den Staat verzichten muss, obwohl sie vielleicht durchaus populär ist. So haben sich immer wieder Nischen gebildet, in denen Communitys vom größten Teil der Gesellschaft unbemerkt, ihre eigene Kunst leben und erleben.
An dieser Stelle kommt nun das Crowdfunding ins Spiel. Auf den Plattformen geht es nicht darum, für bestimmte Projekte zu spenden, sondern es geht um das, was Brian Solis als “Engage” beschreibt, das sich aktive Einbringen, das auch über verschiedene Aktivitäten im Social Web zum Ausdruck gebracht werden kann und nicht nur durch die Überweisung von fünf Euro.
Ist es nicht so, dass Crowdfunding den vielen (künstlerischen) Nischen die Möglichkeit bietet, sich aus den Strukturen zu lösen, die sie bis jetzt eher behindert denn gefördert haben? Kann Crowdfunding ein Ansatz sein, der sich in die Richtung von Hoffmanns “Kultur für alle” bewegt? Lässt sich auf diese Weise eine Pluralität realisieren, die zwar häufig als Schlagwort in den Mund genommen wird, vor der dann aber doch die meisten Angst haben, wenn sie mit einer für sie fremden Kunst (und auch ihnen fremden Menschen) konfrontiert werden? Oder ganz anders gefragt: ist Crowdfunding unter Umständen nicht etwas, wovor sich “die Kulturpoltik” fürchten müsste, weil hier Projekte finanziert und realisiert werden, die das bestehende Herrschaftssystem unterminieren? Ihre Meinung würde mich interessieren.
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