Vielleicht kennen Sie die Geschichte von James Burbage, der 1576 das erste öffentliche Theater in England baute und die Theaterkasse einführte. Der Grund: Theater fand bis dahin auf öffentlichen Plätzen statt, die BesucherInnen konnten kommen und gehen. Bezahlt wurde am Ende und es geschah, was wir heute bei vielen StraßenkünstlerInnen auch erleben können. Wenn am Ende der Hut kreist, sind die Leute weg, Natürlich war das für die Theatergruppen ärgerlich, denn sie hatten nicht nur viel Zeit und Geld in die Produktion gesteckt, sondern mussten außerdem auch davon leben.
So ähnlich fühlen sich heute viele KünstlerInnen. Sie investieren Zeit und Geld in ihre Kunst und bekommen dafür höchstens etwas Anerkennung, aber kein Geld. Und weil sie das als ungerecht empfinden, – und es ist ungerecht – wurde in Österreich die Kampagne “Kunst hat Recht” ins Leben gerufen. KünstlerInnen können von ihrer originär künstlerischen Arbeit kaum leben, hat eine 2008 veröffentlichte Studie gezeigt, dagegen gilt es etwas zu unternehmen. Aber der Ansatz der Kampagne “Kunst hat Recht” geht in eine völlig falsche Richtung und schadet den KünstlerInnen mehr als er ihnen nützt. Der Versuch, über das Urheberrecht das finanzielle Überleben zu sichern, ist rückwärtsgewandt. Auf James Burbage gemünzt würde das bedeuten, er hätte den Vorschlag gemacht, im Umkreis von 500 Meter rund um die Theatergruppe einen Zaun zu errichten und alle, die ohne zu zahlen aus diesem Kreis herauswollen, zu bestrafen. Was das für den Theaterbereich bedeutet hätte, kann sich jede/r selbst ausmalen.
Und genau so ein Horrorszenario scheinen die Verantwortlichen von “Kunst hat Recht” anzustreben. Mit ihrem vor ein paar Tagen veröffentlichten Video bedienen sie die unsäglichsten Klischees und verscherzen es sich mit all denen, auf deren Unterstützung sie eigentlich angewiesen sind.
Zwei Punkte möchte ich hier gerne ansprechen:
- Mir ist nicht klar, wer hier eigentlich kritisiert wird? Sind es die jungen KollegInnen des alternden Schriftstellers oder sind es die LeserInnen, die sich, ohne zu zahlen, an den Inhalten seiner Werke erfreuen? In diesem Video werden alle in einen Topf geworfen und als Diebe gezeichnet, die der “Lichtgestalt” des Künstlers den letzten Schluck Kaffee nicht gönnen. Was um alles in der Welt soll damit erreicht werden? Muss ich mich jetzt schuldig fühlen? Nein, tue ich nicht und vermutlich alle anderen auch nicht. Insofern ist dieses Video sinnlos. Nein, es ist nicht sinnlos, es ist kontraproduktiv.
- Besonders rührend ist es, wenn “Kunst hat Recht” genau dieses Prinzip des Teilens anwendet, gegen das man sich eigentlich zu wehren versucht. Das Video wird kostenlos produziert (klar, dass da alle umsonst mitarbeiten) und nun werden wir aufgefordert, die Inhalte via Facebook & Co. zu teilen. Sorry, merkt denn da niemand, das es spätestens an diesem Punkt völlig absurd wird? Noch nicht mal zu einer Creative Commons-Lizenz hat man sich durchringen können.
Dass man sich mit dieser Kampagne auf dünnem Eis bewegt, haben die InitiatorInnen der Kampagne vor wenigen Tagen wohl selbst erkannt und ihre Forderungen “präzisiert“, wie es auf der Website heißt. Darin spricht man sich erstens dagegen aus, die Downloads privater UserInnen rechtlich zu verfolgen und diese so zu kriminalisieren. Zweitens möchte man die Möglichkeit haben, “gegen die öffentliche Bereitstellung von urheberrechtlich geschützten Inhalten vorgehen zu können”. Und drittens möchte man “Web-Angebote mit Urheberrechtsverletzungen in gewerblichem Stil” verhindern können.
In meinen Augen wird es damit völlig absurd, denn gegen wen richtet sich die Kampagne denn eigentlich nun? Wer sind denn eigentlich die jungen Leute aus dem Video? Die MitarbeiterInnen von Pinterest, Facebook, Google & Co.? Oder die KollegInnen? Ich fürchte, man hat mit diesem Video ein ziemliches Eigentor geschossen und sich, was noch schlimmer ist, vor den Karren der Content-Industrie spannen lassen, die nicht erst seit Internetzeiten die UrheberInnen an der kurzen Leine hält. Guy Kirsch und Volker Grossmann bezeichnen in einem Artikel in der FAZ “Künstler und Autoren als menschliche Schutzschilde” der Unterhaltungsindustrie. Vielleicht sollten sich die vielen KünstlerInnen, die sich als UnterstützerInnen von “Kunst hat Recht” deklariert haben, mal überlegen, ob ihnen hier gleiches wiederfährt? Immerhin tauchen im Impressum der Website nur eine PR-Agentur und die diversen Verwertungsgesellschaften auf.
Fakt ist, es gehört erstens das Urheberrecht reformiert und zweitens die Lebensgrundlagen von KünstlerInnen und Kreativen verbessert. In meinen Augen macht es Sinn, beide Themen voneinander zu trennen und sich vorrangig mit dem zweiten Thema zu beschäftigen. Dies deshalb, weil ich Pessimist bin, was ein neues Urheberrechtsgesetz betrifft. Ein solches Gesetz muss weltweit gelten, der dazu nötige Prozess dauert vermutlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, wie die WTO-Verhandlungen zeigen. Viel realistischer ist es vermutlich, auf technologische Lösungen zu setzen, die es einem erlauben, die Nutzung der eigenen Inhalte zu gestatten oder zu unterbinden. Hinzu kommt: wenn die KünstlerInnen sich keine Sorge mehr um ihr Einkommen machen, lässt sich das Thema Urheberrecht sehr viel entspannter angehen.
Kunst ist immer die Reaktion auf Kunst oder mit anderen Worten: Kunst ist Remix. Das folgende Video macht das deutlich. Es ist eine witzige Antwort auf das Video der Kampagne “Kunst hat Recht” und weist in die Richtung, die auch James Burbage gegangen ist. Denn letztes Endes können wir uns nicht gegen Weiterentwicklungen wehren und am Status Quo festhalten.
Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum ich dieses Bild oben ausgewählt habe? Wir können zwar den Menschen verbieten, die Abkürzung über eine Wiese zu nehmen, aber sie werden trotzdem ihren Weg finden. Und so ähnlich ist es auch beim Urheberrecht. Es macht keinen Sinn, weitere Verbotstafeln aufzustellen, sondern es gilt, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Nicht nur ein neues Urheberrechtsgesetz ist gefragt, sondern auch neue Erlösmodelle. Es muss ja einen Grund haben, warum Crowdfunding derzeit so populär ist. ;-)
Titelbild: Manfred Schimmel ; Pixelio
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