© Gerd Altmann ; Pixelio
Vor wenigen Tagen konnte man auf dem Google+ Profil von DRadio Wissen ein äußerst knapp gehaltenes Posting lesen:
“Liebe Google+-Community,
wir sind raus. Und zwar aus Google+. Social Media-Aktivitäten finden aber natürlich trotzdem weiterhin statt. Ihr findet uns auf Facebook und bei Twitter. Grüße und bis bald, die Redaktion.”
Begründet wurde dieser Schritt mit den fehlenden Rückmeldungen der UserInnen, deren Ausbleiben bei den Verantwortlichen des Senders zu der Ansicht führte, die eigenen Inhalte seien nicht relevant genug. Und nun geschah das, was man sich immer gewünscht hatte: es folgte eine Vielzahl von Kommentaren, in denen dieser Schritt bedauert wurde. Jetzt hat der Sender über den Rückzug vom Rückzug informiert und bleibt weiter auf Google+ aktiv.
Ob diese Entscheidung richtig oder falsch ist, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht weiß, welche Ziele der Sender mit seinem Profil auf Google+ verfolgt. Gut, Interaktion ist wichtig, aber warum ist sie eigentlich wichtig? In den sozialen Netzwerken sorgt ein hoher Grad an Interaktion in der Regel für entsprechende Sichtbarkeit. Wie das funktioniert, haben Philipp Steuer und Steffen Peschel in ihren Blogbeiträgen erklärt und die entsprechenden Tipps netterweise gleich mitgeliefert. Aber was mir fehlt, ist das Grundverständnis für diese Interaktion.
Interaktion in Form von Kommentaren, Gefällt-mir-Bekundungen oder Retweets sind zwar schön, aber vielleicht sollten wir uns mal in die Rolle derer versetzen, von denen wir die Interaktion erwarten? Als User soll ich also permanent irgendwo meinen Senf dazugeben und wenn mir kein gerader dazu Satz einfällt, klicke ich halt auf den Gefällt-Mir-Button. In meinen Augen ist das ein ziemlich blödes Spiel und wenn bekannterweise 90 Prozent der UserInnen einfach nur die Inhalte konsumieren, dann müssen die (also die Inhalte) deshalb nicht schlecht sein. Andersherum gefragt: warum muss ich denn mit dem Hinweis auf eine Crowdfunding-Sendung interagieren? Und weiter gefragt: was hat der Sender davon, wenn darunter viele vermutlich wenig aussagekräftige Kommentare stehen? Liegt da nicht ein ganz schreckliches Missverständnis vor, wenn ich mich von der Interaktion abhängig mache und bei ausbleibenden Kommentaren die Segel streiche? Am Ende wird von mir als User verlangt, dass ich mit jedem Fahrplan interagiere. Sorry, da läuft was falsch und dazu habe ich keine Lust.
Was DRadio Wissen von der Interaktion hat, kann ich nicht sagen. Mir selbst ist Interaktion wichtig, weil sie für mich in der Regel wertvolles Feedback zu meinen eigenen Ideen, Meinungen und Inhalten bietet. Dieses Blog dient mir sehr oft dazu, mit Hilfe der Beiträge eigene Gedanken zu entwickeln. Interaktion bedeutet dann, dass jemand darauf reagiert und entweder Zustimmung bzw. Kritik äußert oder Fragen stellt. Am Ende steht für beide hoffentlich ein Mehrwert, der sich aber auch für alle anderen ergeben kann, die den Beitrag einfach nur passiv konsumiert haben. Das ist in meinen Augen nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil, ich bin sehr häufig passiver Konsument interessanter Inhalte und profitiere auch davon, wenn ich nicht interagiere.
Natürlich kann ich nicht von meiner Sichtweise auf andere schließen. Wenn auf der Facebookseite der Deutschen Bahn keine Interaktion stattfinden würde, dann würde da etwas gründlich schieflaufen, denn die Seite ist als Serviceangebot für die Kunden gedacht. Wenn ich hingegen in einem Blogpost darauf hinweise, dass die Tagebücher Klaus Manns nun online zur Verfügung stehen, dann erwarte ich ehrlich gesagt keine Interaktion.
Mehrwert ist nicht gleich Interaktion
Annette Schwindt hat vor einigen Tagen ein dazu passendes Blogpost geschrieben. In “Die Sache mit dem Mehrwert” stellt sie die alles entscheidende Frage: “Warum sollte jemand meiner Präsenz folgen? (…) Wo ist der Mehrwert (für die anderen)?” Aber selbst wenn ich ihn kenne, der Mehrwert führt nicht automatisch zu Interaktionen. Bei Annette Schwindt ist die Sache klar. Sie schreibt über ein Thema, zu dem ich als User ständig Fragen habe. Also frage ich sie auch. Auf Twitter, auf Facebook oder sonstwo.
Auf dem Blog der Residenz München beispielweise sieht die Sache ganz anders aus. Hier geht es nicht um täglich auftretende Probleme, die dringend gelöst werden müssen, sondern das Blog bietet fundierte, in die Tiefe gehende Fachinformation, die für mich einen Mehrwert bietet, auch wenn ich keinen Kommentar dazu verfasse.
Ich will jetzt gar nicht das Wort Strategie in den Mund nehmen, aber bei DRadio Wissen hätte eigentlich schon die Frage nach dem Mehrwert genügt, um feststellen zu können, dass bei den angebotenen Inhalten die Interaktion nicht das entscheidende Kriterium ist. Viele beklagen sich über den Stress im Umgang mit den vielen Informationen. Sind es nicht wir selbst, die den Stress verursachen, indem wir uns vorab gar nicht überlegen, was wir eigentlich mit unseren Aktivitäten bezwecken und woran wir den Erfolg erkennen? Steffen Peschel schreibt in seinem Beitrag unter Punkt 1 seiner Handlungsempfehlungen: “Wenig Interaktion liegt nicht an den Usern.” Das ist grundsätzlich richtig. Aber was ist denn, wenn wir gar keine Interaktion wollen? Könnte das nicht auch ein Mehrwert sein? ;-)
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