Nürnberg, (k)ein Reisebericht

Als ich vor einigen Wochen von einer Agentur kontaktiert wurde, die mich nach Nürnberg einladen wollte, war ich überrascht, denn der Anlass war der 350. Geburtstag der dortigen Akademie der  bildenden Künste und eine damit verbundene Ausstellung im Neuen Museum, dem staatlichen Museum für Kunst und Design.

Eigentlich ist das ja nicht mein Metier, schließlich beschäftige ich mich eher mit den Dingen, die hinter den Kulissen stattfinden. Aber die Neugierde und die Aussicht, nach vielen Jahren mal wieder den Ort zu besuchen, in der ich während des Studiums einige Jahre gelebt habe, ließen mich zusagen und so machte ich mich auf den Weg in die Stadt, mit der die meisten Menschen Dürer, den Christkindlmarkt und den Nationalsozialismus verbinden.

Aber die Stadt hat natürlich mehr zu bieten und genau das wollte man uns nun in diesen knapp zwei Tagen zeigen, die, ich nehme es vorweg, perfekt organisiert waren und uns interessante und in die Tiefe gehende Gespräche ermöglichten. Da waren wir also, wir Blogger. Irgendwie war es für mich etwas merkwürdig, wenn wir, wohin wir auch kamen, als „die Blogger“ vorgestellt wurden. Das klang so nach „fremdem Wesen“, denen man aber mit viel Freundlichkeit und Offenheit begegnete, ohne genau zu wissen, was das Ergebnis dieser Begegnung sein würde.

Nürnberg beherbergt die älteste Akademie der bildenden Künste

Nachdem der „Bloggerkollege“ schon sehr ausführlich über unsere Erlebnisse berichtet hat, erlaube ich mir einige Punkte herauszuheben, die mich beeindruckt haben. Da ist erst einmal die Geschichte der  Akademie, die, 1661/62 gegründet, die älteste Akademie im deutschsprachigen Raum ist und auf eine sehr wechselvolle Geschichte zurückblicken kann. Was als Akademie begann erlebte im 19. Jahrhundert einen Unterbruch, denn König Ludwig I. wollte aus der Stadt das zukünftige Gewerbezentrum Bayerns machen, wie Charlotte Kranz-Michaelis in ihrem Beitrag für die Festschrift „“350“ berichtet. Da war es folgerichtig, dass die Akademie in eine Kunstgewerbeschule umgewidmet wurde.

Mit ein Grund war des Königs Ansicht, die Akademie in München würde bereits genügend Maler ausbilden. Und noch einen Grund erwähnt Kranz-Michaelis: „Die Fortdauer eigener Akademien  in den Provinzen ist […] aus dem wichtigen Grunde untersagt, weil es diesen Instituten in der Entfernung von großen Galerien […] auch bei den bestbesetzten Lehrstühlen […] doch notwendig an den Voraussetzungen ihres Gedeihens fehlt,“ zitiert sie aus einer Ministerialentschließung von 1833.

Ein interessantes Argument, das, so mein Eindruck, der aus den Gesprächen dieser zwei Tage resultiert, auch heute nicht ganz von der Hand zu weisen ist. In der Stadt mit seinen rund 500.000 Einwohnern gebe es, so den Grundtenor, viel zu wenige Galerien, die sich der zeitgenössischen Kunst widmen.

Aber zurück zur – spannenden – Geschichte der Akademie, die mehr als einhundert Jahre als Kunstgewerbeschule Handwerk und Kunst einander verband und das durchaus erfolgreich, denn  „auf zahlreichen Ausstellungen bis hin zu den großen Weltausstellungen  von 1867 in Paris und 1873 in Wien (…) war die Schule mit ihren besten Arbeiten vertreten und erhielt aufgrund von hoher Qualität und eines eigenen, in der zeitgenössischen Rezeption sogenannten malerischen Stils der Nürnberger Schule zahlreiche Preise und Auszeichnungen“ (Regina Landherr-Weichert: „Demokratisierung und Globalisierung – August von Krelin und die erste reine Kunstgewerbeschule Deutschlands“ (erschienen in „350“, Verlag für Moderne Kunst, 2012 S. 58).

Erst 1940 wurde aus der Kunstgewerbeschule wieder eine Akademie

Adolf Hitler war es, der 1940 die „Nürnberger Staatsschule für angewandte Kunst“ zur „Akademie der bildenden Künste in der Stadt der Reichsparteitage Nürnberg“ erheben ließ. Dieser historische Meilenstein in der Geschichte der Akademie wurde lange totgeschwiegen, erst jetzt, anlässlich des Jubiläums widmete man sich dieser „kurzen, aber einschneidenden Epoche“, wie es Julia Lehner, Kulturreferentin der Stadt Nürnberg, im Vorwort zu der Publikation „Geartete Kunst“ formulierte.

Diesen Tagungsband habe ich auf der Rückfahrt nach Wien gelesen und ich muss gestehen, ich war gefesselt von den Artikeln, die die Entwicklung der Akademie in dieser Zeit beschreiben und analysieren.

Erst fünf Jahre nach Kriegsende, die Akademie war 1943 nach Ellingen ausgelagert worden, beschloss der Stadtrat in Nürnberg den Neubau der Akademie. Den Wettbewerb gewann Sep Ruf, der vor allem als Architekt des Bonner Kanzlerbungalows berühmt geworden ist. „Obwohl  dem Bau aus der frühen Nachkriegszeit in ganz Deutschland kaum etwas Vergleichbares  an die Seite gestellt werden kann, ist die Akademie selbst in Fachkreisen immer noch nahezu unbekannt“, schreibt Irene Meister in ihrem Beitrag „Ein Hauptwerk der deutschen Nachkriegsarchitektur von Sep Ruf“ (erschienen in „350“, Verlag für Moderne Kunst, 2012, S. 127).

Abgeschieden und umgeben von Bäumen werden dort derzeit knapp 300 StudentInnen ausgebildet und vielleicht ist es ganz gut, dass so wenige von dieser Akademie wissen. Losgelöst von der Realität entsteht dort tagtäglich Kunst. Manche StudentInnen würden dort sogar wohnen, wurde uns  – natürlich inoffiziell – erzählt, was durchaus glaubwürdig erscheint, denn man, mit welcher Begeisterung hier gearbeitet wird. Während ich mir zu Beginn die Frage stellte, warum man nicht mehr Werbung für die Akademie macht, habe ich jetzt beim Schreiben dieses Blogposts schon fast Skrupel, zu viel darüber zu erzählen. Es ist eine sehr besondere Atmosphäre, die einerseits fasziniert, andererseits aber auch verwundert, wenn man bedenkt, dass nur die wenigsten hier den Sprung schaffen. Nur einer von hundert schafft den Sprung an die Spitze, meinte einer der Studenten. Und für diesen einen scheint die Akademie geschaffen. Aber was ist mit den anderen? Diese Frage habe ich mir einige Male gestellt. Eine Antwort darauf habe ich nicht gefunden.

Und dann gibt es da noch die Ausstellung, zu der das Neue Museum die Akademie der Bildenden Künste anlässlich ihres Geburtstags eingeladen hat.  In ihrem Vorwort erzählen Angelika Nollert, Direktorin des Museums und Ottmar Hörl, Präsident der Akademie, von einer Gemeinsamkeit, die beide Häuser miteinander verbindet. Beide zeichnen sich durch eine Architektur aus, „die mit ihren Wänden aus Glas hell und licht ist. Durch die Architektur der Akademie wird gleichsam die Kunst mit der sie umgebenden Natur verbunden, 50 Jahre später sucht das Neue Museum den direkten Kontakt zum urbanen Raum“, schreiben sie in ihrem Vorwort, das mit „Schaufenster zur Stadt“ überschrieben ist.

Die Ausstellung der Akademie in der Auslage

Daran lässt sich anknüpfen, denn die leicht gekrümmte Glasfassade des Museums gibt den Blick frei auf insgesamt sechs Fassadenräume, die die Meisterklassen der Akademie derzeit bespielen lassen. Wer auf dem Platz vor dem Haus steht, kann von draußen einen Blick hinein werfen und trifft dort auf sehr spannende Inhalte. Bei unserem Besuch waren die Aufbauarbeiten noch voll im Gang. Nur eine der Räume war bereits fertig eingerichtet und zeigte Bilder und Aufzeichnungen der beiden Voyager-Missionen zum Mars. Auch hier geht es um einen Raum, den größten aller Räume, den unendlichen Raum. Wie wir uns eines solchen Raumes zu bemächtigen versuchen, zeigt die Ausstellung. Wir füllen ihn mit unseren eigenen Vorstellungen, zum Ausdruck kommt das  in den Goldenen Schallplatten, die man den beiden Marssonden mitgab, falls sie auf Außerirdische treffen. Nicht nur die Inhalte dieser Datenplatte sind interessant und legen Zeugnis vergangener Jahrzehnte ab, auch die beiden Computerarbeitsplätze, von denen aus die beiden Sonden gesteuert werden, sind Relikte längst vergangener Jahrzehnte. Sie erinnern mich an meinen ersten Computer und auch der hätte manchmal das Hinweisschild „Bitte nicht berühren“ gebrauchen können, wenn ich wieder mal auf ihm herumprogrammierte und alles statt besser eher schlimmer machte. Ein paar Pressefotos zeigen, was ich noch nicht zu sehen bekam.

Abgesehen von dieser Ausstellung ist das Neue Museum ein spannendes Haus, in dem Kunst und Design gleichberechtigt ihren Platz gefunden haben. In dem es vor allem gelungen ist, die gesamte Technik hinter der Wand unterzubringen. Keine Leiste, kein Schalter stört, zu sehen sind „perfekte“ Räume.

Am Ende stieg ich voller Eindrücke wieder in den Zug. Und noch immer wusste ich nicht, warum ich jetzt eigentlich in Nürnberg gewesen bin. Doch halt, neben drei dicken Katalogen beschwerten auch ein paar Nürnberger Lebkuchen meine Tasche. ;-)


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Kommentare

4 Antworten zu „Nürnberg, (k)ein Reisebericht“

  1. Die Luft an der “Spitze” ist dünn, die Wege dahin verschlungen… Was man als Ausrüstung dafür braucht, das lernt man an einer Akademie nur zum geringeren Teil, wie schön die Akademie auch immer ist. Vielleicht bereitet einen eine weniger “idyllische” Ausbildungsstätte eher auf das raue Künstler_innendasein vor!? Es müssen ja nicht gleich die Straßen von Detroit sein… es reicht das tonnenschwere Kulturerbe eine Pseudo-Idylle wie Wien. Aber ein paar Lebkucherln als Reiseproviant können keineswegs schaden, gell christian :-)

  2. @Klaus: ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht, welcher Weg da der richtige ist. Vielleicht hängt das auch von einem selbst ab? In so einer Idylle zu studieren hat schon was, ich habe mich damals bei meinem Studium auch bewusst für Erlangen entschieden. Ich fand die Zeit sehr spannend und auch produktiv, bin danach aber auch gerne wieder in die Großstadt gezogen.

    Und ja, die Lebkuchen mussten natürlich sein, so eine Zugfahrt dauert ja… :-)

  3. Ich war auch eingeladen, aber mein Sohn wurde am zweiten Tag der Veranstaltung 18 Jahre alt!
    Ich wäre sonst sehr gerne gekommen. Schön, dass du über die Veranstaltung berichtest.

    1. Ah schade, das wäre nett gewesen. :-)

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