Karsten Wenzlaff im Gespräch: Die Crowdinvesting-Conference beschäftigt sich mit der Zukunft des Crowdfunding

The Future of Crowdfunding

Crowdfunding hat in den letzten zwei Jahren einen enormen Aufschwung erlebt, viele Kulturbetriebe und KünstlerInnen haben damit erste Erfahrungen sammeln können, nicht wenige konnten auf diese Weise ihre Vorhaben (teil)finanzieren. Wenn wir die Entwicklungen in den USA und bei uns vergleichen, erkennen wir recht schnell, dass hier gewaltige Unterschiede bestehen. Vor allem die Zahlen der weltweit größten Crowdfunding-Plattform Kickstarter zeigen, welches Potenzial im Crowdfunding steckt.

Aber natürlich stellt sich die Frage, ob wir Amerika so einfach nacheifern können und wollen, zu unterschiedlich sind die Systeme, was etwa die Finanzierung von Kunst und Kultur betrifft. Aber wir können viel voneinander lernen und müssen dabei gar nicht immer nach Amerika schauen. Oft ist auch schon der Blick in andere europäische Länder sehr interessant. Diesen Blick über die Grenzen ermöglicht die Crowdinvesting-Conference, die am 17. April in Berlin stattfinden wird. Veranstalter ist ikosom, das Institut für Kommunikation in sozialen Medien, das für diese Veranstaltung ein sehr spannendes Programm zusammengestellt hat. Es geht nicht nur um Crowdfunding im Kunst- und Kulturbereich, aber der Blick über den Tellerrrand hat noch nie geschadet. ;-)

Um Ihnen das Thema Crowdfunding und die Konferenz etwas schmackhafter zu machen, habe ich ikosom-Geschäftsführer Karsten Wenzlaff gebeten, mir ein paar Fragen per Email zu beantworten.

Kulturmanagement Blog: Warum die Crowdfunding-Konferenz und was ist das Ziel?

Karsten Wenzlaff: Crowdfunding in der Kreativ- und Kulturwirtschaft sowie als Finanzierungsinstrument für Start-Ups ist in aller Munde. Die Referenten werden aber über den Status Quo hinausschauen und diskutieren, wie in 3-5 Jahren Crowdfunding aussehen wird, welche gesetzlichen Regelungen dafür geschaffen und abgeschafft werden müssen. Wir wollen auf der Konferenz Handlungsempfehlungen diskutieren, damit einerseits über Crowdfunding größere Summen zustande kommen können, andererseits Crowdfunding für die Infrastruktur des Landes genutzt werden kann. Im Bereich der Kultur bedeutet das die Finanzierung von Kulturinstitutionen wie Museen, Opern, Galerien, Konzerthäusern, Theatern.

Kulturmanagement Blog: Du hast es in Deiner Antwort gerade angedeutet. Ein Themenschwerpunkt wird die Frage sein, ob mit Hilfe von Crowdfunding öffentliche Infrastruktur, z.B. im Kunst- und Kulturbereich finanziert werden kann? Hälst Du eine solche Entwicklung für möglich und glaubst Du, dass damit nicht unser jetziges Verständnis von Kulturförderung eine gewaltige Veränderung erfährt?

Karsten Wenzlaff: In Deutschland ist die etablierte Kulturszene noch etwas scheu, Crowdfunding selber einzusetzen, aber zumindest neugierig. Wenn man in anderen Ländern Europas schaut, gibt es da schon wesentlich mehr Beispiele für Crowdfunding von Kulturinfrastruktur. In Frankreich hat beispielsweise der Louvre schon mehrmals Ausstellungsexponate über Crowdfunding finanziert.

Natürlich ist das nach wie vor noch sehr stark projektbasiert. Aber bevor es staatliche Kulturförderung gab, wurden diese Institutionen einerseits durch private Mäzenaten, andererseits durch Genossenschaften gefördert. Die vielen “Volkstheater” sind ein lebendiges Beispiel dafür. Historisch ist also Crowdfunding für Institutionen der Kulturwirtschaft überhaupt nichts Neues.

Der Wandel von institutionalisierter Kulturförderung und Finanzierung via Crowd wird bei den Kulturinstitutionen zu einem Wandel führen, wenn sie erkennen, dass die Crowd mehr ist als Steuerzahler oder Ticketkäufer. Die Crowd möchte mitreden, mitbestimmen, ausprobieren, vernetzen – und damit tun sich manche Kulturinstitutionen schwer. Die Crowd ist mehr als eine Besuchergruppe oder ein gut gefüllter Zuschauersaal.

Kulturmanagement Blog: Immer wieder taucht die Frage auf, ob sich Crowdfunding und öffentliche Förderungen kombinieren lassen. Wie stehst Du dazu und was muss getan werden, um so eine Kombination von öffentlicher und privater Förderung auch bei uns möglich zu machen?

Karsten Wenzlaff: Crowdculture in Schweden ist ein gutes Beispiel, wie sich hier etwas entwickeln kann. Max Valentin, der Betreiber der Plattform, sagt, dass seine Form des Crowdfundings eigentlich eine Art Crowdsourcing ist, also das Einholen von Wissen. Er wird auch im Rahmen der Konferenz einen Impulsvortrag halten. Bei Crowdculture wird ein staatliches Budget an kulturelle Projekte verteilt und die Teilnehmer entscheiden nicht über ihr eigenes Geld, sondern über das Geld der Steuerzahler. Eine Art Bürgerhaushalt für die Kultur.

Das ersetzt nicht die klassische Kulturförderung, aber ermöglicht direkte Teilhabe. Und dafür müssen bei der Kulturförderung in Deutschland Spielräume geschaffen werden – sowohl finanzielle als auch organisatorische Freiräume. Wenn die Crowd erst die Stimme abgibt und eine Jury das widerrufen kann, macht Crowdfunding keinen Sinn.

Ein wichtiger Punkt ist aber auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Crowdfunding eindeutiger werden müssen. Wie müssen die Einnahmen versteuert werden, welche Einnahmen sind für die KSK relevant, wie kann ich die Crowdfunding-Einnahmen als Eigenkapital oder Eigenmittel in einen Förderungsantrag einbringen? Der Vorteil der Konferenz ist, dass wir Plattformen aus zehn europäischen Ländern haben, die ihre Erfahrungen hinsichtlich der rechtlichen Regelungen teilen werden. Daraus können wir hoffentlich für Deutschland viel lernen.

Kulturmanagement Blog: Crowdfunding ist nicht nur im Hinblick auf die Finanzierung eines Vorhabens interessant, sondern wird häufig auch als Marketinginstrument gesehen. Gilt das nicht nur für die eher bekannten Projektinitiatoren oder haben auch die “Kleinen” eine Chance, Crowdfunding auf diese Weise zu nutzen?

Karsten Wenzlaff: Für alle Künstler und Kulturschaffende ist Crowdfunding in erster Linie Marktforschung, denn sie können sehen, wie ein Projekt ankommt, ob Ticketpreise angemessen sind, ob die Kommunikation funktioniert, ob die Verteiler funktionieren. Crowdfunding ist unglaublich disziplinierend, um zum Beispiel Emailverteiler anzulegen und zu pflegen und so den Grundstein für den Aufbau und die Pflege einer Community zu legen.

Für Künstler, die schon bekannte Marken haben, ist Crowdfunding natürlich besonders toll, weil sie sich direkt an die Fans wenden können, obwohl sie ihre Projekte wahrscheinlich auch auf klassische Weise finanzieren könnten. Deswegen erreichen Sie Crowdfunding-Summen, von denen die “Kleinen” nur träumen können.

Aber auch darum wird es bei der Konferenz gehen: welcher gesellschaftliche Wandel ist notwendig, damit die “Kleinen” auch von “großem” Crowdfunding realistisch ausgehen können? Michael Bogatzki von Sellaband wird genau zu dieser Frage auf der Konferenz referieren.

Kulturmanagement Blog: Danke für Deine Antworten!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Karsten Wenzlaff im Gespräch: Die Crowdinvesting-Conference beschäftigt sich mit der Zukunft des Crowdfunding“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.