Kulturmarketing: der Blick über den Tellerrand

Bild: Couscous“; von Myriam M.J. Rondeau (CC BY-SA 2.0) auf Flickr

Oft werde ich gefragt, warum ich so vielen Accounts auf Twitter folge, die mit Kunst und Kultur gar nichts zu tun haben. Die Antwort ist eigentlich recht einfach: Erstens möchte ich nicht in einer Filterblase landen und zweitens lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Ich zumindest lerne sehr viel von Menschen, die in ganz anderen Bereichen tätig sind und bekomme so immer wieder neue Anregungen, die sich vielleicht auf den Kulturbereich übertragen lassen. Ich beschränke mich dabei nicht nur auf Twitter, sondern lese auch gerne Blogs, zum Beispiel das Blog “Essen kommen!” der Fleischerei Freese. So ein Beitrag etwa könnte auch auf einem Blog einer Kultureinrichtung stehen. Gute Produktqualität, Kundenservice, eine übersichtliche Website und ein Blog, das nicht nur die eigenen Angebote bewirbt, all das braucht auch, wer im Kunst- und Kulturbereich erfolgreich sein möchte.

Bleiben wir im Gastronomiebereich, da bietet zum Beispiel ein Restaurant eine ganz interessante Form der Bezahlung an: Pay by picture. Wer ein Bild von seinem Essen macht, es auf Instagram lädt und mit dem Hashtag #BirdsEyeInspirations versieht, muss dafür kein Geld mehr auf den Tisch legen. Das Modell erinnert an Pay with a Tweet, über das ich schon vor längerer Zeit mal einen Blogbeitrag geschrieben habe. Im Endeffekt bezahle ich als KundIn, UserIn, etc. nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit. Letzten Endes funktionieren auch die Tweetups nach diesem Prinzip. Ich komme in den Genuss einer kostenlosen Führung und “bezahle” mit Bildern (Instagram) oder Tweets.

Ganz interessant ist der Hinweis von Todd Wasserman auf das Thema Earned Media. In seinem Beitrag “Instagram to Pay Your Bill at This Pop-Up Restaurant“, durch den ich auf das Restaurant aufmerksam geworden bin, schreibt er:

“Consumers are finally getting something in return for their contribution to earned media.”

Earned Media, “das ist der Bereich des Social Web, der nicht mir gehört”, habe ich in meinem Blogbeitrag “Wie wir die digitalen Medien nutzen können” geschrieben. Es sind die anderen, die hier über mich schreiben, Martin Oetting, auf den ich mich im Beitrag beziehe, schreibt in seinem Beitrag, dass es darum gehe, die UserInnen zu dieser Form der Kommunikation zu “inspirieren”.

Warum sind Earned Media überhaupt so wichtig, geht es nicht eher um die eigenen Inhalte? Gerade die Entwicklung bei Facebook zeigt, wie Kultureinrichtungen von den Fans profitieren können. Wenn die Sichtbarkeit der eigenen Facebookseite immer schlechter wird und das nicht am eigenen Unvermögen, sondern an Facebook und seinen Algorithmen liegt, dann gilt es, andere Wege zu finden, um den Newsfeed meiner Fans zu kommen. Earned Media sind so ein Instrument, denn während die Postings von Facebookseiten immer mehr in Bedrängnis geraten, klappt die Kommunikation unter Freunden recht gut. Berichtet also jemand über seinen gestrigen Theaterbesuch, dann wird ein großer Teil seines Netzwerks das entsprechende Posting im eigenen Newsfeed finden.

Wie könnte so etwas in der Praxis aussehen? Soll jemand, der einen Bericht über eine Ausstellung, ein Konzert oder eine andere Veranstaltung schreibt, dafür dann eine kostenlose Karte erhalten? Und was ist, wenn der Bericht das Ereignis kritisiert? Das ist alles gar nicht so einfach, denn das Prinzip aus dem Restaurant lässt sich nicht so leicht übertragen. Im Restaurant bestelle ich das Essen und wenn ich dann währenddessen ein Bild auf Instagram poste, dann bleibt mir die Rechnung erspart. Andernfalls muss ich am Ende zahlen.

Im Kulturbereich zahlt man in der Regel vor- und nicht nachher. Das bedeutet, die BesucherIn muss sich davor entscheiden und nicht danach. Als RestaurantbesucherIn ist es einfach: Ich esse dort und dann entscheide ich, ob ich ein Bild poste oder zahle. Gehe ich ins Theater, erwerbe ich vorab das Ticket. Im guten Glauben, ich würde schon darüber berichten, wird das wohl nicht funktionieren, das bedeutet, es müssen erst einmal alle zahlen. Wer jetzt ein Bild postet oder einen Beitrag schreibt, bekommt… ja, was eigentlich? Das Geld wieder zurück oder ein Ticket für eine andere Veranstaltung? Beides ist schwierig beziehungsweise unsinnig und somit nicht wirklich durchführbar. Möglich wäre es, BloggerInnen oder Social Media-Influencer Tickets zur Verfügung zu stellen, um ihnen so die Möglichkeit zu bieten, über mein Angebot zu berichten. Aber das machen viele Kultureinrichtungen bereits, insofern stellt sich die Frage, ob es klug ist, dabei auf Texte zu setzen. Vermutlich ist es viel sinnvoller, so wie das Restaurant mit Bildern zu arbeiten. Das schließt aber einige Sparten aus, denn im Theater wird man es nur begrenzt lustig finden, wenn während der Aufführungen ständig Fotos geschossen werden.

Das bedeutet: Dieser Ansatz funktioniert nur dort, wo Fotos gemacht werden dürfen und gleichzeitig die Bezahlung erst am Ende erfolgt. Das ist aber nicht besonders motivierend, schließlich wollen wir Planungssicherheit und sind froh um jedes Ticket, das wir vorab verkaufen. So wirklich überzeugend ist dieser Ansatz auch nicht. Gibt es hier einen Ausweg? Mir fällt dazu ein, dass man den InteressentInnen die Restkarten nicht günstig verkauft, sondern ihnen Fotomaterial zur Verfügung stellt, das sie dann teilen müssen, um ein kostenloses Ticket zu erhalten.

Sie sehen schon, es ist gar nicht so einfach, hier eine Variante zu finden, die allen Kultureinrichtungen gerecht wird. Zu groß sind die Unterschiede. Aber versuchen sollte man es trotzdem, die Tweetups sind, wie gesagt, ein schönes Beispiel dafür. Welche Ideen fallen Ihnen dazu ein? Sehen Sie eine Möglichkeit, diesen Ansatz so zu adaptieren, dass er auch für Theater, Opernhäuser, Museen, etc. interessant wird. Fällt Ihnen dazu was ein, schreiben Sie Ihre Idee doch einfach als Kommentar unter diesen Beitrag. Ich bin gespannt.


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Kommentare

5 Antworten zu „Kulturmarketing: der Blick über den Tellerrand“

  1. Wie so oft, ein interessanter Beitrag. Ein paar Gedanken dazu.
    Meiner Erfahrung nach, bekommen BloggerInnen oder Social-Media-Influencer/Fürsprechen eher selten Tickets von Kulturveranstaltern zur Verfügung gestellt. Das mag bei Museen anders sein, bei Konzertveranstaltern ist es eher unüblich, da hier das Platzangebot wesentlich begrenzter ist. Es gibt nun mal nur eine bestimmte Anzahl an Plätzen in einem Konzertsaal.

    Auch Blogger oder Fürsprecher sollten das Recht haben, trotz Freikarte kritisch zu berichten. Journalisten nehmen sich dieses Recht ja auch heraus. Der Veranstalter kann sich ja vorab das Blog anschauen, ob ihm diese Form der Berichterstattung genehm ist, eher eine Freikarte ausgibt. Berichtet der Blogger oder Fürsprecher nicht, würde ich als Veranstalter bei der zweiten Anfrage eben kein Ticket mehr ausgeben.

    Wenn ich Bloggerkarten anfragen, werden mir diese in der Regel gewährt (die Veranstalter kennen mich mittlerweile) mit dem Hinweis, ich möge den Link zum Beitrag bitte zuschicken.

    Nur ein paar Foto zu posten oder Tweets zu einem Konzert wäre mir als Veranstalter zu wenig als „Bezahlung” für eine Veranstaltung.

    Andere Ideen, außer auf Blogposts (gerne als Fotogalerie) zu setzen, habe ich allerdings auch nicht. ;-)

  2. Danke, Ulrike! :-)
    Stimmt, ich erhalte auch wesentlich öfter Einladungen zu Ausstellungen als in Oper, Konzert oder Theater. Aber da ich nicht ohne einen speziellen Anlass über den Besuch von Konzert, Oper, etc. berichte, macht das eigentlich auch durchaus Sinn. Tickets für Blogger, damit sie später darüber berichten, das würde ich dem bereich PR zuordnen und das sehe ich auch so wie Du.

    Natürlich hast Du recht, um ein Ticket für eine Konzertpremiere zu bekommen, reicht es nicht, ein Foto auf Facebook oder Twitter zu posten. Ich habe das eher als eine Möglichkeit gesehen, wenn es darum geht Restkarten unter die Leute zu bringen. Bevor ich sie verschenke, kann ich sie für mein Marketing nutzen und erhalte dann dafür eine entsprechende Sichtbarkeit. Als ich den Artikel von Todd Wasserman das erste Mal gelesen habe, dachte ich, ja klar, das lässt sich gut übernehmen. Aber ich habe dann recht schnell gemerkt, dass das gar nicht so einfach ist, weil der Transaktionsprozess im Restaurant sich von dem in Konzert oder Theater doch ziemlich unterscheidet. Aber unter Umständen lässt sich das auch so organisieren, wie Du es bei den Bloggern beschrieben hast: Man lässt sich die Links der geposteten Bilder zuschicken und merkt sich das dann für das nächste Mal. Das wäre dann auch so ein Ansatz, um das persönliche Gespräch zu suchen und mit den Leuten in Kontakt zu bleiben. Womit aber auch klar ist, dass wir hier nur von ein paar Tickets sprechen und nicht von 50 oder 100.

  3. Wir sind auch zwei verschiedene Typen von Bloggern. Du der Berater-Blogger, ich mittlerweile diejenige, die über Konzerte berichtet. Anfangs konnten mich die Konzertveranstalter, die keine Social-Media-Erfahrung haben, noch nicht einordnen …

    Auch bei deinem Punkt Restkarten so zu vergeben – und jetzt spricht die Pressereferentin – habe ich meine Probleme. Ich würde andere Möglichkeiten suchen und diese wären dann nicht im Social-Bereich. Wenn Social Media , dann auch im Sinne von Beziehungspflege. Dann lieber etwas weniger Karten vergeben, aber dafür kommen die Leute immer wieder.

    Du vergisst, dass Opern und Orchester, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in Deutschland bezüglich Social Media noch ganz schlecht aufgestellt sind. ;-)

    Btw. Wie viele Vertreter von Orchestern waren beim #smuc14?

  4. Ich glaube, in München beim stARTcamp war niemand von einem Orchester. Aber vielleicht wäre es mal ganz interessant, ein stARTcamp für den klassischen Musikbereich zu organisieren? Ich bin morgen bei einem und spreche das mal an. ;-)

    Naja, ich sehe Dich schon noch als Beraterin. Du hast die Kultups ins Leben gerufen, es gibt die Konzertcouch und Du bis mit Orchestrasfan jemand, der den Orchesterbereich pusht. Aber wie gesagt, bei Dir sind Einladungen wesentlich besser aufgehoben als bei mir.

    Ich glaube, das Thema Restkarten sehen wir ähnlich. Meine Idee ist es nicht, von 200 Tickets die Hälfte als Restkarten gegen ein Foto einzutauschen. Ich dachte da an maximal zehn Karten und sehe darin dann auch die Möglichkeit, Beziehungsaufbau zu betreiben. Einfach nur gegen einen Fotolink eine Karte zu tauschen, das wäre “verschenkt”. Nein, ich sehe das als Chance, mit denen in Kontakt zu treten, die sich für die Sache interessieren und auch engagieren. Social Media wäre so gesehen nur der Einstieg. Aber klar, es gibt auch andere Möglichkeiten, ich würde da nicht auf Social Media bestehen. Ich habe es nur als eine Möglichkeit gesehen, in den Newsfeed von Fans oder potenziellen Fans zu kommen.

  5. […] Das Video der Woche ist für mich der Trailer zum hoffentlich demnächst erscheinenden Film über den englischen Maler William Turner. Turners Bilder sollte man live gesehen haben, die hauen einen einfach aus den Socken. Artverwandt sei hier übrigens der Hinweis gestattet, daß das Metropolitan Museum of Art in New York rund 400.000 hochaufgelöste Bilder von den Kunstwerken der Sammlung kostenfrei online zur Verfügung stellt. Sehr lobenswert. In Kulturfragen tut sich überhaupt einiges. Da wird z.B. laut über wirksames, nicht störendes, aber erfolgreiches Marketing nachgedacht. […]

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