Es muss ja nicht immer die ganz große Nummer sein und trotzdem kann eine App ihren Zweck erfüllen. Das Jüdische Museum Wien zum Beispiel nennt seine App gar nicht App, sondern Multimediaführer (siehe Bild oben). Verwendet werden dafür Tablet-PCs, die sich die BesucherInnen an der Kasse ausleihen können. Um Informationen zu den einzelnen Ausstellungsobjekten zu erhalten, sind keinerlei Vorkenntnisse nötig und wer sich nicht sicher ist, lässt sich die Funktionsweise einfach erklären. Mir gefällt diese eigentlich unspektakuläre Art, mobile Endgeräte zu nutzen. zeigt sie doch, dass es nicht immer das große Rad sein muss, an dem man dreht.
Viele Kultureinrichtungen beschäftigen sich derzeit mit der Frage, ob sie eine App entwickeln sollen oder nicht. Eine für alle gültige Antwort gibt es leider nicht, jede Kultureinrichtung muss für sich abwägen, ob eine App für sie in Frage kommt und wenn ja, welche. Schon im letzten Jahr habe ich mich in meinem Beitrag “Lohnt sich eine App für Kultureinrichtungen” mit der Frage beschäftigt, ob nicht eine Website im Responsive Design oder eine mobile Website ausreichend sind? Betrachten wir einfach unser eigenes Verhalten? Wenn ich mich selbst beobachte, stelle ich fest, dass ich auf Smartphone und Tablet-PC meistens Apps nutze, den Browser hingegen eher selten. Eine App läuft in der Regel schneller und ist leichter zu bedienen. Was für die UserInnen ein Nachteil ist, nämlich die Gier der App-Anbieter nach Daten, ist für die andere Seite ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Vieles lässt sich tracken und so ist es nicht schwer, das Userverhalten zu analysieren und dementsprechende Rückschlüsse daraus zu ziehen. Das heißt, eine App erfüllt eigentlich zwei Aufgaben. Einerseits erfährt der App-Anbieter viel über die UserInnen, andererseits muss die App natürlich den Bedürfnissen der NutzerInnen gerecht werden, sonst verschwindet sie recht schnell wieder von den Geräten.
Fakt ist aber, dass wir immer häufiger mobile Endgeräte nutzen, um auf das Internet zuzugreifen. In diesem Artikel ist von 4,4 Mia. Nutzern mobiler Apps im Jahr 2017 die Rede. Eigentlich kommen wir also um das Thema Apps nicht mehr herum. Trotzdem würde ich nicht so einfach sagen, eine App muss sein, denn wir sollten uns sehr genau anschauen, wer Apps wie nutzt. Apps waren früher etwas besonderes und alleine deshalb wurden sie wahrgenommen und auch auf den eigenen Geräten installiert. Heute ist eine App ganz selbstverständlich und dementsprechend schwer ist es, seine Zielgruppen dazu zu bringen, sie überhaupt auf ihren Geräten zu installieren.
Angenommen, ich reise für ein Wochenende nach Wien oder London. Ich gestehe, ich würde mir nicht die Mühe machen, erst einmal zu recherchieren, welches Museum eine App hat und mir dann alle Apps auf mein Smartphones zu laden. Und weil ich in der Stadt natürlich auch essen gehen möchte, außerdem ein paar nette Geschäfte suche und dabei die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen werde, kommen am Ende einige Apps zusammen, die ich für meinen Städtetrip brauchen könnte.
Wäre es da nicht viel besser, es gäbe eine App, die alle wichtigen Informationen für meinen Kurzurlaub enthält und damit meine gesamte Customer Journey abdeckt? Vorausgesetzt wir können unser Konzept umsetzen, dann würden wir in Bregenz auf diese Weise vorgehen. Eine App für die ganze Stadt und nicht für jede einzelne Kultureinrichtung. Natürlich könnte sich theoretisch jedes Museum, jedes Opernhaus oder Theater genau anschauen, wie die Customer Journey ihres Publikums aussieht und in die App alle notwendigen Informationen einbauen. Aber die meisten Kultureinrichtungen können sich das finanziell gar nicht leisten und hätten vermutlich auch gar nicht die Kapazitäten für ein solches Vorhaben. Deshalb macht es in meinen Augen durchaus Sinn, sich auf einer übergeordneten Ebene mit diesem Thema zu beschäftigen, um einerseits den Wünschen und Bedürfnissen der UserInnen zu entsprechen und andererseits Kosten zu sparen.
Das heißt jetzt nicht, dass Apps für Kultureinrichtungen unsinnig sind. Vor allem wenn ein bestimmtes Thema, bestimmte Inhalte im Vordergrund stehen, macht es durchaus Sinn wie im Fall der MAK-App, die sich mit Wien 1900 beschäftigt. Ich durfte das Museum bei der Konzeption beraten und nach vielen Diskussionen kamen wir zu dem Entschluss, eine App für Tablet-PCs zu entwickeln.
Warum eine App für Tablet-PCs? Bei einer öffentlichen Diskussion wurden wir gefragt, warum wir nicht auf Smartphones gesetzt hätten, die doch viel verbreiteter seien?
Stimmt, Smartphones gibt es vielmehr, aber wir wollten die UserInnen in einer ganz bestimmten Situation erreichen und zwar nicht früh am Morgen in der Phase, wo alles möglichst schnell gehen muss und wir unser Smartphone dazu nutzen, rasch die wichtigsten Informationen zu lesen. Sondern am frühen Abend, wenn wir mit unserem Tablet-PC auf dem Sofa sitzen und viel weniger Zeitdruck haben als morgens. Deshalb enthält die App auch schöne, große Bilder und wird alle drei Monate mit Comics internationaler ZeichnerInnen ergänzt (siehe dazu: “APP-STORIES #2: EINTAUCHEN IN DIE MAK-APP UND IHRE FEATURES“). Auch Literatur zum Thema “Wien 1900” ist geplant, ein weiterer Punkt, der für eine Tablet-Version spricht, denn wer liest schon gerne längere Texte oder gar ein ganzes Buch auf dem Smartphone?
Es war also nicht die Arroganz gegenüber den normalsterblichen Smartphone-Usern, wie der Vorwurf lautete, sondern der Versuch, eine ganz bestimmte Zielgruppe in einer Situation zu erreichen, in der die UserInnen nicht schnell weiterklicken, sondern bereit sind, sich auf etwas einzulassen, sich Zeit zu nehmen. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen.
Beate Lex, die seitens des MAK die Projektleitung in Händen hielt, wird übrigens beim stARTcamp Wien in zwei Tagen eine Session zu diesem Thema halten. Für Kultureinrichtungen, die gerade über eine App nachdenken, ist das vielleicht eine ganz gute Gelegenheit, sich auszutauschen beziehungsweise Fragen zu stellen.
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