“Gestaltung der Arbeit in virtuellen Unternehmen” – ein Report des Bundesministerium für Bildung und Forschung

Spinnt er jetzt völlig, werden Sie sich vielleicht fragen? Was habe ich mit einem virtuellen Unternehmen zu tun? Obwohl? Zeichnet sich der Kunst- und Kulturbereich nicht durch eine Vielzahl von EinzelkämpferInnen aus? Wird nicht immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich in Netzwerke einzuklinken und so das berufliche Überleben zu sichern?

Schon seit einigen Jahren geistert bei mir im Hinterkopf eine Idee herum, in der es darum geht, all die Menschen an einem Ort zusammen zu bringen, mit denen ich gerne in Projekten zusammenarbeite oder zusammenarbeiten würde. So in der Art der Schraubenfabrik.

Witzigerweise haben dort früher vor allem Leute aus dem Kunst- und Kulturbereich gearbeitet. Heute schaut das ganz anders aus, aus welchen Gründen auch immer.

Aber mal abgesehen von der Tatsache, dass es manchmal ganz nett ist, sich mit jemandem zwischendurch unterhalten zu können, muss diese Form der temporär begrenzten Zusammenarbeit ja nicht mehr an einem fix vorgegebenen Ort stattfinden. Das Internet macht es möglich.

Ich kann heute ohne Probleme mit einer GrafikerIn, einer TexterIn und einer WebspezialistIn die Online-Kampagne für ein Museum konzipieren, planen und auch umsetzen, ohne dass wir uns jemals real treffen. Arbeiten wir öfter auf diese Weise zusammen, kann man von einem virtuellen Unternehmen sprechen.

Das zeichnet sich aus durch

  • “neue Vertrags-, Arbeits- oder Managementstrukturen,
  • räumlich flexible, verteilte Standorte,
  • zeitliche Instabilität bzw. dynamische Zusammensetzung,
  • rechtliche und teilweise wirtschaftliche Selbstständigkeit der Kooperationspartner nach innen sowie
  • einen einheitlichen Marktauftritt des virtuellen Unternehmens
    nach außen”,

heißt es in einem Report, den das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegeben und dankenswerterweise auch online zur Verfügung gestellt hat. “Gestaltung der Arbeit in virtuellen Unternehmen“ist er überschrieben und beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für diese Form der Zusammenarbeit.

Zwei Punkte möchte ich gerne herausgreifen.

Vertrauen als Erfolgsfaktor der virtuellen Zusammenarbeit

Vertrauen ist nicht nur in einem klassischen Unternehmen eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, sondern natürlich – in noch viel stärkerem Ausmaß – auch in virtuellen Unternehmen. In ihrem Beitrag “Vertrauen als Erfolgsfaktor der virtuellen Zusammenarbeit” kommen Sylvia Steinheuser und Joachim Zülch zu einem ganz wichtigen Ergebnis. Sie haben herausgefunden,

“dass für den Aufbau und Erhalt von – vor allem zwischenmenschlichen – Vertrauensbeziehungen die Begegnung von Angesicht zu Angesicht besonders wichtig ist. Informelle Begegnungen und face-to-face Kontakte führen zu mehr und vor allem zu intensiverer Kommunikation. Dies steigert die Kooperation und das Vertrauen zwischen den Beteiligten.”

Daher, so ihre Schlussfolgerung, könne eine hauptsächlich informationstechnisch vermittelte Kommunikation demnach als nicht ausreichend für den Beziehungs- und Vertrauensaufbau betrachtet werden. Das heißt, irgendwann muss man sich mal face-to-face getroffen haben, in Projekten ist das dann das berühmte Kick-off-Meeting, das leider sehr oft aus Kosten- und Zeitgründen gestrichen wird.

Informationstechnische Unterstützung selbst organisierter Freelancer-Netzwerke

Matthias Finck, Monique Janneck, Horst Oberquelle, Arno Rolf haben sich in dem Kapitel “Informationstechnische Unterstützung selbst organisierter Freelancer-Netzwerke” damit beschäftigt, welche Rolle das Internet bei der Zusammenarbeit spielt. Interessant, wer auf diese Weise zusammenarbeitet, der erwartet sich eine Plattform. Diese Haltung kann ich bestätigen, denn fast jedes organisationsübergreifende Projekt beginnt mit einer Diskussion darüber, wie die zu erstellende Plattform auszusehen habe.

Ist sie dann da, wird sie aber, und das ist jetzt wahrscheinlich nicht nur meine Erfahrung, nur selten genutzt. Die AutorInnen machen dafür soziale, technische und organisatorische Gründe verantwortlich:

“Auf der sozialen Ebene wurden häufig andere Kommunikationsmittel als reichhaltiger oder angemessener angesehen als die Kooperationsplattform, insbesondere wenn fachliche Inhalte kommuniziert werden, bei denen sozioemotionale Prozesse und kollegiale Beratung im Vordergrund stehen, wie etwa im Bereich Beratung und Training. Hier wird die mündliche Kommunikation als alternativlos betrachtet.”

Interessanterweise sind die technischen Probleme gar nicht mehr so gravierend. Nicht die unübersichtliche Navigation oder Schwierigkeiten beim Login oder dem Verfassen von Beiträgen stellen große  Hürden dar, sondern Zugangsprobleme, während man beruflich unterwegs ist.

Am meisten hapert es wohl auf der organisatorischen Ebene:

“So liegt der Hauptgrund für die geringe Nutzung in dem Fehlen eines konkreten Nutzungsanlasses bzw. eines konkreten Nutzungsinteresses, das von der Mehrzahl der Netzwerkmitglieder geteilt wird.”

Ausgehend von diesen Erkenntnissen kommen die AutorInnen zu dem Schluss,

“dass in selbstorganisierten Netzwerken mit einem hohen Maß an freiwilliger Kooperation Informationstechnik nur dann eine Unterstützung bietet, wenn der Zugang hierzu und Umgang damit für die Mitglieder möglichst niedrigschwellig ist. Andernfalls verzichten die Beteiligten auch im Bewusstsein möglicher Nachteile eher auf die Verwendung solcher Systeme und nutzen persönliche Treffen oder andere leicht zugängliche Medien, wie z. B. Telefon oder E-Mail, für ihre Zusammenarbeit. Auch wenn der Bedarf einer informationstechnischen Unterstützung erkannt wird, lässt sich eine technische Unterstützung nur dann auf Dauer erfolgreich etablieren, wenn vor dem Hintergrund der hohen Eigenständigkeit der Mitglieder verbindliche und verlässliche Spielregeln für die virtuelle Kooperation etabliert werden: Der Betreuung und Bereitstellung der Software kommt eine entscheidende Bedeutung für den erfolgreichen Einsatz zu.”

Ganz so einfach ist es also nicht, sich mit anderen zusammen zu tun. Vertrauen ist eine der Grundvoraussetzungen für diese Form der Zusammenarbeit. Dieses Vertrauen wiederum kann nur entstehen, wenn die Person, der ich vertrauen möchte, mir ihre Kompetenz beweisen kann.

Und wie lässt sich Kompetenz beweisen? Ob Sie nun KulturmanagerIn, KulturunternehmerIn oder ein Kulturbetrieb sind spielt keine Rolle. Sie alle können dabei unter anderem auf das Internet setzen. Überlegen Sie sich, wie sich Ihre Fähigkeiten im Web darstellen lassen. Ob das nun eine ganz normale Website, ein Weblog oder ein Videokanal auf YouTube oder Sevenload ist, liegt ganz in Ihrem Ermessen.

Wenn Sie wissen wollen, worauf es bei der Gestaltung Ihres Webauftritts ankommt, dann empfehle ich Ihnen übrigens die neue Serie “Internetauftritt von Kultureinrichtungen“, mit der Karin Janner gestern auf ihrem Kulturmarketing Blog begonnen hat.


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Kommentare

5 Antworten zu „“Gestaltung der Arbeit in virtuellen Unternehmen” – ein Report des Bundesministerium für Bildung und Forschung“

  1. 1. Vielen Dank für die Empfehlung+Verlinkung!

    2. Von der Schraubenfabrik in Wien habe ich auch schon gehört. In Berlin gibt es auch ein paar ähnliche Angebote (meist in großen Fabriksgebäuden, die zur Zwischennutzung freigegeben sind) und in mehreren Städten – auch in Berlin, das Self Hub , das auch nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert.

    Die Art der Zusammenarbeit entwickelt sich in etlichen Branchen immer mehr von festen Teams in Richtung flexibler Teams, die sich aus einem großen lockeren Netzwerk von Projekt zu Projekt neu zusammenfinden. Und die Branche (wenn man das so sagen kann) der Kulturmanager gehört da eindeutig dazu.

    Natürlich ist das Internet äußerst hilfreich – sowohl beim Netzwerkaufbau als auch bei der Zusammenarbeit.
    Ich glaube aber auch dran, dass man sich von Zeit zu Zeit von Angesicht zu Angesicht treffen muss, je größer und komplizierter das Projekt, desto wichtiger ist das. Aber ich denke, das muss nicht unbedingt immer zu Beginn eines Projekts sein, es kann auch zischendrin sein.

    Man wird sich bestimmt dran gewöhnen und das bald ganz normal finden, dass man manche Projektpartner nur oder fast nur über das Internet kennt und einfach eine neue Art der zwischenmenschlichen Kommunikation und des Vertrauensaufbaus entwickeln.

    Meine Eltern konnten sich, als sie Kinder waren, ja wohl auch nicht vorstellen, dass man einmal mit Leuten zusammenarbeiten wird, die man nur oder hauptsächlich über das Telefon kennt…

  2. Stimmt, das Prinzip der Schraubenfabrik ist mittlerweile ziemlich verbreitet. Nur schade, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, solche Inkubatoren oder Kompetenzzentren, je nachdem wie man sie nennen möchte, im Kunst- und Kulturbereich zu etablieren.

    Das liegt meiner Meinung nach daran, dass in diesem Bereich noch zu wenig arbeitsteilig vorgegangen wird, d.h. man macht möglichst alles alleine, um dadurch die eigene Arbeitszeit produktivieren zu können.

    Das ist irgendwo verständlich, aber ich glaube, dass es zielführender ist, arbeitsteilig vorzugehen und sich auf den Bereich der eigenen Kernkompetenz zu konzentrieren.

    Was die Zusammenarbeit in Projekten angeht, bin ich anderer Meinung als Du, Karin. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, diese face-to-face-Treffen zu Projektbeginn abzuhalten, denn in dieser Phase besteht die größte Herausforderung darin, Vertrauen für die weitere Zusammenarbeit aufzubauen. Und das geht auf digitalem Weg viel schwerer, weil der Bereich der nonverbalen Kommnikation wegfällt.

  3. “Nur schade, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, solche Inkubatoren oder Kompetenzzentren, je nachdem wie man sie nennen möchte, im Kunst- und Kulturbereich zu etablieren.”

    Ich weiß nicht, ob es unbedingt notwendig ist, ein Zentrum zu schaffen, in dem nur der Kunst- und Kulturbereich vertreten ist. Die Mischung mit anderen Branchen kann doch durchaus befruchtend sein. In Berlin gibt es solche Zentren, wo quer durch den Gemüsegarten alles mögliche vertreten ist, viele Medienschaffende, Designer, Grafiker, aber auch Kulturschaffende und Künstler.
    Künstler unter sich sind im Tacheless zu finden.

    “Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, diese face-to-face-Treffen zu Projektbeginn abzuhalten…”
    Vielleicht ist einfach unsere Definition von einem Projekt eine andere, oder wir sehen den Projektbeginn an einer anderen Stelle. Bei großen Projekten mit vielen Beteiligten – keine Frage.
    Aber wenn wir z.B. gemeinsam ein Kulturmanagement-Wiki initiieren – ist das ein Projekt für Dich oder nicht? Ok, das fällt vielleicht nicht unter die offizielle Definition eines Projektes (z.B. im Projekt Magazin: ein Vorhaben, das in vorgegebener Zeit und beschränktem Aufwand ein eindeutig definiertes Ziel erreichen soll, wobei der genaue Lösungsweg weder vorgegeben noch bekannt ist…), weil ein Wiki niemals abgschlossen ist…
    Aber angenommen, wir schreiben zusammen ein Buch. Da gibt`s keinen Zweifel, das wär ein Projekt. Auch wenn wir nur zu zweit wären. Wenn`s ernst wird, müssten wir uns treffen. Aber für die Ideenfindung, erstes Grobkonzept…? Könnte man doch mal über`s Internet beginnen? Ein Versuch wert?

    Ich muss dazu sagen, das Thema ist für mich persönlich neu – ich habe erst in den letzten Monaten , v.a. über meine Blogs, richtig viele „virtuelle“ Kontakte aufgebaut (die Personen sind ja aber real…), ich habe auch noch nie ein Projekt mit jemandem gemacht, den ich noch nie gesehen habe…
    Aber ich kann mir vorstellen, dass sich das in Zukunft schon mal ergeben könnte – nicht nur bei mir. Ich glaube, da wird sich noch einiges verändern…

    Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, wie das ist, seine Xing- Twitter-, Blog-, Friendfeed… Kontakte in der Realität zu treffen. 
    Sascha Lobo hat zur http://re-publica.de/08 eine Followers-Party organisiert – die war sehr gut besucht und die Leute waren begeistert, ihre Followers kennen zu lernen.
    Aber da war ich noch nicht unter den Twitterern…

  4. Es werden (wenn auch die Benutzung sehr Komplex ist) vermehrt “virtuelle Welten” für die “Telearbeit” ein gesetzt. Jüngstes Beispiel Goethe-Institut eröffnet Präsenz in „Second Life“

  5. @ Karin: Ja, da hast Du natürlich Recht. So ein Inkubator muss sich nicht auf den Kunst- und Kulturbereich beschränken. Wichtig sind in meinen Augen die daraus resultierenden Synergieffekte und die Möglichkeit, durch gemeinsame Angebote einen Mehrwert der jeweils angebotenen Produkte oder Dienstleistungen zu erzielen.

    Kunst und Kultur sollten deshalb im Mittelpunkt eines solchen Zentrums stehen, damit der Bereich nicht abgedrängt wird und dann so eine Art Mauerblümchendasein führt.

    Eim Kick-off-Meeting scheint mir deshalb wichtig zu sein, da so ein Rahmen bessere Möglichkeiten bietet, ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen als per Telefon oder Email.

    Natürlich kann das auch per Telefon oder Email gelingen, aber das hängt dann von den einzelnen Personen ab und wie Du schreibst, wahrscheinlich auch von der Zahl der involvierten Personen. In unserem Fall würden wir uns ja eh im September in Hamburg beim Artcamp sehen. :-) So das stattfindet, denn außer der Ankündigung enthält die Website keine neue Informationen.

    Wann genau so ein Meeting stattfindet, ob vor oder nachdem man sich die konzeptuelle Grundstruktur eines Projektes überlegt hat, hängt meiner Meinung stark vom Projekt ab. Um beim Beispiel Wiki oder Buch zu bleiben (egal ob ein Wiki nun ein Projekt ist oder nicht), dort ist es denke ich sehr wohl möglich, mit den Konzepten zu beginnen und sich dann mal zu treffen.

    @ Michael: danke für den Hinweis! Da bin ich ja mal gespannt, welche Erfahrungen das Goehte-Institut in Second Life sammelt. Um Second Life ist es ja in den letzten Monaten sehr ruhig geworden. Aber das muss ja nichts heißen.

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