© Gerd Altmann; Pixelio
Als ich mir gegen Ende meines Studiums den ersten PC kaufte, war der Kampf mit dem Kasten, der da nun vor mir stand, ein relativ zeitintensiver. Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Referat, das ich mit einem Textverarbeitungsprogramm (dreimal dürfen Sie raten, welches :-) ) schrieb. Im Gegensatz zur Schreibmaschine machte dieses Programm immer wieder Dinge, die ich so eigentlich gar nicht wollte. Aber irgendwann hatte ich es dann doch geschafft. Nun musste ich die, ich glaube, 15 Seiten nur noch ausdrucken. Das Drama nahm seinen Lauf. In meinem Perfektionswahn war es mir ein Anliegen, die einzelnen Absätze geordnet nacheinander auszudrucken und nicht nach jedem Absatz eine neue Seite zu beginnen. Irgendwann, Mitternacht war schon längst vorüber, hatte ich meinem Nadeldrucker dann einen Ausdruck abgeluchst, der meinen Erwartungen halbwegs entsprach.
Heute ist das alles ganz anders. Wer eine neue Software ausprobiert, muss nicht programmieren können und die Epoche der 400-seitigen Handbücher scheint auch ihrem Ende entgegen zu gehen. Wenn Sie sich in einem Social Network anmelden, haben Sie das in ein paar Minuten geschafft und um dieses Weblog einzurichten, habe ich ca. 5 Minuten gebraucht. Wunderbar… oder doch nicht?
Naja, während wir früher am PC Emails abgerufen (das hieß, zweimal am Tag das Modem anwerfen und enttäuscht in eine leere Mailbox blicken), Texte verfasst oder in GW Basic programmiert haben, schaut das heute etwas anders aus: skypen, networken, mailen, schreiben, und, und, und… ich könnte hier noch eine ganze Reihe von Tätigkeiten anführen.
Und dann ist da noch das Web2.0, von dem viele schwärmen und meinen, da müsse man unbedingt dabei sein. Eben mal ein Weblog aufgesetzt, sich in verschiedenen Social Networks angemeldet oder via Twitter ein paar interessante Links entdeckt. Dauer: jeweils ein paar Minuten. Aber so ganz stimmt das dann doch nicht, denn wir können uns natürlich bei Xing anmelden, weil wir schon immer wissen wollten, was das ist und dann einfach mal reinschnuppern. Wir können Xing aber auch als Baustein einer Strategie sehen, die das Ziel verfolgt, unseren Bekanntheitsgrad zu steigern, mit unseren Kunden bzw. Stakeholdern zu kommunizieren oder online mit Partnern zusammen zu arbeiten.
Die Zeit, die wir gewonnen haben, weil der Ausdruck eines Textes heute keine Herausforderung mehr darstellt (von Ausnahmen abgesehen :-) ), die können wir heute in die Inhalte stecken. In das, was wir mit dem Internet und hier konkret mit dem Web2.0 machen können. Aber wieviel Zeit müssen wir eigentlich veranschlagen, wenn wir, wie Brigitte Reiser es in ihrem Blogpost “Wieviel Zeit benötigt man für Web2.0?” formuliert, Beziehungen aufbauen, eigene Inhalte erstellen, mit den Stakeholdern kommunizieren oder Werbung in eigener Sache machen?
In ihrem Beitrag bezieht sie sich auf Beth Kanter, die auf ihrem Blog sehr anschaulich erklärt, wie NPO Social Media für ihre Zwecke einsetzen können und welche Zeit man dafür einkalkulieren sollte. Folgt man diesem Ansatz, dann müssen Sie, so die Schlussfolgerung, gut zwanzig Stunden pro Woche für Ihre Online-Aktivitäten kalkulieren. Das sind viele Stunden, die nicht nur schnell für andere Tätigkeiten fehlen, sondern natürlich auch Geld kosten.
Auch wenn sich die Kosten irgendwann einmal amortisieren (in welcher Form auch immer): es muss klar sein, dass das erstens dauert und zweitens die Ressoucen jetzt bereitgestellt werden müssen.
Der Einstieg, bei dem es darum geht, sich mit dem Umfeld vertraut zu machen und zu kommunizieren beginnen, den schafft man noch relativ leicht, das geht sich auch zeitlich in der Regel aus. Aber wenn es dann darum geht, eigene Inhalte zu schaffen oder Netzwerke aufzubauen, dann stößt man schnell an sein Limit, so wir nicht über entsprechend große Strukturen verfügen, in denen das kein Problem ist.
Was aber tun KünstlerInnen, Kulturschaffende oder die vielen kleinen Kulturbetriebe? Sollen die darauf verzichten, da sie mangels Ressourcen gar keine Chance haben, das Web2.0 optimal zu nutzen?
Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Betrachte ich meine eigene Entwicklung (und mein Zeitbudget :-) ), dann sehe ich derzeit zwei Möglichkeiten:
- Ich bleibe an einem bestimmten Punkt stehen, an dem es für mich mangels Zeit einfach nicht mehr weiter geht (Matthias Schwenk hat das in einem Kommentar sehr anschaulich beschrieben);
- Ich kooperiere mit anderen, um die Kräfte zu bündeln. Aus “meinem” Blog könnte z.B. ein Gemeinschaftsblog werden;
Mehr Möglichkeiten sehe ich derzeit (noch) nicht. Wie sehen Sie das?
Kulturbetriebe können, so sie über die Personalressourcen verfügen, die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen. D.h. nicht eine Person schreibt die Blogposts und engagiert sich in den Netzwerken, sondern es gibt mehrere, die sich darum kümmern.
In den USA hat sich vor diesem Hintergrund bereits ein ganz neuer Beruf herausgebildet, der der Online Community-ManagerIn. Interessant ist in dieser Hinsicht das Blog von Connie Bensen, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und zeigt, vor welchen Herausforderungen wir in diesem Zusammenhang stehen.
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