Allen Unkenrufen zum Trotz

Wolken ueber Bern
© tokamuwi; Pixelio

Jetzt ist es also da, das Jahr 2009. Wenn die Prognosen stimmen, werden dunkle Wolken aufziehen und es wird uns allen schlechter gehen als bisher. So nach und nach ist das Bedrohungsszenario in den letzten Monaten ausgebaut worden und seitdem das, was uns nun (angeblich) bevorsteht, mit der Weltwirtschaftskrise verglichen wird, wissen die letzten, nun wird es ernst.

Eigentlich will ich mich dem derzeit überall anzutreffenden Pessimismus (vor allem die Medien sind voll davon) nicht anschließen. Schon vor einiger Zeit habe ich ja in einem Beitrag über die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Kunst- und Kulturbereich geschrieben, dass man so eine Zeit ja auch als Chance sehen kann. Als Chance, um sich der Dinge zu entledigen, die sich als nicht brauchbar herausgestellt haben. Aber auch als Chance, alte Gewohnheiten über Bord zu werfen und neue Dinge auszuprobieren. Insofern gefällt mir auch die Überschrift eines heute veröffentlichten Interviews mit Matthias Horx:” Apokalyptisches Spießertum und der nach einer geilen Katastrophe gierende Mediendiskurs“. Und er hat Recht, wenn er sagt:

“Die Finanzkrise ist das bestvorausgesagte Ereignis der letzten Zeit, das war völlig klar, dass die Blase platzt und es war völlig klar, dass die amerikanische Wirtschaft an die Wand fährt. “

Aber nur so wird sie die Chance haben, sich zu verändern. Sonst geht das Spiel ewig so weiter, z.B in der amerikanischen Automobilindustrie. Ähnlich sieht das Steve Pavlina, auf den mich kurz vor den Weihnachtsfeiertagen  Alice Hive via Twitter aufmerksam gemacht hat (Zusatzinfo: Alice ist Musikerin, mehr über sie auf  MySpace und last.fm). Pavlinas Blogpost “How to Make Lots of Money During a Recession” spricht mir aus der Seele,  denn für ihn ist das die Zeit, wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Es ist die Phase, wo wir nur noch Geld für die Dinge ausgeben, die wir wirklich brauchen, die uns einen Mehrwert bieten, so Pavlina:

“We also become more sensitive to receiving genuine value. When we spend money, we want to make sure we’re getting a fair deal.”

Das heißt: nur wem es gelingt, diese Werte zu schaffen, wird eine Chance haben. Dementsprechend sollten wir uns, so Pavlina, nicht mit der Frage beschäftigen, auf welche Weise wir Geld verdienen können, sondern wie es uns gelingt, Werte zu schaffen, die anderen wichtig sind?

“Instead of focusing on trying to make more money, put your time and energy into CREATING and DELIVERING real value. Find a way to give people what they want and/or need”,

schreibt Pavlina. Und was versteht er unter creating und delivering?

  • “Creating value means expressing your unique talents and skills in a way that can potentially benefit others.
  • Delivering value means ensuring that other people are actually receiving and benefiting from the value you’ve created.”

Kreativ sein, Werte schaffen, das zeichnet die Kreativen, die KünstlerInnen aus. Aber:

“If you only create value but don’t deliver it, then your value isn’t being received by anyone. So how can you receive value (such as money) in return?”

fragt sich Pavlina und sieht vor allem die Kreativen, die KünstlerInnen der Gefahr ausgesetzt, sich zu sehr um das Schaffen von Werten zu kümmern und dabei deren Verbreitung aus den Augen zu verlieren.

Aber auch andersherum ist es nicht optimal, denn wer Werte unter die Leute bringt, aber nicht kreativ ist, “handelt” mit den Werten anderer. Das Problem dabei: erweist sich das “Geschäft” als erfolgreich, können andere schnell auf diesen Zug aufspringen, denn

“there’s nothing particularly special about delivering other people’s value. Anyone can do it.”

Das heißt, wenn die Einzigartigkeit dessen, was man schafft, fehlt, dann wird man sehr schnell jede Menge Konkurrenten um sich haben.

Heißt aber, Werte zu schaffen und zu vertreiben auch automatisch Geld zu verdienen? Diese Frage ist, finde ich, gerade im Hinblick auf den Kunst-und Kulturbereich interessant. Pavlina meint zwar, der finanzielle Erfolg würde sich quasi von alleine einstellen, was auf der individuellen Ebene der Fall sein mag. Aber es geht schon auch darum, den Wert von Kunst und Kultur zu vermitteln und hier wäre dann die Kulturpolitik gefragt. Allerdings in Kooperation mit den KünstlerInnen.

Wenn es deren Stärke ist, Werte zu schaffen, dann muss ihr Ziel sein, sich mit Menschen zusammen zu tun, deren Stärke die Vermittlung dieser Werte ist. Aber auch hier gilt: es geht nicht nur um die Bereitstellung von Kommunikationskanälen.

Bleiben wir im Kunstbereich. Hier tun sich viele KünstlerInnen mit Galerien, Agenturen oder KulturmanagerInnen zusammen, weil sie darauf bauen, dass die über die Fähigkeit verfügen, die Werte, die von den KünstlerInnen geschaffen werden, zu kommunizieren und damit AbnehmerInnen zu finden. Über das entsprechende Wissen, wie diese Kommunikationskanäle aussehen und wie sie funktionieren, verfügen, nehme ich mal an, alle, die solcherart arbeiten.

In unserem angenommenen Fall geht es nun aber natürlich auch darum, dass es den Galerien, Agenturen und KulturmanagerInnen gelingt, etwas zu anzubieten, was für die KünstlerInnen einen Wert darstellt, in diesem Fall Kundenkontakte bzw. ein Netzwerk, über das es gelingt, die Kunstwerke zu verkaufen. Creating values ist also auch hier ein notwendiger Bestandteil für den Erfolg. Wer aber sagt mir, dass ich beispielsweise als Kulturmanager überhaupt dazu in der Lage bin, solche Werte zu schaffen? Pavlinas Antwort scheint simpel:

“If you’re creating and delivering genuine value, and you suddenly stop, people will notice. People will definitely care. Your contribution will be seriously missed.”

Auf der anderen Seite:

“If, however, hardly anyone cares that you stopped, that should tell you something. It means that people just didn’t value your creative output… not really. What you were doing was either unnecessary or easily replaced. You weren’t yet living as a conscious, self-actualized human being. You held back from shining as brightly as you could have.”

Darin besteht, denke ich, die große Herausforderung, aber auch die große Chance sowohl für die KünstlerInnen, aber auch für all diejenigen, die im Kunst- und Kulturbereich arbeiten. Es gibt unendlich viele KünstlerInnen, die meisterlich darin sind, Werte zu schaffen, die für einzelne von uns, aber auch für die Gesellschaft insgesamt von Bedeutung sind. Manche sind ebenso meisterlich darin, dies auch zu kommunizieren, zu vermitteln. Paulo Coelho ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel dafür.

Ich habe ihn aber auch deshalb genannt, weil er ein wahrer Meister darin ist, das Social Web für sich und seine Kunst zu nutzen. Noch nie war es so einfach, über die verschiedenen Kanäle so viele Menschen zu erreichen. Einfach bedeutet nicht leicht. Es ist eine Kunst, die Menschen auf diese Weise anzusprechen. Paulo Coelho beherrscht diese Kunst, insofern lohnt es sich, sich das, was er tut, genau anzuschauen und davon zu lernen. Wem das gelingt, auf der einen Seite  Werte zu schaffen und auf der anderen Seite deren Relevanz anderen zu vermitteln, dem werden Finanzkrise, Rezession, etc. nichts anhaben können, ganz im Gegenteil.


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Kommentare

7 Antworten zu „Allen Unkenrufen zum Trotz“

  1. raffiyork

    Da sind sehr schöne Anregungen in deinem Beitrag, merci!
    Ich bin auch ganz grundsätzlich deiner Meinung, dass man Krisen zunächst auf jeden Fall nutzen kann – und sollte. Man darf einfach nicht den eigenen Kopf ausschalten. “Die” Medien scheinen endgültig zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass die schonungslose und unausgewogene Anhäufung von Katastrophenmeldungen ihre wahre Pflicht ist – nun ja…Only bad news are good news..
    Der Trick ist wohl, sich seinen eigenen Blick auf die Welt nicht verrammeln zu lassen. Und das hat dann wieder mit Kreativität und Kultur zu tun.

  2. In den Medien klingt das Krisen-Gerede immer so, wie wenn man jetzt den Kopf in den Sand stecken müsste, damit das Schicksal seinen Lauf nehmen kann. Das impliziert, dass wir dagegen nichts machen können und das ist einfach nicht richtig, denke ich.

    Deshalb hat mir das Blogpost von Steve Pavlina so gut gefallen, denn alles was er beschreibt, kann man tun, ohne auf die anderen angewiesen zu sein. Da interessiert die Krise dann einfach nicht mehr…

  3. Vielen Dank für die Erwähnung! :)
    Freut mich, dass du aus Steves Post so viel gewinnen konntest, wie ich.

    Kann mich da Christian Henner-Fehr nur anschließen.

    Ist es außerdem nicht ziemlich lahm, wenn man die Verantwortung über den eigenen Erfolg so sehr an Faktoren kettet, die man nicht beeinflussen kann?

  4. Lahm ist es schon, aber es ist halt manchmal so herrlich bequem, wenn man andere für etwas verantwortlich machen kann.

    Ich gestehe, auch ich bin da nicht davor sicher. :-)

  5. “für ihn ist das die Zeit, wo sich die Spreu vom Weizen trennt”
    So ist es! Kunstschaffenden kann eigentlich (man lese das “eigentlich” und stelle sich eine hochgezogene Augenbraue vor)nichts Besseres passieren als eine solche Wirtschaftskrise. In fetten Jahren erfährt die kunst weniger Beachtung als in mageren, weil schlicht und ergreifend ein Überangebot besteht und dem “Melkvieh” der letzte Käse als Kunst verkauft werden kann. In mageren Jahren dagegen konzentrieren sich die Menschen wieder mehr auf das, was sie tatsächlich anspricht, sie sind nicht so schnell bereit, einem künstlich produzierten Hype zu folgen, sie lernen wieder mehr über den Wert einer Sache. Ein weiterer Vorteil von mageren Jahren ist die Tatsache, dass Kunstschaffende wieder enger zusammenrücken und sich miteinander austauschen, anstatt sich mit scheelen Seitenblicken um ein goldenes Kalb zu streiten und die gewonnenen Erkenntnisse eifersüchtig für sich behalten. Sponsoren, Mäzene und andere Förderer werden allerdings kurzfristig dürftig gesät sein. Kurzfristig. Langfristig trennt sich auch da die Spreu vom Weizen! :) Ich persönlich fühle mich wohler mit einem Unterstützer, der sich mit meinem Schaffen auseinandersetzen mag als mit einem, der nur ein bisschen protzen will damit, dass er arme Künstler mit seiner Kohle unterstützt.
    Was nicht bedeutet, dass ich bei einem aus der zweitgenannten Gruppe ablehnen würde – schließlich haben wir eine Wirtschaftskrise ;)

  6. Lahm und bequem gehen Hand in Hand. ;)

  7. @TillaPe:
    “Ich persönlich fühle mich wohler mit einem Unterstützer, der sich mit meinem Schaffen auseinandersetzen mag als mit einem, der nur ein bisschen protzen will damit, dass er arme Künstler mit seiner Kohle unterstützt.”

    Mir fehlen da die Einblicke, daher die Frage: gibt es von denen, die damit protzen wollen, wirklich so viele? Schließlich müssen es ja dann bekannte KünstlerInnen sein, sonst klappt das mit dem Protzen nicht.

    @alice hive: Stimmt, aber so lange das nur ein temporärer Zustand ist, wird einem verziehen, oder? :-)

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