© Konstantin Gastmann; Pixelio
Wenn es am nächsten Mittwoch (25.3.09) bei einer Podiumsdiskussion der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik hier in Wien um die “soziale Lage der Künstler/innen zwischen Wertschöpfung und öffentlicher Verantwortung” geht, dann wäre die Beschäftigung mit einem Beitrag aus dem Buch Kulturmanagement der Zukunft
Der Begriff Selbstmanagement habe sich, so schreibt Reither, im deutschen Sprachgebrauch vor allem im Bereich der Ratgeberliteratur etabliert. Die auf Frederick Kanfer zurückgehenden Techniken seien dabei “formelhaft und popularisierend” in die Managementliteratur übernommen worden. Dennoch spielt das Thema Selbstmanagement eine wichtige Rolle, wenn man sich die strukturellen Veränderungen der Arbeit anschaut, fährt sie fort.
Wer sich mit Selbstmanagement beschäftigt, hat es mit den Komponenten Zeitmanagement und Selbstorganisation zu tun. Zeitmanagement sei eigentlich, so zitiert sie Martin Scott, ein unsinniger Ausdruck, da man nur sich selbst, aber nicht die Zeit “managen” könne. Daher, so Reither:
“Zeitmanagement bedeutet das sinnvolle Organisieren von Zeit oder anders formuliert, die Kunst, seine Zeit effektiv zu nutzen. Zeitmanagement wurde als Bündel von Strategien und Techniken entwickelt, vor dem Hintergrund der stetig anwachsenden Anzahl von Aufgaben im Arbeitsleben. Es setzt da an, wo die einzelne Person aufgrund von zu viel Aufgaben und Terminen überfordert ist, da die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt ist (S.168).”
Damit sei das Zeitmanagement eine grundlegende Komponente auf dem Weg zu einem sinnvollen Selbstmanagement, bei dem es darum gehe, eigene Ideen und Ziele aktiv zu entwickeln und sie erfolgreich umzusetzen.
Die Grundzüge des Zeit- bzw. Selbstmanagements müsse man aber auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Veränderung unserer Arbeitsprozesse sehen, fügt Reither hinzu.
“Warum strebt eine Vielzahl von Menschen ein Wissen um das optimale Selbstmanagement an? Woher kommt die permanente Arbeit an sich selbst und der Drang zur Optimierung und Effektivitätssteigerung?”
fragt sie sich. Das Phänomen verweist, so meint sie, auf eine “spezifische neoliberale Regierungsform”, eine neue Regierungstechnik, die schon seit dem 16. jahrundert dazu führt, dass sich der Staat mehr und mehr aus seiner Regierungsverantwortung zurückzieht und es den Mitgliedern der Gesellschaft überlässt, für sich selbst zu sorgen. Hier bezieht sie sich auf Michel Foucault und den von ihm geprägten Begriff der Gouvernementalität, mit dem er eine Form der Herrschaft beschreibt, die das Einverständnis der Beherrschten voraussetzt.
Nach und nach steht nicht mehr die Größe des Herrschaftsgebietes im Vordergrund, sondern das Wohl der Bevölkerung. Das führt dazu, dass
“der Mensch beginnt, sich um seinen Körper, seine Gesundheit, sein Wohlbefinden eigenverantwortlich zu kümmern, da er begreift, dass seine Produktivität, seine Arbeitskraft, sein wichtigstes Kapital in der modernen Gesellschaft darstellt (S.170).”
Das gouvernemental regierte Subjekt werde, so Foucault, zum “Unternehmer seiner Selbst”. Vor allem die Umgestaltung von Staaten nach neoliberalen Regierungskonzepten basiere auf dem Foucault’schen Ansatz, ist Reither überzeugt.
Unterstützung findet sie dabei in dem Aufsatz “Totale Mobilmachung. Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement” von Ulrich Bröckling, der darin zu dem Ergebnis kommt, dass sich in unserer Gesellschaft ein “Regime des Managements” durchgesetzt habe, das sich auch auf alle unsere sozialen Beziehungen erstreckt.
Als Kern des modernen Managements sieht Bröckling das Total Quality Management (TQM), das auf der Mitwirkung aller Mitarbeiter eines Unternehmens aufbaue und diesen die Verantwortung für Mängelvermeidung und Qualitätsverbesserung übertrage.
“Wenn die Verantwortung für dasProdukt jedoch in die einzelnen Mitarbeiter, die das Produkt produzieren, hineinverlagert wird, haben wir hier im kleinen die Metapher der Gouvernementalität abgebildet,”
schlussfolgert Reither und konstatiert, dass die “manageriale Führungsstrategie des TQM damit beim einzelnen Subjekt angekommen sei,
“das implizit angehalten ist, sich und seine Qualitäten zu formen, zu optimieren, kurz, sich wiederum durch Strategien des Selbstmanagements den jeweiligen Arbeitsanforderungen souverän und effektiv zu begegnen” (S.173).
Entrepreneurship werde somit zur elementaren Qualität, sogar zur Haltung der Arbeitenden gegenüber der Arbeit selbst. Hier, schreibt sie,
“ist der große Bogen über die neoliberale Regierungsform der Gouvernementalität, die Managerialisierung der Gesellschaft, das TQM als zeitgenössisches innerbetriebliches Steuerungsmodell bis hin zur Umwertung des arbeitenden Subjekts als Unternehmer und die Implementierung des Selbstmanagements als Optimierungsstrategie der Ressource Ich vollzogen” (S.173).
Und wie sieht es im Kunst- und Kulturbereich aus? Die Kulturschaffenden müssen immer unternehmerischer agieren, um Aufträge akquirieren und ihr Einkommen sichern zu können.
“Selbstmanagement im Kulturbereich bezieht sich auf die Organisation der eigenen Person im Gefüge eines ausdifferenzierten Sektors, der mittlerweile nur noch wenige feste Stellen bietet, dafür aber umso mehr projektbezogene, temporäre, prekäre Arbeitsformen kennt. (S.175)”
Der Unterschied zwischen einem Kulturschaffenden und einem Unternehmer ist also nicht mehr groß, behauptet Reither, denn auch auch er sei mittlerweile zum Unternehmer seiner Selbst geworden. Für die Autorin kommt es da nicht überraschend, dass sich angesichts der Arbeitsverhältnisse immer mehr Kulturschaffende für eine selbständige Tätigkeit entscheiden. Der Begriff des Selbstmanagements müsse daher, so ihre Forderung,
“um Techniken, die eine Unternehmensgründung und -führung unterstützen, (erweitert werden)”.
Dazu gehören für Reither Themenbereiche wie Managementlehre, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, aber auch Strategieentwicklung oder Business Development.
Aber, so zitiert sie aus Michael Söndermanns Studie Kulturberufe:
“Die Lebenswege nicht nur der Künstler werden immer prekärer.”
Das könne, so Söndermann, die Zukunftschancen für diese Kulturberufe sogar erhöhen, wenn sie nämlich als Zukunftsmodell eine größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit erringen sollten, weil hier die zukünftigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt bereits vorweggenommen würden.
Negativ ausgedrückt heißt das mit den Worten Reithers,
“dass die Arbeit in Zukunft unsicher, überflexibilisiert, temporär und – bezogen auf seine existenzsichernde Funktion – prekär wird”. (S.178)
Auch Isabell Lorey analysiert in ihrem Aufsatz “Gouvernementalität und Selbst-Prekarisierung” die Entwicklung sehr kritisch, gibt den Kulturschaffenden aber eine “Mitverantwortung”:
“Generell war die bewusste, die freiwillige Aufnahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse sicherlich auch Ausdruck für ein Bedürfnis, die moderne, patriarchale Aufteilung in Reproduktion und Lohnarbeit anders zu leben als innerhalb des Normalarbeitsverhältnisses.”
Inwieweit gilt das heute noch? Sind Auflehnung bzw. der Drang zur Selbstverwirklichung wirklich noch die Antriebsfedern, wenn es darum geht, sich für eine Tätigkeit im Kunst- und Kulturbereich zu entscheiden? Oder ist es die fatalistische Haltung, dass es in anderen Bereichen auch nicht besser ist und Kunst und Kultur noch immer eine gewisse Faszination ausüben?
Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann ist es unumgänglich, dass die Ausbildungsangebote an die Realität angepasst werden. Entrepreneurship ist noch kaum ein Thema, erste Ansätze wie z.B. kultur.unternehmen.dortmund sind aber im Entstehen.
Vielleicht sollten wir uns aber die Frage stellen, ob wir diesen Weg überhaupt weiter gehen wollen? Jede Krise ist eine Chance, daher hätten wir jetzt – Stichwort Finanz- und Wirtschaftskrise – die Gelegenheit, uns grundsätzlich über diese Entwicklungen Gedanken zu machen. Nicht nur für den Kunst- und Kulturbereich, ganz im Gegenteil. Denn, und da halte ich es mit Michael Söndermann, mit der gegenwärtigen Situation, wie sie in den aktuellen Studien in Österreich und in Deutschland beschrieben wird, lässt sich der Gesellschaft bereits anschaulich darstellen, was auf sie zukommen kann.
Und wenn wir schon dabei sind: Andrea Schurian hat in der Wochenendausgabe des “Standard” geschrieben, dass Kunst einen Wert habe. Jetzt müssten wir nur noch klären, welchen?
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