Ist ein Kunstwerk planbar bzw. weiß eine KünstlerIn schon im Voraus, auf welchem Weg am Ende welches Kunstwerk entstehen wird? Einige Boygroups im Musikbusiness wurden zwar am Reißbrett entworfen, was nahelegt, dass ihr Erfolg vorprogrammiert war. Allerdings hat das nur in einigen wenigen Fällen geklappt, darauf verlassen konnte sich niemand. Auf der anderen Seite wiederum gab (und gibt) es Künstler wie z.B. George Tabori, bei denen zu Beginn der Probenarbeiten niemand weiß, was am Ende herauskommen wird.
Halten wir also fest, dass ein Kunstwerk in der Regel nicht planbar ist. Umso erstaunlicher ist es, wenn man sich das Antragsprozedere im Bereich der öffentlichen Förderungen ansieht. Um an diese Gelder zu kommen ist es nötig, “das Projekt” sehr detailliert zu planen. Auf EU-Ebene geht das sogar soweit, dass ich bei bei der Einreichung schon heute angeben muss, wann ich in zwei Jahren mit wem an welchem Tag nach z.B. Lissabon zu einem Meeting der Projektpartner fliegen werde und was das kosten wird. Das klingt jetzt besonders absurd, aber seien wir ehrlich, auch die Fördergeber auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene wollen sehr genau wissen, was da am Ende herauskommt und vor allem, was das kostet.
Kann das wirklich gutgehen? Ich vermute heftiges Kopfschütteln bei Ihnen, behaupte aber, dass es in der Praxis recht häufig funktioniert. Warum? Kunst- und Kulturbetriebe sowie KünstlerInnen haben sich arrangiert mit dem System. Man plant ein Projekt, sucht um Förderung an, erhält eine Zusage und dann wird das Projekt “exekutiert”. Änderungen sind nicht möglich, weil laut Fördervertrag nicht vorgesehen. Wer sein Vorhaben mit Hilfe der gängigen Tools geplant hat, kann nun seine einzelnen Arbeitspakete abarbeiten. Das ist nicht besonders spannend oder innovativ, aber dafür erspart man sich jede Menge Ärger mit den Geldgebern.
Es geht mir nicht darum, den Fördergebern Vorwürfe zu machen, schließlich funktionierte Projektmanagement über Jahrzehnte genau nach diesem Prinzip. Das Vorhaben wurde geplant und dann wurden die geplanten Arbeitsschritte abgearbeitet. Je genauer man geplant hatte, desto leichter fiel einem die Umsetzung. Bei vielen Projekten ist das auch heute noch so, allerdings gibt es eine zunehmende Zahl von Vorhaben, wo das nicht mehr funktioniert.
Deshalb setzt man im Bereich der Softwareentwicklung immer häufiger auf agiles Projektmanagement (siehe dazu mein Blogpost “Agiles Projektmanagement“), einen Ansatz, bei dem iterativ–inkrementell vorgegangen wird.
“Eines der ‘heißesten’ Themen im Projektmanagement ist aus meiner Sicht derzeit die sinnvolle Kombination und Integration klassischer und agiler Vorgehensweisen, Methoden und Techniken”,
schreibt Stefan Hagen in dem Beitrag “Menschen-zentriertes Design trifft agiles Projektmanagement” auf seinem PM-Blog und konstatiert, dass das klassische Projektmanagement heute häufig nicht mehr 1:1 anwendbar sei. Andererseits könne man aber auch die Methoden des agilen Projektmanagement nicht beliebig anwenden, so Hagen weiter. In einer Präsentation, die er zu diesem Thema gefunden hat, stellt Maria Giudice eine Hybridform vor, die beide Ansätze zu integrieren versucht.
Eberhard Huber, der auf dem projekt (B)LOG agiles und klassisches Projektmanagement im Hinblick auf die Planung vergleicht, schreibt:
“In agilen Projekten wird nicht geplant – so lautet eines der Vorurteile. In agilen Projekten gibt es sehr wohl einen Plan, er hat lediglich eine geringere Reichweite und wird sehr häufig überarbeitet und schrittweise verfeinert.”
Klingt das nicht sehr nach einem künstlerischen Vorhaben, bei dem man auch nur grob die Richtung kennt und sich dann langsam vortastet und im Tun immer konkreter wird? Das heißt, die Grobplanung, die dem klassischen Ansatz folgt, liefert den Rahmen für das agile Feintuning. Oder wie es Huber formuliert:
“Ein grob ausgeführter Wasserfall liefert den Input für den Start der agilen Implementierung, die agile Implementierung liefert das Produkt zurück. Der klassische Grobplan ist der Rahmen in dem die agile Detail-Planung ablaufen kann.”
Das bedeutet aber: ich weiß nicht, wann und mit wem ich in zwei Jahren wohin fliegen werde und kann somit den Anforderungen nicht gerecht werden, die an mich gestellt werden, wenn ich etwa um eine EU-Förderung ansuchen möchte. Nun kann man natürlich fordern, dass die Fördergeber auf eine detaillierte Projektplanung verzichten, um so für die notwendige Flexibilität zu sorgen.
Das aber würde wahrscheinlich dazu führen, dass auf sorgfältige Planung verzichtet wird und Projekte dementsprechend planlos realisiert werden. Das kann es aber nicht sein, denn erstens handelt es sich hier um öffentliche Gelder und zweitens hat Eberhard Huber darauf hingewiesen, dass auch das agile Projektmanagement die Planung kennt. Ich würde behaupten, dass hier sogar sehr viel sorgfältiger geplant werden muss, allerdings lässt man dabei eine gewisse Flexibilität zu, was aber nicht mit Nachlässigkeit oder Sorglosigkeit verwechselt werden sollte.
Das heißt, beide Seiten müssen aufeinander zugehen, um ein entsprechendes Vertrauen entstehen zu lassen, das es ermöglicht, den Rahmen für Förderungen freier zu gestalten und so dafür sorgt, dass sich künstlerische Ideen frei entfalten und realisieren können. Keine leichte Aufgabe, aber im Moment sehe ich keine Alternativen dazu, denn die in der Überschrift gestellte Frage muss man eigentlich mit einem Nein beantworten.
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