Ticketing ist ein Thema, das ich bis jetzt noch nicht wirklich auf meinem Radar hatte. Umso mehr habe ich mich über die Einladung zum T:B Experten-Forum Ticketm@nagement 2010 gefreut. Kurz gefasst geht es beim Ticketing um die Vermarktung und den Vertrieb von Eintrittskarten. Als ich vor vielen Jahren meine ersten Open Air-Konzerte besuchte, ging es im ersten Schritt darum, sich eines der meist raren Tickets zu besorgen. Dafür waren die Vorverkaufsstellen zuständig, zu denen man hinfahren musste. Wenn es blöd lief, dann musste man dort einige Zeit anstehen, um an die begehrte Karte zu kommen, wenn es richtig blöd lief, dann gab es dort gar keine Karten mehr.
Heute geht das alles etwas einfacher, denn neben den Vorverkaufsstellen, die es natürlich immer noch gibt, werden Tickets auch telefonisch und online vertrieben. So verkaufen beispielsweise die Bregenzer Festspiele ein Drittel ihrer Tickets mittlerweile über das Internet, wie ich bereits gestern auf dem stART! – live Blog geschrieben habe. Noch erfolgreicher in dieser Hinsicht ist das Schmidt Theater in Hamburg, wie Geschäftsführer Norbert Aust am zweiten Tag der Ticketmanagement-Konferenz erzählte. Bei seinem Theater liegt die Quote bei etwa 50 Prozent.
Während früher vor allem bei größeren Veranstaltungen ein dezentraler Vorverkauf dazu diente, die Nachfrage nach den Tickets zu befriedigen, während die kleineren Veranstalter ihre Tickets in Eigenregie vertrieben, ist heute daraus ein riesiger Markt geworden. So ist CTS Eventim als europäischer Marktführer in zwanzig Ländern aktiv und vermarktet gut 80 Mio. Tickets für mehr als 100.000 Veranstaltungen. Dass es hier nicht mehr nur um den Verkauf von Tickets geht, machen die auf der Website von CTS Eventim formulierten Ziele deutlich:
“Ziele und Zukunftsvision (…) ist der Ausbau des Internet-Ticket-Shops (…) zum führenden Freizeit- und Veranstaltungsportal in Europa und der Ausbau von CTS EVENTIM als führender europäischer Konzern der Entertainmentbranche.”
Aus einem Ticketverkäufer wird so ein Entertainmentkonzern, der die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken versucht und entsprechende Dienstleistungen anbietet. Neben den Veranstaltern, die sich entscheiden können, über welche Ticketingplattformen sie ihre Eintrittskarten vertreiben, gibt es noch das, was früher der Schwarzmarkt war und heute als sogenannter Sekundärmarkt firmiert. Während früher die Schwarzmarkthändler mit gehorteten Karten ein Geschäft zu machen versuchten oder Private ihre Tickets aus welchen Gründen auch immer loszuwerden versuchten, hat sich hier dank des Internets ein neues Geschäftsfeld eröffnet.
So versteht sich beispielsweise Seatwave als ein
“Online-Markt, wo Fans Tickets für Konzerte, Theater, Sport, Attraktionen, besondere Veranstaltungen und so ziemlich alle anderen Live-Events kaufen und verkaufen (können)”. (siehe dazu meinen Rückblick auf den ersten Konferenztag)
Eigentlich eine feine Sache, wird die Sache dann problematisch, wenn auf diese Weise ein knappes Gut vertrieben werden soll. Deshalb wehren sich zum Beispiel verschiedene Fußballklubs gegen den Verkauf ihrer Tickets auf solchen Plattformen, wie ein Artikel auf Spiegel Online zeigt. Oder die Fans selbst, die davon nicht unbedingt profitieren, wie dieser Kommentar zum Spiegel-Beitrag deutlich macht:
“Die komplette AC/DC-Hallentour im letzten Jahr war binnen 12 Minuten restlos ausverkauft – 5 Minuten (!!!) später fand man tausende Tickets allein bei ebay zum bis zum vierfachen Preis!”
Unterbinden wird man solche Geschäfte, so vermute ich, nicht mehr können. Allerdings gilt es, hier entsprechende Regeln festzulegen, um Auswüchse zu verhindern. Im Endeffekt folgt dieses “Geschäft” den gleichen Prinzipien wie der Handel der Produkte, die dann zur Finanzkrise geführt haben. Und so wie diese Finanzinstrumente eigentlich durchaus ihren positiven Nutzen hatten (und haben), indem sie der Absicherung eines Risikos dienten, kann man solche Sekundärmärkte natürlich auch als ein Instrument betrachten, das dazu dient, Risiken zu minimieren, die mir als Käufer eines Tickets entstehen. Während man Tickets früher an Freunde weiterverkauft hat, wenn man nicht selbst hingehen konnte, übernehmen diese Funktion heute Online-Plattformen.
Unabhängig von der Frage, über welche Plattform ich meine Tickets verkaufe, werde ich versuchen, möglichst viele Menschen auf diese Möglichkeit, Tickets zu erwerben, aufmerksam zu machen. Womit wir beim Thema Web 2.0 wären. Nun kann man natürlich die diversen Social Media-Kanäle dafür nutzen, um die Pressetexte, die man produziert hat, auch noch via Twitter, Facebook, etc. unter die Leute zu bringen. Dann handelt es sich um zusätzliche Lautsprecher.
Wirklich sinnvoll ist es in meinen Augen, das Social Web zum Aufbau von Communitys zu nutzen. Ich behaupte, dass sich dadurch nachhaltigere Erfolge erzielen und Auswüchse, wie oben beschrieben, leichter vermeiden lassen (ganz verhindern wohl nicht). Erstens ist die Bindung der Community an das Produkt eine wesentlich intensivere, bei dem Produkt handelt es sich eher um ein Liebhaberprodukt, das für mich selbst bestimmt ist, als um ein Verkaufsgut, das ich möglichst gewinnbringend verkaufen möchte. Zweitens könnte das dezentrale Web dazu beitragen, dass auch die “Kleinen” eine Chance haben, schließlich werden auf den großen Plattformen vor allem die großen Player auf der Titelseite promotet und nicht unbedingt die “Kleinen”.
Und zu den Kleinen, wenn auch den “großen Kleinen” zähle ich das Schokoladenmuseum in Köln. Dessen Marketingchef Martin Möller-Wettingfeld bestritt zusammen mit Karin Janner und mir den Workshop zum Thema Web 2.0. Sein Part bestand darin, auf die Bedeutung von Google hinzuweisen und am Beispiel der Website seines Museums zu zeigen, wie man sich erfolgreich in den Suchmaschinen positioniert. In meiner Zusammenfassung habe ich ja schon geschrieben, dass der Workshop sich dann vor allem um die Frage drehte, ob sich ein gutes Ranking auch mit einem klassischen CMS erzielen lasse. So wie es eben das Schokoladenmuseum macht.
Natürlich ist das möglich, nur verstehe ich den Sinn und Zweck nicht, schließlich ist das Schokoladenmuseum schon lange im Web 2.0 angekommen. Zwar ist es dort nicht selbst aktiv, aber das ist auch nicht nötig, das übernehmen mittlerweile die Besucherinnen selbst. Wer das Museum besuchen möchte, erkundigt sich z.B. auf Qype, wie es anderen Menschen dort gefallen hat. Gut, man kann wie gesagt, gerne ein statisches CMS verwenden und dafür auch einen fünfstelligen Eurobetrag ausgeben. Ärgerlich wird die Sache dann, wenn man im Nachhinein herausfindet, dass da jemand nicht einfach nur ein CMS empfiehlt, sondern vor wenigen Monaten noch für den Vertrieb genau dieses Produktes zuständig war. Aber wie gesagt, auch das Schokoladenmuseum ist schon längst im Web 2.0 angekommen, wenn auch anscheinend nur passiv. Bevor aber andere über mich reden und ich es vielleicht gar nicht mitbekomme, bin ich lieber dabei.
Zurück zum Thema Ticketing. Hierbei handelt es sich um einen sehr umkämpften Markt. In einer Mail, die ich als Reaktion auf meine Berichterstattung im stART! – live Blog erhielt, wurde die Vermutung geäußert, dass die sinkenden Verkaufszahlen im Tonträgergeschäft mit einer der Gründe dafür seien. Die sich verändernden Wertschöpfungsketten sprechen für diese Vermutung, die ich aber nicht belegen kann. Ich behaupte, wer seinen BesucherInnen nicht nur einfach das Geld aus der Tasche ziehen möchte, sondern an nachhaltigen Verbindungen zu seinen Zielgruppen und daher auch am langfristigen Erfolg der eigenen Tätigkeit interessiert ist, der wird dafür vielleicht nicht unbedingt das Web 2.0 brauchen. Aber leichter geht es schon.
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