“Theatre Seating“; By Davod Joyce (CC-Lizenz)
In vielen Beiträgen beziehe ich mich auf das Blogpost “Art as the hub” von Adam Thurman, in dem dieser behauptet,
“(.) people don’t want to connect to art . . . they want to connect to other people.”
Wenn die soziale Komponente so stark im Vordergrund steht, ist ein großer Teil unserer Gesellschaft davon ausgeschlossen, sich durch den Besuch von Kunst- und Kulturveranstaltungen mit anderen Menschen zu vernetzen, vom Kunstgenuss ganz zu schweigen. Die Zahlen sind eindeutig: Kunst und Kultur werden vor allem von einer Elite in Anspruch genommen, die hochgebildet ist und über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügt.
Dem entgegen zu wirken hat sich die Kulturloge Berlin zum Ziel gesetzt:
“Idee und Ziel der Kulturloge Berlin ist es, Menschen mit niedrigem Einkommen bzw. mit staatlicher Unterstützung eine Möglichkeit zu geben, kostenfrei am kulturellen Leben, sowie an Freizeitaktivitäten der Stadt Berlin teilnehmen zu lassen,”
heißt es auf deren Website. Größtenteils private Kultureinrichtungen stellen dafür der Kulturloge Tickets, die nicht mehr verkauft werden können, in Form von Freikarten zur Verfügung. Soziale Partnerorganisationen sprechen gezielt bedürftige Menschen an und machen sie auf dieses Angebot aufmerksam. Bei Interesse werden sie von den vielfach ehrenamtlich tätigen MitarbeiterInnen der Kulturloge persönlich kontaktiert und zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung eingeladen. Als Gäste der Kulturloge können sie darüber hinaus noch einen Gast ihrer Wahl mitbringen.
Mittlerweile stellen 70 Berliner Kulturinstitutionen den 4.500 registrierten Gästen der Kulturloge monatlich ca. 1.200 Kulturplätze zur Verfügung. Angesichts des quantitativen Erfolgs der Kulturloge Berlin und der dadurch ausgelösten kulturpolitische Debatte zu den Möglichkeiten kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe in unserer Gesellschaft, entstand der Wunsch nach einer Evaluation, die Anfang des Jahres vom Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim durchgeführt worden ist. Die Ergebnisse dieser Evaluation, die mittlerweile auch online zur Verfügung stehen, sind es Wert, betrachtet zu werden.
Insgesamt 800 der Gäste der Kulturloge wurden im Januar 2011 per Email angeschrieben, knapp zwanzig Prozent nahmen an der Online-Befragung teil. Die Auswertung zeigt, dass es der Kulturloge gelingt, ihre Zielgruppen zu erreichen, denn die Mehrheit derer, die die Angebote in Anspruch nimmt, ist entweder arbeitslos (36%) oder in Rente (21%). Interessant ist das hohe Bildungsniveau der Befragten. Während nur 14% der Gesamtbevölkerung über einen Hochschulabschluss verfügen und der Anteil mit Hauptschulabschluss bei 38% liegt, sind es bei den Kulturloge-Gästen 29% (Hochschulabschluss) und 5% (Hauptschulabschluss). Das heißt, auch diese Befragung zeigt, dass die Kulturnutzung sehr stark vom Bildungsgrad abhängt und das Angebot der Kulturloge vor allem Menschen mit einem hohen Bildungsabschluss anspricht, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden.
Aber es werden auf diese Weise auch bildungs- und kulturferne Millieus erreicht, wie es in der von Birgit Mandel (Professorin am Institut für Kulturpolitik) und Thomas Renz (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturpolitik) verfassten Studie heißt. Ableiten lässt sich diese Schlussfolgerung, wenn man der Frage nachgeht, ob dieses Angebot zu mehr kultureller Teilhabe führt? 56% der befragten Gäste gaben an, in den letzten 12 Monaten maximal einmal eine Kulturveranstaltung besucht zu haben. Diese Gruppe zeichnet sich durch die folgenden zwei Merkmale aus. Zum einen waren 58% von ihnen diesem Zeitpunkt arbeitslos und zweitens verfügten 24% über einen Hochschulabschluss. Das heißt im Umkehrschluss, 76% von ihnen verfügen über einen niedrigeren Abschluss.
Aus der Befragung geht hervor, dass das Angebot der Kulturloge dazu beiträgt, Menschen zum Besuch von Kulturveranstaltungen zu motivieren. 63% der Befragten gaben an, auf diese Weise häufiger Kunst und Kultur zu konsumieren als bisher. Und dass sich die Befragten für Kunst und Kultur interessieren, zeigen ihre Antworten auf die Frage, warum sie sich bei der Kulturloge haben registrieren lassen? 59% nannten ein grundsätzliches Interesse an Kunst und Kultur, für 47% stand das kostenlose Angebot im Vordergrund und 41% verbanden damit die Aussicht, auf diese Weise mehr unter Menschen zu kommen und verstärkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Kostenlose Angebote hat es immer wieder mal gegeben, warum funktioniert gerade das Modell der Kulturloge so gut? Die Evaluierung nennt zwei Erfolgsfaktoren: da ist zum einen die persönliche Ansprache über die sozialen Partnerorganisationen und die telefonische Kontaktaufnahme der MitarbeiterInnen der Kulturloge. Da die Partnerorganisationen um die Bedürftigkeit der einzelnen Menschen wissen, müssen diese später nicht irgendwelche Nachweise vorlegen, sondern sind bei der jeweiligen Veranstaltung Gäste unter Gästen.
Zweitens haben die Gäste der Kulturloge die Möglichkeit, einen weiteren Gast ihrer Wahl mitzunehmen, ein Angebot, das als sehr wichtig eingestuft wird und ein Beleg dafür ist, dass im Kunst- und Kulturbereich der Kontakt und die Kommunikation zu anderen Menschen eine sehr hohe Bedeutung hat.
Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen, dass das Modell der Kulturloge (entwickelt von Christine Krauskopf, die diesen Ansatz erstmals in der Marburger Kulturloge umgesetzt hat) sehr gut angenommen wird und es damit gelingt, auch kultur- und bildungsferne Millieus für Kunst und Kultur zu gewinnen.
“Die Kulturloge stellt somit ein Instrument des Audience Development dar”,
resümmieren Mandel und Renz. Der Erfolg verursacht aber auch Probleme. Auf der einen Seite gibt es zu wenig Karten für die vielen Registrierten. Auf der anderen Seite scheint das Projekt seitens der öffentlichen Kulturbetriebe und der Kulturpolitik Misstrauen hervorzurufen, heißt es in der Studie. Ob das daran liegt, dass die Kulturloge mit ihrem Ansatz Menschen erreicht, die von den Kulturinstitutionen normalerweise nicht erreicht werden können, ist Spekulation.
Der Wert der Kulturloge bestehe darin, so eine Erkenntnis der Studie,
“mithilfe bürgerschaftlichen Engagement die positive Bedeutung und Relevanz von Kunst und Kultur für die Erhöhung individueller und gesellschaftlicher Lebensqualität breit zu kommunizieren”.
Die Meinung der beiden AutorInnen ist klar:
“Eine solche, offensichtlich sehr erfolgreiche, immer breitere Kreise ziehende Initiative bürgerschaftlichen Engagements ist aus unserer Sicht von großem Wert für das kulturelle Leben in unserer Gesellschaft.”
Zu wünschen wäre den bereits bestehenden Kulturlogen, dass sich auch Kulturpolitik und öffentliche Kulturbetriebe in dieser Richtung engagieren. Das Modell zeigt aber auch, dass es, so alle von Kunst und Kultur profitieren sollen, mehr braucht als die Finanzierung der Kultureinrichtungen bzw. künstlerischer Projekte. Gefragt ist die gezielte Unterstützung bildungs- und kulturferner Millieus. Dass das geht und wie das geht, das zeigt die Kulturloge Berlin und die Evaluation ihrer Arbeit durch Birgit Mandel und Thomas Renz.
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