Wie sieht das Konzert der Zukunft aus? Zu dieser Frage haben die Duisburger Philharmoniker auf ihrem Dacapo-Blog eine Blogparade gestartet. Die Berliner Philharmoniker haben mit ihrer Digital Concert Hall vermutlich schon ein Stück dieser Zukunft vorweggenommen. Auch in der Met hat die Zukunft bereits begonnen, seitdem die Opernaufführungen live in die verschiedenen Kinos übertragen werden. Und das weltweit.
Auffällig an diesen Beispielen ist, dass sich die Orte verändern, an denen wir ein Konzert (oder im Fall der Met eine Oper) erleben dürfen. Mal ist es der Platz vor dem Computer, mal der Kinosessel. Beide Kultureinrichtungen folgen damit der Aufforderung des Kulturwissenschaftlers Martin Tröndle, der im letzten Jahr zu dem Ergebnis kam:
“Wir müssen das Konzert verändern, wenn wir es erhalten wollen.”
Stimmt alles gar nicht, schreibt Gerald Mertens in der aktuellen Ausgabe der Kulturpolitischen Mitteilungen und verweist nicht ganz zu Unrecht darauf, dass Konzerte schon lange nicht mehr ausschließlich in Konzertsälen stattfinden. Er meint damit eher Kirchen- oder Hochschulkonzerte und ahnt vermutlich nicht, dass es in Deutschland auch “Konspirative Küchenkonzerte” gibt.
Wenn man den Konzertsaal auf der einen und die Küche auf der anderen Seite als Aufführungsort von Konzerten betrachtet, kommt man recht schnell zu dem Ergebnis, dass die Bandbreite möglicher Aufführungsorte doch schon recht groß ist und die Idee, mit Musik den Konzertsaal zu verlassen, nicht mehr unbedingt als innovativ bezeichnet werden kann. Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass Konzerte natürlich auch online stattfinden können und das sogar auf Second Life, dann lässt sich sagen: hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, erlaubt ist, was gefällt.
Bleibt die Frage, was gefällt? Ich fürchte, hier wird die Sache nicht leichter. Nicht nur die Geschmäcker sind verschieden, selbst ein und dieselbe Person nimmt sich manchmal die Freiheit heraus und hört ganz unterschiedliche Musik. Da gibt es auf der einen Seite den Musik-Mainstream, egal welches Genre man sich anschaut und dann haben wir da die Nischen, in denen die Zahl der begeisterten ZuhörerInnen etwas kleiner ausfällt. Auch hier gilt aus der Sicht des Publikums: erlaubt ist, was gefällt, insofern ist eine Prognose, wie das Konzert der Zukunft aussieht, eigentlich unmöglich. Es wird weiter Bruckner-Symphonien in Konzertsälen geben und auch Hansi Hinterseer wird weiterhin seine Fans in die Berge Österreichs schleppen (kleine Randbemerkung: achten Sie mal auf die Zugriffszahlen beider Videos).
Und was sagen die Musikkritiker bzw. die Leute vom Fach? Alex Ross hat im letzten Jahr in seinem Blogpost “Art must die” aus einem Brief Richard Wagners an Franz Liszt zitiert und konstatiert am Ende seines Beitrags:
“If you really wanted to be true to the spirit of Wagner, you would stop playing him and focus on new work instead.”
Das bedeutet: weg mit den alten Zöpfen und Mut zu Neuem. In fünf Jahren hören wir dann Musik, die es heute noch gar nicht gibt. Auf meinem Weg in die Zukunft bleibe ich also immer wieder in der Gegenwart stecken und halte fest: DAS Konzert der Zukunft wird es nicht geben. Es wird ganz viele Konzerte der Zukunft geben. Große und kleine Formate, gewöhnliche und ungewöhnliche Orte, Musik zum Wohlfühlen und Musik, die nachdenklich macht oder sogar verstört.
Was wir wollen, hängt von vielen Faktoren ab, was aber kein Problem ist, denn das Angebot ist praktisch unüberschaubar. Anders ist die Situation derjenigen, die diese Konzerte organisieren und dort spielen. Ein ständig wachsendes Angebot und sinkende Budgets machen es immer schwerer, den Status Quo zu halten bzw. sich als Newcomer zu etablieren. Konzerthäuser, Orchester, aber auch einzelne KünstlerInnen werden sich mehr und mehr darum bemühen, ihr Publikum an sich zu binden. Christoph Deeg hat in seinem Beitrag zu dieser Blogparade geschrieben:
“Das Konzert der Zukunft beginnt schon vor der Aufführung und endet nicht mit dieser.”
Da ist er wieder, der Community-Ansatz. Ob im realen Leben oder in der Online-Welt, Orchester, MusikerInnen, aber auch die VeranstalterInnen werden sich zukünftig immer stärker um uns bemühen und uns teilhaben lassen an künstlerischen Prozessen, die uns eine ganz neue Art des Musikerlebens möglich machen werden. Aber das wird nur ein Angebot sein, keine Verpflichtung für uns als Publikum, denn eines ist klar: das Konzert der Zukunft ist ein bunter Strauss verschiedener Angebote und das in jeder Hinsicht. Wahrscheinlich wird das Publikum dann auch (noch) bunter.
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